Landgericht Leipzig „Papa, melde Dich mal ...“ - Prozess gegen mutmaßliche Betrüger wegen SMS und Whatsapp
Wer ein Handy hat, kennt sie wahrscheinlich: betrügerische Nachrichten. Eine Bande, die damit tausende Euro erbeutet haben soll, steht in Leipzig vor Gericht. Ein Geständnis gab es bereits.
Leipzig/MZ. - Wie massenhaft Banden über das Internet mit gefälschten Nachrichten betrügen, wurde am Donnerstag vor dem Landgericht Leipzig deutlich. Dort wird gegen drei Niederländer und eine Deutsche verhandelt. Sie sollen bundesweit durch sogenannte Phishing-Nachrichten Kontodaten erschlichen und Opfer um ihr Geld gebracht haben. Dabei gaben sie sich als Bankmitarbeiter oder Verwandte in Not aus.
Es soll sich um genau die Personen handeln, die SMS oder Whatsapp-Nachrichten verschicken, die so ziemlich jeder Nutzer eines Mobiltelefons schon einmal bekommen hat. Oft beginnen diese mit Aufforderungen wie: „Papa, ich habe eine neue Nummer, melde dich mal bitte“. Wenn die Angeschriebenen dann antworten, verstricken die Betrüger sie in eine Kommunikation, die am Ende in der Zahlung eines Geldbetrags münden soll.
Ermittler: „Spitze des Eisbergs“
Wie oft solche Kontaktversuche stattfanden, verdeutlichte ein Polizist, der am Donnerstag aussagte. Er hatte die Handys und den Datenverkehr der Beschuldigten analysiert. „Wir haben hier nur die Spitze des Eisberges“, erklärte der Beamte. Von einer Nummer seien allein 6.300 SMS verschickt worden. Dazu nutzten die mutmaßlichen Betrüger spezielle Programme, die das Versenden an tausende Nummern mit nur einem Klick ermöglichen. Die Nummer wurden zuvor illegal im Internet erstanden. Dort gibt es Datensätze mit tausenden Kontakten.
„Hätten wir weiter auswerten können, hätten wir noch mehr Straftaten und Geschädigte gefunden“, sagte der Kriminalpolizist im Prozess. Im Wege standen jedoch zeitliche Zugangsbeschränkungen. Zudem kann auf Daten im Ausland nur bedingt zugegriffen werden. Die Betrüger operierten teilweisen von den Niederlanden aus und nutzten zudem Software von Firmen, die zum Beispiel im arabischen Raum registriert sind und nicht mit deutschen Behörden kooperieren.
170.000 Euro Schaden entstanden
Dennoch: Die allein in der kurzen Auswertungszeit Anfang 2024 aufgelaufenen Taten sind beträchtlich. Die Ermittlungen führten zu tausenden Fällen, bei denen mehrmals auch Überweisungen getätigt wurden. Die mutmaßliche Schadenssumme beläuft sich auf knapp über 170.000 Euro. Den Angeklagten drohen bis zu 15 Jahre Haft.
Allerdings bot das Gericht bereits einen geringeren Strafrahmen an – allerdings nur im Falle eines Geständnisses. Darauf eingegangen ist bisher lediglich die deutsche Beschuldigte, die umfangreich aussagte. Chaymae B., dunkle Haare, geschminkte Augenbrauen und Wimpern, berichtete, dass sie 2022 den ebenfalls Angeklagten Richneldrick C. im Urlaub kennengelernt habe. Nach weiteren Treffen habe er ihr einen Job angeboten. Sie sei damals nicht zur Schule gegangen und habe auch keine Arbeit gehabt. Deswegen willigte sie ein.
„Ich wollte einfach mehr haben, als ich hatte.“
In den Niederlanden wurde sie anschließend für zwei Wochen trainiert. Ihre Arbeit als eine von mehreren Telefonisten habe darin bestanden, den telefonischen Kontakt mit den Betrugsopfern zu führen. Wenn also eine per SMS oder Whatsapp kontaktierte Person sich auf die Nachricht meldete, schaltete sich Chaymae B. ein, um die Person zu einer Zahlung zu bewegen. Sie gab sich dabei zum Beispiel als Bankmitarbeiterin aus und übte Druck auf ihre Gesprächspartner aus.
Auf Nachfrage des Gerichts gab die 20-Jährige an: „Als ich da war, wusste ich, dass das nicht so ganz richtig ist“. Dennoch habe sie weitergemacht, um Geld zu verdienen: „Ich wollte einfach mehr haben, als ich hatte“. Insgesamt habe Chaymae B. bis zum Auffliegen der Bande 700 Euro verdient. Auf Grundlage ihrer Aussage stellte ihr das Gericht eine Bewährungsstrafe in Aussicht. Anders als die Mitangeklagten sitzt die 20-Jährige nicht in Untersuchungshaft. Den drei Niederländern bot die Strafkammer bei geständiger Einlassung Haftstrafen von drei bis vier Jahren an.
1.935 Euro überwiesen
Ins Visier der Polizei gerieten die mutmaßlichen Betrüger Anfang des Jahres. Damals wurde ein Rentner aus Leipzig Opfer der Masche. In einer SMS bat seine Tochter ihn um Hilfe. Im Glauben, deren Not zu lindern, überwies der Mann am 17. Januar 1.935 Euro auf ein fremdes Konto. Als er den Betrug bemerkte, schaltete er die Polizei ein. Die Kriminalisten begannen daraufhin mit Ermittlungen, in deren Verlauf es gelang, die Nummer, von der aus die SMS versendet worden war, zu lokalisieren und einer Adresse in Bremen zuzuordnen. Bei der folgenden Durchsuchung am 6. Februar wurden die nun Angeklagten festgenommen. Zuvor sollen allein an diesem Tag laut Ermittlungsergebnissen bereits 2.300 betrügerische SMS verschickt worden sein,
Für die Verhandlung sind noch zahlreiche weitere Termine angesetzt. Mit einem Urteil ist nicht vor April 2025 zu rechnen.