Leipziger Künstlerin arbeitet mit gepressten Blumen Leipziger Künstlerin arbeitet mit gepressten Blumen : Wilkommen in der Wunderwelt

Leipzig - Wie wird aus einem Gerberablütenblatt eine Feder? Aus einer Ritterspornblüte eine Kaulquappe? Oder aus dem Blütenblatt einer Gladiole ein Rochen? Das alles ist tatsächlich möglich, die Naturmaterialien müssen nur in die Hände von Tina Altus fallen. Dann beginnen sie ein zweites Leben. Eines, das fasziniert und den Betrachter staunen macht.
Hauchzarte Gespinste
Die Leipzigerin gestaltet Bilder aus gepressten Pflanzenteilen. Eine hohe Kunst in zweifacher Hinsicht. „Ich habe Jahre gebraucht, um das richtige Verfahren zu finden“, erzählt die Künstlerin von den Herausforderungen an ihren Einfallsreichtum. „Die Art der Presse, der Anpressdruck, die Zeit, die die Pflanzenteile in der Presse verbleiben - das alles hat Einfluss auf das Endergebnis.“ Das sind hauchzarte Gespinste, die einst Blüten oder Samenstände waren, nunmehr dünner als Seide sind und eine ganz eigene Farbigkeit entwickeln. „Eine erste Metamorphose hat stattgefunden, eine Verwandlung“, sagt Tina Altus. „Die zweite folgt, wenn ich mit dem Material arbeite, wenn Blüten und Zellstruktur ihre Geheimnisse preisgeben.“
Von ihr geschaffen, türmt sich in ihrem Atelier eine Wunderwelt aus Bildern und aus Schachteln und Kistchen mit verschiedenen Beschriftungen. „Clematis“, „Rosen“ oder „Rittersporn“, oder auch „Waldfeen“, „Spinnen“ und „Kleevögel“. Als Fantasiewesen oder Abbilder realer Formen scheinen die Inhalte nur darauf zu warten, ihre Schönheit und neue Form auf ganz andere Weise zu präsentieren. Das unendlich anmutende Material gilt es, wieder zu reduzieren. Bildwelten zu gestalten, kleine Szenen, Kaleidoskope voll bunter Vielfalt.
Auf Entdeckungsreise gehen
Da gibt es einen großformatigen Sternenhimmel, für den die Frau mit der überbordenden Fantasie mehr als 1.000 Blüten 50 verschiedener Arten in unterschiedlichster Helligkeit auf den nachtblauen Untergrund appliziert hat. Oder eine bunte Wiese, über deren Blütenmeer sich als Insektenvielfalt tummelt, was einst dennoch genauso Pflanzenteil war. Oder eine Unterwasserwelt, die Lust macht, auf Entdeckungsreise zu gehen.
Übrigens: Wie die hochempfindlichen Einzelteile aufgebracht werden, ohne dass auch nur ein Kleb-stoffhauch zu erkennen ist - das ist ebenfalls eine Altus-Erfindung. „Vier Jahre hat das gedauert, bis ich die richtige Mischung hatte“, kommentiert die unermüdliche Tüftlerin. Und auch die Acrylrahmung, die den natürlichen und zugleich künstlich-künstlerischen Welten eine gewisse Dreidimensionalität verleiht, ist ihre Idee.
Abenteuer und forschen
Seit drei Jahren widmet sich Tina Altus nebenberuflich ihrer Wunderwelt. Die Kunst beschäftigt sie jedoch viel länger. „Ich habe schon immer Pflanzensamen gesammelt und Schaukästen daraus gestaltet. Es ist faszinierend, was die Natur sich ,ausdenkt’“, erzählt die quirlig-grazile Frau, die seit einigen Jahren stets ihren 44. Geburtstag feiert. „Ich habe gemalt, mich mit Materialität und philosophischen Fragen beschäftigt“, versucht sie ihre Beweggründe zu beschreiben und legt dabei Wert auf die Feststellung: „Abenteuer und Forschen - das sind die Triebfedern meines Wesens.“ Sie erwähnt zeitgenössischen Tanz, war sogar bei der Ballett-Produktion „Wagner reloaded“ dabei, arbeitete in einer Galerie, bezeichnet sich selbst als leidenschaftlichen Theater-Fan.
Wenn sie in der Natur unterwegs ist - „das bin ich täglich“ -, kann sie gar nicht anders, als zu finden. Ganz ohne zu suchen. Der Blick ist längst geschärft auf Formen und Farben. „Ich weiß natürlich, wo steht dieses oder jenes, wann blüht das, wann kann ich da etwas sammeln. Meist verdichten sich beim Spaziergang die Ideen im Kopf oder ich entdecke wieder neues Material.“
Geschichten erzählen
Manchmal kommt das Material aber auch zu ihr. Dann nämlich, wenn sie Sträuße bekommt, für die sich Kunden ein zweites Leben wünschen, den Brautstrauß beispielsweise. Von dessen Blüten und Bestandteilen gestaltet sie ein Bild. Der Strauß mit Bedeutung, der zum Kunstwerk wird - auf diese schöne Idee hält sie Gebrauchsmusterschutz.
Ob nun die Verwandlung von Sträußen oder andere künstlerische Arbeiten - der Prozess dauert Wochen und ist eine aufwendige Angelegenheit. Da muss beim Pressvorgang regelmäßig Papier gewechselt werden, da muss entschieden werden, nach welcher Zeit Struktur und Farbton am besten zur Geltung kommen - „mein Material habe ich immer im Blick“. Dann heißt es nicht zuletzt, dem Motiv Raum und Zeit zu geben. Die verwandelten Blüten virtuos zu handhaben, bis in die kleinste Struktur. „In der Gestaltung kann ich mich verlieren, alles hineingeben“, verrät die Künstlerin. Der hohe Aufwand hat seinen Preis. Bei großformatigen Arbeiten fällt er vierstellig aus, Miniaturen sind deutlich preiswerter.
Jene Bilder, die Tina Altus „Kleine Wahrheiten“ oder „Fragmente“ nennt, mag sie am liebsten. „Im freien Gestalten mit zwei, drei Blüten eine Geschichte zu erzählen, das ist für mich das Wertvollste.“ Eines Tages möchte sie nichts Anderes mehr tun müssen, möchte sich nur noch ihrer Leidenschaft widmen. „Am Anfang war die Blüte, ein Ende ist nicht abzusehen“, setzt sie einen lakonisch-ironischen Schlusspunkt.
Mehr Informationen unter: www.flora-metaphorica.de



