ÖPNV im Landkreis Wittenberg ÖPNV im Landkreis Wittenberg: Wenn der Rufbus leer fährt
Wittenberg - Auch ein Kurgast möchte mal ein bisschen Abwechslung haben. Wer in Bad Schmiedeberg kurt, dem bietet sich dafür beispielsweise natürlich die nahe Lutherstadt an. Für Menschen, die nicht mit dem Auto unterwegs sind, und das soll auf Kurgäste ja häufig zutreffen, kann so ein Ausflug allerdings unversehens in einem unerwünschten Abenteuer enden.
Leider unangemeldet
Gerlinde Gottlieb ist es so ergangen. „Umweltfreundlich“, wie sie hervorhebt, war die Frau aus Bayern von München mit dem ICE nach Wittenberg gereist, um eine Kur in Bad Schmiedeberg anzutreten. Das ging auch alles gut, bis sie eben mal einen Ausflug in die Lutherstadt machen wollte.
Freunde nahmen sie mit nach Wittenberg und für die Rückfahrt gab es ja den Bus. Dachte Gerlinde Gottlieb jedenfalls. Sonntags ist die Kurstadt allerdings ausschließlich Rufbus-Land. Aber macht nichts, 18.04 Uhr stand da ja ein Fahrzeug am Hauptbahnhof, berichtet Gottlieb.
Und es war sogar noch Platz im Rufbus. Leider nur theoretisch: Er könne sie, habe sie der Fahrer beschieden, nicht mitnehmen, da sie sich ja nicht angemeldet habe. Die Frist hierfür, so lautet die Sonderregelung für Sonntage, war bereits am Vortag um 20 Uhr abgelaufen.
Gerlinde Gottlieb blieb eigenen Angaben zufolge nichts anderes übrig, als ein Taxi zu nehmen, Kostenpunkt: 63 Euro. Und eine „bittere und wirklich nicht nachvollziehbare Erfahrung“ zu machen, wie sie der MZ schreibt. „In einer Zeit, in der man umweltfreundliche Mobilität fördern möchte“, träfen derartige Probleme bei umweltfreundlich denkenden und handelnden Menschen „auf großes Unverständnis“.
Parallel hatte sich Gerlinde Gottlieb übrigens unter anderem auch an den Landkreis Wittenberg gewandt, dem Träger des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), und um Abhilfe gebeten. „Ich möchte Sie recht herzlich bitten, eine flexible Lösung für den Sonntagsbetrieb einzuführen“, schreibt sie über den hiesigen Rufbus. Und siehe da: Es geht.
Sehr schnell sogar. Ab sofort gelte, erklärte der beim Kreis für den ÖPNV zuständige Fachdienstleiter Holger Zubke nach Rücksprache mit den betroffenen Busunternehmen: „Wenn eine Fahrt besteht, dann dürfen auch Fahrgäste mitgenommen werden“, die sich nicht angemeldet haben. Man kann also einfach einsteigen in einen bereitstehenden Rufbus, wenn der noch Plätze frei hat.
Bisher, so Zubke, sei es in der Tat so gewesen, dass die Fahrer nur vorab angemeldete Gäste mitnehmen durften. Diese Regelung habe man nun geändert. Hintergrund des Vorfalls vom 28. April sei, dass die Dispositionszentrale, die den Fahrern Fahrgast-Listen übermittelt, sonntags nicht besetzt ist. Für die Betroffene sei dies in der Tat „unglücklich“ gewesen, so Zubke, der zugleich ankündigte, Gerlinde Gottlieb ein Schreiben zu schicken.
Etwas anders, allerdings mit dem selben Ergebnis, schildert das Busunternehmen Vetter als Betreiber des Busverkehrs im Landkreis die Angelegenheit. Es spricht von einem „bedauerlichen Fehler unseres Fahrpersonals“ im Fall Gottlieb. Und betont: „Selbstverständlich ist es Fahrgästen möglich, im Rahmen der Kapazität des Fahrzeuges und auf der bestellten Fahrstrecke im Linienverkehr, auch ohne Vorbestellung den Anrufbus zu nutzen“, erklärte das Unternehmen.
Man werde das Fahrpersonal im Rahmen anstehender Schulungen „diesbezüglich noch einmal explizit schulen und sensibilisieren“. Bei Gerlinde Gottlieb habe man sich entschuldigt und werde ihr „selbstverständlich die entstandenen Kosten erstatten“.
Sonntags nie
So oder so: Strandungen wie die des Kurgastes aus Bayern sollten künftig also nicht mehr vorkommen. Wer freilich auf Nummer sicher gehen möchte an Bad Schmiedeberger Sonntagen, der sollte sich auch künftig bis Samstag, 20 Uhr für einen bestimmten Rufbus anmelden.
Diese lange Frist zu verändern, also die Bestellzentrale auch sonntags zu besetzen, ist nämlich nicht vorgesehen. Das lohne sich schlicht nicht, sagte Zubke angesichts mangelnder Nachfrage in der Vergangenheit, als man sich auch sonntags einen Rufbus ordern konnte. Der ÖPNV auf dem Land hat damit weiter das Zeug zum Teufelskreis. (mz)