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Luther-Tomate aus Wittenberg Luther-Tomate aus Wittenberg: Eine Idee von 1975 wird zum Verkaufsschlager

Von Stefan Thomé 02.10.2015, 15:46
Die Überzeugungsarbeit von Helmut Rehhan hat sich gelohnt: Die Luther-Tomate ist ein Hit.
Die Überzeugungsarbeit von Helmut Rehhan hat sich gelohnt: Die Luther-Tomate ist ein Hit. Andreas Stedtler Lizenz

Wittenberg - Freitag, kurz nach 15 Uhr: Rushhour - Hauptverkehrszeit in der Wittenberger Hans-Heinrich-Franck-Straße. Fast staut es sich in der Industriegebietsstraße hinter dem Bahndamm, vorbei am Stickstoffwerk (SKW). Im Minutentakt fahren die Autos auf dem Parkplatz der Wittenberger Gemüse GmbH. Schichtwechsel? „Nein, Werksverkauf“, sagt Helmut Rehhan. Wie jeden Freitag sowie Dienstag. „Die Leute rennen uns förmlich die Bude ein“, freut sich der Projektleiter. Der Grund: Die Luther-Tomaten.

Seit mehr als einem Jahr werden in zwei großen Gewächshäusern auf 15 Hektar die roten, gelben und grünen Früchte angebaut. Derzeit sind es elf Sorten. Nur vier davon sind aktuell im Handel. „Die restlichen probieren wir aus und schauen, wie sie im Werksverkauf gehen“, erzählt Rehhan. Mit Erfolg. 2016 werden die Supermarktketten Mitteldeutschlands mit zehn Sorten versorgt.

Die Luther-Tomate hat sich zu einem wahren Verkaufsschlager entwickelt. Daran hatte 1975 keiner gedacht. Denn die Idee, in unmittelbarer Nähe der neu gebauten Ammoniak- und Harnstoffanlage eine derartige Gemüseproduktion aufzuziehen, gab es bereits vor 40 Jahren.

Chancen für Tomatenanbau nicht genutzt

Damals baute die Gartenbaugenossenschaft „Elbaue Gemüse“ rund um Wittenberg ebenfalls schon Tomaten an. „Allerdings in vielen kleinen Gewächshäusern, verteilt am Stadtrand“, so Rehhan. Die mussten auch beheizt werden. Doch um die Abwärme des SKW zu nutzen, hätten viele Fernleitungen gelegt werden müssen. „Viel zu aufwendig“, sagt Rehhan. „Man hätte aber da schon ein großes Gewächshaus gegenüber der Chemieanlage bauen können, um die Abwärme und das bei der Produktion entstehende CO2 zu nutzen. Doch die Fläche wurde für eine mögliche Erweiterung des Chemiestandortes reserviert.“ Als nach der Wende Teile des SKW abgerissen wurden und das freie Gelände an die Stadt überging, gab es die nächste Chance für das Großprojekt Gewächshaus. „Zumal kein konkurrierendes Gewerbe im Agro-Chemie-Park angesiedelt werden sollte“, so Rehhan. Doch das Beseitigen von Altlasten, die Ebnung des abschüssigen Areals sowie die Erschließungskosten waren zu hoch. Selbst als 2008 ein mittelständischer Gemüseanbaubetrieb aus Potsdam Interesse zeigte, ergaben die Kalkulationen, dass es zu teuer wird. Der Interessent sprang ab.

Die Luther-Tomate wird Realität

Zufällig bekam Rehhan, ehemaliger Landwirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, mit, dass ein Großinvestor aus den Niederlanden 30 Hektar für Gemüseanbau in Gewächshäusern suchte. „Die wollten 30 Hektar, das konnten wir nicht sofort bieten.“ Trotzdem schlugen die Holländer zu. 2009 stimmte der Stadtrat dem ersten Bebauungsplan für das Vorhaben zu. 20 Millionen Euro wurden investiert. Die Erweiterung auf 40 Hektar steht in den Startlöchern. Zusammen mit dem Logistikzentrum sind es 68 Hektar.

Die günstigste, aber wohl wichtigste Investition, nämlich 300 Euro, tätigte Rehhan aus der eigenen Tasche. Er ließ in München den Marken-Namen „Luther-Tomate“ schützen. Viel schwieriger aber war die Überzeugungsarbeit, die er bei seinen niederländischen Kollegen leisten musste. „Die haben als Katholiken nicht verstanden, welche Bedeutung Luther in unserer Region hat“, sagt Rehhan und lacht. Jetzt ist der Name ein echter Verkaufsschlager. „Die Leute haben erkannt, die Luther-Tomate, die schmeckt“, findet er. Auch weil die Tomaten in reiner Luft ohne Schadstoffe wachsen, reif geerntet werden und ohne Chemie auskommen. (mz)