Quittenernte in Selbitz Quittenernte in Selbitz: Die unterschätzte Frucht

Selbitz - Matthias Seidler zieht mit großem Schwung die Garagentür auf und steht in einer Wolke aus Wohlgeruch. Gemeinhin sind Garagen nicht für ihren guten Duft bekannt. Man denkt eher an Farben, Öl und alte Reifen, wenn man eintritt. In Selbitz verwandelt sich die Seidlersche Garage in jedem Herbst jedoch in ein Obstzwischenlager, und vor allem wenn sich die Quitten in den Körben und Kisten stapeln, mag man nur noch tief einatmen.
Die Quitte findet dank einer großen Zahl köstlicher Rezepte - ob süß oder herzhaft - ihren Weg zurück in die Küchen. Stets gilt, dass die Quitte gekocht, gebraten oder gebacken werden muss, denn roh ist die Frucht nicht genießbar.
An dieser Stelle sei eine saftige Quittentarte enpfohlen. Man braucht dafür: 750 g Quitten, 50 g Mandelblättchen, 100 g Honig, 50 g brauner Zucker, je 1 TL Vanillezucker, Zimt, gemahlenen Koriander, 50 g Zucker, 150 g Butter, 2 Eier, 2 TL Backpulver, 150 g Mehl. Zubereitung: Mandelblättchen, 50 g Honig, braunen Zucker und Vanille-, Zimt und Korianderpulver unter Rühren bei starker Hitze eine Minute köcheln. Alles in eine gefettete Tarte- oder Springform geben. Die Quitten vierteln, schälen, das Gehäuse entfernen, in feine Scheiben schneiden und darauf verteilen. Den Ofen auf 200 Grad vorheizen. 50 g Honig, Zucker und Butter cremig schlagen. Erst Eier, dann Backpulver und Mehl einrühren. Über die Quitten geben, 30 Minuten backen. Traditionell wird die Tarte gestürzt, so dass sich beim Servieren der saftige Obstteil oben befindet.
„Es ist ein sehr gutes Quittenjahr“, sagt der Selbitzer, nachdem er in der vergangenen Woche all seine sechs Bäume abgeerntet hat. „Die Äste waren so schwer, dass sie bis auf den Boden hingen“, erzählt er und hat die größte Frucht auf den Wohnzimmertisch gelegt: stolze 880 Gramm bringt sie auf die Waage. Seidler wird sie noch ein wenig aufheben, so wie auch einige Früchte, die er am Baum gelassen hat, denn „die kann man gut noch eine Weile hängen lassen und später verarbeiten“.
Der 49-Jährige muss es wissen, er ist gewissermaßen der Selbitzer Obstspezialist und vor allem auch Profi, wenn es um die Verarbeitung der Saisonfrüchte in allen Arten und Formen geht. Man kennt Matthias Seidler als Gärtner der Gärtnerei Neubauer und von deren Veranstaltungen in der Schleesener Kräuterscheune. Er betreut die Stände auf Märkten, wie demnächst beim Reformationsfest in Wittenberg und am ersten Advent in Wörlitz. Dort und an den Adventswochenenden in der Kräuterscheune will Seidler die ersten Produkte aus der Quitte anbieten.
Die Basis dafür hat er sich am vergangenen Sonntag von einem Profi in Schwemsal anfertigen lassen. Aus gut 300 Kilogramm Quitten wurden rund die Hälfte an Litern Saft, praktisch in Kartons abgefüllt. „Den Termin fürs Entsaften habe ich mir schon sehr früh geholt“, sagt Seidler. Zwei Fuhren musste er mit dem Auto bis in die Gutsscheune des Heideortes unternehmen, wo Matthias Konschak seine mobile Obstpresse zum Erntefest aufgestellt hatte und rund um die Uhr Saft produzierte. Der von der Quitte wird Matthias Seidler nun als Rohstoff für all seine weiteren Kreationen dienen. Likör, Fruchtaufstrich, Gelee - das sind seine Klassiker. Zuweilen probiert der Selbitzer auch mal was Neues. Gerade hat er sich einen Smoothie mit Quitte gemixt. Das gesunde Trendgetränk überzeugt ihn jedoch nicht. „Den mache ich nicht noch mal“, meint er. Dann doch lieber den heißen Quittensaft mit etwas winterlichen Gewürzen. „Den liebe ich wirklich“, so Seidler.
Da ist er nicht alleine, denn die Quitte hat seit mehr als 4.000 Jahren ihre Liebhaber. Sie ist so ziemlich das letzte Obst, was hierzulande von den Bäumen kommt. Dem Apfel oder der Birne konnte sie jedoch nie den Rang ablaufen, wohl auch, weil man sie nicht roh essen kann und die Verarbeitung des harten Obstes doch etwas mühsam ist. Dafür entschädigt der fruchtig-herbe Geschmack. Seit mehr als 4.000 Jahren ist die Quitte als Obstart im Kaukasus bekannt und die berühmten „Goldenen Äpfel der Hesperiden“ sollen Quitten gewesen sein. Die Römer brachten die Quitte nach Mitteleuropa und bis nach Skandinavien verbreitete sie sich. Ihren ungewöhnlichen Namen hat das Obst angeblich von der Stadt Kydonia an der Nordküste Kretas. Indirekt ist die Quitte auch Namensgeber für Marmelade, denn dieses Wort stammt vom Portugiesischem „marmelo“, was dort Quitte heißt.
Aber so viel muss man gar nicht wissen, wenn man sich die Produkte aus der Quitte schmecken lässt. Jetzt gibt es sie wieder auf den Wochenmärkten, man kann mal den eigenen Baum abernten oder sich bei Matthias Seidler mit fertigen Produkten versorgen. Hauptsache Quitte! (mz)
