Naumburg Naumburg: Rektor verlässt Landesschule Pforta
NAumburg/MZ. - Ruhig ist es an diesem Tag in der Landesschule Pforta, viel ruhiger als sonst. Die Klassen machen kurz vor den Ferien Ausflüge oder sind auf Klassenfahrt. Einige Touristen schlendern über das geschichtsträchtige Gelände. Unter einer prächtigen Kastanie nahe des Kreuzgangs - für ihn der schönste Ort hier - wird Rektor Bernd Westermeyer nachdenklich. "Mir geht es fast wie den Abiturienten jetzt: Sie weinen los, sobald sie registriert haben, dass sie sich nicht mehr so oft sehen werden - aber freuen sich auch wahnsinnig auf die Uni und die neuen Leute." Fünf Jahre ist er Rektor des traditionsreichen Internatsgymnasiums in einem ehemaligen Kloster in Schulpforte (Naumburg) gewesen. Morgen wird er von Schülern und Lehrern verabschiedet.
Es ist ein schwerer Abschied. "Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht", sagt der 43-Jährige - und man merkt ihm die Traurigkeit an. Er fühlt sich wohl in Schulpforta und verbunden mit der Region. Eine Schule wie diese mit ihrer langen Geschichte und Tradition sei ein Geschenk. Wie andere Pädagogen auch, wohnt er in einem der Internatsgebäude - zusammen mit seiner Frau, einer aus Magdeburg stammenden Grundschullehrerin, und dem sechsjährigen Sohn. "Die Schüler dort waren wie Geschwister für ihn."
Doch: "Ich freue mich auch auf die neue Aufgabe und bin neugierig auf Süddeutschland", so der Westfale, der seit 1999 in Sachsen-Anhalt - zunächst acht Jahre am Magdeburger Domgymnasium - gearbeitet hat. Sein neuer Job ist nicht irgendeiner. Bernd Westermeyer wird ab August das bekannteste deutsche Internat leiten: die Elite-Schule Schloss Salem in Baden-Württemberg. Eine internationale Schule, die längst zum Mythos geworden ist. Und als exklusive Bildungsstätte für den Nachwuchs der Reichen gilt - auch, wenn rund ein Viertel der Schüler durch Stipendien an die teure Privatschule am Bodensee kommt. In der Galerie berühmter Alt-Salemer tauchen viele klangvolle Namen auf - von Golo Mann bis hin zu Prinz Philip (siehe "Bildungsstätten für Begabte").
"Salem ist im Bereich der freien Schulen das, was Schulpforta bei den staatlichen ist: ein Flaggschiff", ist Westermeyer überzeugt, der der dritte Schulleiter in dem renommierten Internat innerhalb von wenigen Jahren sein wird - nachdem es dort zuvor mehrfach Zank um die Besetzung des Postens gegeben hatte. Die Schule sei auf ihn zugekommen, erzählt er.
Mit der Verpflichtung Westermeyers landete sie im Herbst einen Coup - kurz nachdem Baden-Württemberg mit einer Anzeige in eigener Sache für Aufregung gesorgt hatte. Denn die war eine Attacke gegen Sachsen-Anhalt. In Anspielung auf die Frühaufsteher-Kampagne des Landes texteten die Schwaben süffisant: "In Sachsen-Anhalt steht man früher auf. Bei uns bleibt dafür niemand sitzen." Nun hatte man sich auch noch den Rektor der Landesschule geangelt.
Dabei hatte Bernd Westermeyer Salem zunächst einen Korb gegeben. Da hoffte er noch, dass ein beim Kultusministerium eingereichtes Bildungskonzept umgesetzt werden kann. "Doch das ist in wesentlichen Punkten nicht passiert", so der studierte Englisch- und Geschichtslehrer, der auch ein Jahr in den USA zur Uni gegangen ist. Seiner Ansicht nach braucht es neue Strukturen für die Landesschule, die auch mit mehr Ressourcen einhergehen. So gab es etwa die Idee, den Schülern in kleinen Gruppen Lehrer als Tutoren zur Seite zu Stellen, die sie als eine Art Vertrauensperson begleiten.
Doch Westermeyer konnte mit den Vorschlägen nicht landen. Er nimmt das niemandem übel - auch, weil er die angespannte Haushaltslage des Landes kennt. Trotzdem hätte er sich mehr Gestaltungsspielraum gewünscht. "Alle erwarten, dass die Schüler hier exzellente Noten bekommen und alle möglichen Wettbewerbe gewinnen", sagt er. Doch dies passiere auch bei begabten Schülern nicht automatisch. Umgekehrt habe das Land Konzepte an die Schule herangetragen, "ohne uns vorher wirklich mit einzubeziehen". Am Ende entschied er sich für Salem.
Dort werde er stets als Mann aus dem Osten wahrgenommen - egal, wo er geboren ist. Bernd Westermeyer freut sich darüber: "Meine Frau und ich verstehen uns als Botschafter Mitteldeutschlands", versichert der scheidende Rektor, der die Mentalität der Leute in der Region mag. "Sie lassen sich Zeit für ihren Wein", sagt er mit einem wehmütigen Lächeln. Und mit seinem kleinen Sohn nehme er "diesen schönen Singsang" der Gegend mit.
Für seine Abschiedsrede hat er sich sicherheitshalber Notizen gemacht. "Da kommen sicher Emotionen hoch - und ich brauche etwas, um mich daran festzuhalten."