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Naturschutz Naturschutz: Autobahn als «Öko-Piste»

Von JENS SCHMIDT 12.01.2009, 18:54
A 14 bei Gröbers zwischen Schkeuditz und Halle-Peißen. Für den Ausbau der Nordtrasse wollen die Planer den Naturschutz nicht aus den Augen verlieren. (Archivfoto: dpa)
A 14 bei Gröbers zwischen Schkeuditz und Halle-Peißen. Für den Ausbau der Nordtrasse wollen die Planer den Naturschutz nicht aus den Augen verlieren. (Archivfoto: dpa) dpa-Zentralbild

MAGDEBURG/VS. - Damit Wildschwein, Hase und Reh sicher von einem Revier zum nächsten wechseln können, bekamen die Tiere eine Überführung. Was an der A 2 ein Unikum war, wird an der A 14 nach Schwerin zum Serienprodukt. Allein in Sachsen-Anhalt sind vier Wildbrücken, sechs Fledermaus-Überführungen, fünf Wild- und Fledermaus-Tunnel und zwölf kombinierte Wild- und Fledermaus-Unterführungen geplant.

Auslöser ist ein verlorener Prozess. Im Januar 2007 wurde der Weiterbau der A 143 bei Halle vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig vorläufig gestoppt. Die Planer hatten laut Gericht den Artenschutz nicht ausreichend berücksichtigt. Geklagt hatte der Naturschutzbund (Nabu). Die A 143 verläuft durch Schutzareale europäischen Ranges. In den Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH) leben streng geschützte Tier- und Pflanzenarten. Auch die A 14 berührt FFH-Terrain. Um eine Niederlage wie bei der A 143 zu vermeiden, haben die Planer ökologisch nachgelegt. In den nächsten Monaten will Sachsen-Anhalts Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU) einen neuen Entwurf vorlegen.

Mit der A 143 scheiterte im Osten zum ersten Mal ein schneller Autobahn-Neubau an Naturschutz-Auflagen. Zwar gelten die strengen EU-Regeln für FFH-Gebiete bereits lange, erklärt Straßenplaner Jörg Przesang aus dem Verkehrsministerium. Aber erst mit deren Umsetzung in deutsches Recht habe der Artenschutz sein heutiges Gewicht erhalten. 2002 wurde das Bundesnaturschutzgesetz, 2005 die Bundesartenschutzverordnung verschärft. Die Bundesrichter sprachen 2007 von einer Zäsur und formulierten Leitsätze für künftige Eingriffe in die Natur - auch für den Autobahnbau. Einer davon: Die Planungen müssen erhebliche Nachteile für die Umwelt ausschließen - und zwar zweifelsfrei auf wissenschaftlicher Grundlage belegt. Im Kern geht es darum, Arten besser zu schützen und deren Lebensräume nicht mehr zu durchschneiden.

Das Plus an Umweltschutz für die Nordverlängerung der A 14 kostet allein in Sachsen-Anhalt 70 Millionen Euro. Die Gesamtkosten für die 154 Kilometer lange Trasse sind von 775 Millionen auf 1,3 Milliarden Euro angestiegen - auch wegen zusätzlicher Naturschutz-Maßnahmen. Ob es Fauna und Flora nützt? Minister Daehre weiß bloß so viel: Die Gerichte werden penibler denn je hinschauen. Früher, erzählt Daehre, habe er über Fledermausbrücken gelächelt. Heute gelte: "Das wird alles haargenau umgesetzt."

Im Zentrum steht dabei die Fledermaus. Die Tiere sind streng geschützt. Von 22 Arten in Deutschland gibt es etwa 15 im Bereich der neuen Autobahn. Laut Przesang geht es vor allem darum, dass die Tiere von einem Revier zum anderen gelangen können. Die Gesetze verlangen, dass die Autobahn "keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die Arten haben darf". Da die nachtaktiven Fledermäuse Ultraschallwellen aussenden, um Insekten zu fangen und zu vertilgen, benötigen viele Arten Orientierungshilfen. Einige nutzen dafür Hecken, Bäume und Büsche. Ein nacktes Bauwerk kann zum Hindernis werden, so Przesang. Also werden Brücken, die die Autobahn queren, verbreitert und bepflanzt. Es werden aber auch Unterführungen gebaut. Denn es gibt unter den Tieren auch Tiefflieger-Arten. Daher werden Röhren mit fünf Meter Durchmesser verlegt.

Die Umweltverbände BUND und der Nabu begrüßen die geplanten Maßnahmen. "Das zeigt, dass ein Umdenken erfolgt ist", sagt Annette Leipelt, Nabu-Sprecherin aus Sachsen-Anhalt. "Die Maßnahmen sind im Einzelnen durchaus als positiv zu bewerten", meint auch Julia Wendenkampf vom BUND Sachsen-Anhalt. "Eine so gute und intensiv betriebene naturschutzfachliche Planung wünschen wir uns auch für andere Verfahren."

In den kommenden Wochen will das Ministerium Unterlagen für den ersten Abschnitt zur Planfeststellung vorlegen. Trotz der Nachbesserungen gelten weitere Konflikte als wahrscheinlich. So hält der BUND die Nordverlängerung grundsätzlich für eine "ökologische und ökonomische Fehlplanung" und kündigte bereits Klagen an. Auch Minister Daehre rechnet mit juristischen Auseinandersetzungen. "Wenn unsere Planungen aber immer noch nicht ausreichen, um eine Autobahn bauen zu dürfen, dann wird es in Deutschland wohl künftig keine neuen Autobahnen mehr geben."