Saarbrücken bekommt Hilfe am Himmel Flughafen Leipzig/Halle LEJ: Hilfe am Himmel: Lotsen überwachen Saarbrücken per Video vom Airport Leipzig/Halle aus

Halle (Saale) - Der Fluglotse, der mit dem Fernglas auf dem Tower den Flugverkehr überwacht, hat ausgedient - zumindest in Saarbrücken. Um Kosten zu sparen, kontrolliert die Deutsche Flugsicherung (DFS) seit Dienstag per Videoüberwachung den Flugverkehr des saarländischen Flughafens vom 450 Kilometer entfernten Airport Leipzig/Halle aus.
Erstmals wird in Deutschland das sogenannte Remote-Tower-Control-System eingesetzt, in Europa ist es bisher nur an zwei kleineren schwedischen Airports in Betrieb.
Das menschliche Auge durch einen Verbund aus Video- und Infrarotkameras ersetzt
Bisher überwachten in Saarbrücken zehn Lotsen vom Tower aus die Starts- und Landungen vor Ort. Pro Jahr gibt es den Angaben zufolge etwa 15.000 Flugbewegungen, rund 400.000 Passagiere nutzten 2017 den saarländischen Airport. Nun wird das menschliche Auge durch einen Verbund aus Video- und Infrarotkameras ersetzt.
„Sie liefern permanent ein 360-Grad-Bild des Flughafens“, sagt DFS-Sprecher Stefan Jaekel der MZ. Das Panoramabild werde auf einer Monitorreihe dargestellt, die Fluglotsen könnten den Bildausschnitt frei wählen. Durch die Infrarottechnik haben die Fluglotsen laut Jaekel „eine deutlich bessere Sicht - vor allem bei schlechtem Wetter und Dunkelheit“.
Startende und landende Flugzeuge ließen sich durch das System zudem durch bewegliche Kameras manuell oder automatisch verfolgen. „Mit unserem System sind wir nun erstmals in der Lage, einen internationalen Flughafen rund um die Uhr von einem entfernten Standort aus zu kontrollieren“, Klaus-Dieter Scheurle, Vorsitzender der DFS-Geschäftsführung. „Damit verbessern wir unsere Effizienz und erfüllen unverändert die hohen DFS-Sicherheitsanforderungen.“ Die Kontrolle sei mittels parallel laufendender Systeme mehrfach gegen Ausfälle abgesichert. Details wurden aus Sicherheitsgründen jedoch nicht genannt.
Zehn Saarbrücker Lotsen sind nach Leipzig/Halle gewechselt
Insgesamt zehn Saarbrücker Lotsen sind nach Leipzig/Halle gewechselt. Ihr Arbeitsplatz ist jedoch nicht im Tower am mitteldeutschen Flughafen. Sie ziehen in ein Nebengebäude, indem die Bildtechnik installiert ist. Ein Regionalflugzeug der Fluggesellschaft Luxair war am Dienstag das erste Flugzeug, das mit der neuen Technik kontrolliert wurde.
Die Maschine kam aus Luxemburg und setzte um 6.51 Uhr auf der Landebahn in Saarbrücken auf. „Für Piloten und Passagiere ändert sich durch die Fernüberwachung nichts“, so Jaekel. Sie würden es gar nicht bemerken. Das System sei umfangreich getestet worden. Derzeit laufe eine vierwöchige Einführungsphase, in der der Tower in Saarbrücken noch besetzt sei.
Mit dem neuen System will die Flugsicherung am Ende Geld einsparen. Der Betrieb eines Towers an Regionalflughäfen ist teuer, die Arbeitsauslastung der Fluglotsen schwankt stark. Daher konzentriert die DFS nun die Überwachung. Saarbrücken ist nur der erste Schritt. Im Jahr 2019 soll auch der Flughafen Erfurt mit 280 000 Passagiere von Leipzig/Halle aus kontrolliert werden. Die Lotsenteams sollen dazu flexibel eingesetzt werden. Das heißt, sie überwachen sowohl Saarbrücken als auch Erfurt.
Technik von Rheinmetall
Funktioniert das, soll auch der Flughafen Dresden angeschlossen werden, der mit 1,7 Millionen Passagieren jedoch deutlich größer ist. Der Flughafen Leipzig/Halle verbuchte 2017 rund 2,3 Millionen Fluggäste, hohes Verkehrsaufkommen gibt es auch nachts durch die Frachtflüge von DHL.
Das Remote-Tower-System hat die DFS mit dem österreichischen Technologieunternehmen Frequentis entwickelt, die Video- und Infrarotsensoren stammen vom deutschen Konzern Rheinmetall Defence Electronics. Insgesamt nahm die Entwicklung vier Jahre in Anspruch. Zu den Kosten äußert sich die DFS nicht. Bisher wird ein ähnliches System in Europa nur an den schwedischen Regionalflughäfen Sundsvall und Örnsköldvik. Die sind mit jährlich 4 000 und 6 000 Flugbewegungen jedoch deutlich kleiner als Saarbrücken. (mz)
