Landwirtschaft in Kemberg Landwirtschaft in Kemberg: Bauer mit Leidenschaft

Kemberg - Richard Reiß wirkt wieder entspannter. Das hat mit den Milchpreisen zu tun, die sich erholt haben und aktuell bei 33 Cent liegen: „Das ist kostendeckend aber noch nicht so, dass man investieren und den Mitarbeitern mehr Geld für ihre gute Arbeit zahlen könnte.“
Auch die Kredite, die aufgenommen wurden, um die Krise zu überstehen, müssen getilgt werden. Trotzdem: „Ich sehe wieder eine Zukunft für das Unternehmen.“
Reiß ist ein Urgestein der Landwirtschaft in der Region, ein Bauer, der nie bereute, den Beruf ergriffen zu haben, der sich mit aller Leidenschaft für seine Branche einsetzt. Der Vorstandsvorsitzende der Milchagrargenossenschaft Kemberg feierte vor wenigen Tagen seinen 75. Geburtstag. Dass zu den Gratulanten Karsten Schmal, Milchpräsident des Deutschen Bauernverbandes gehörte, hat ihn gefreut.
Mehr noch freut den Wittenberger die aktuelle Stabilisierung, was für ihn auch heißt, an Abschied denken zu können: „Ich scheide dann aus, wenn der Betrieb genügend Wasser unterm Kiel hat. Wir sind auf dem besten Wege.“ Die Übergabe wird im Unternehmen vorbereitet und ist für Anfang nächsten Jahres geplant: „Im Februar 2018 bin ich als Vorstandsvorsitzender 30 Jahre im Amt. Das ist mein persönliches Ziel.“
Dass er alles in allem zufrieden ist mit seiner Bilanz verschweigt der Landwirt nicht. „Ich habe viel erreicht.“ Reiß nennt als Beispiele stabile Pachtverträge, das Eigentum des Betriebes an Grund und Boden von jetzt rund 600 Hektar, die Imagepflege, die ihm immer wichtig war. Die Agrargenossenschaft ist bekannt, wird viel besucht, verfügt über einen Hofladen und seit neuestem über eine Milchtankstelle.
Reiß spricht auch von der Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft, auf tierartgerechte Haltung, für die viel Geld investiert wurde. Dass Bauern heute bisweilen „verleumdet“ werden, ärgert ihn, dass es „schwarze Schafe“ gibt in der Branche, räumt Reiß gleichwohl ein.
Der Wittenberger hat ein bewegtes Leben hinter sich, zumindest vor der Wende von etlichen Wechseln geprägt. Reiß lernte im elterlichen Betrieb in Friedrichstadt (wo unter anderem Maiblumen angebaut wurden), war mit 21 Jahren Produktionsleiter eines VEG im Kreis Templin, kehrte aber schnell in die Heimat zurück: „Wir sind bodenständig, Wittenberger Ackerbürger.“
Seine Schwester steht noch heute auf dem Markt und verkauft Gemüse, der Großvater war Stadtverordneter. Reiß war Lehrausbilder in Bösewig, zeitweise bei der Abteilung Landwirtschaft, Abteilungsleiter in der LPG Eutzsch, verantwortlich für Rinderproduktion in Mühlanger, seit 1988 in Kemberg.
Wenn er sich was wünschen könnte? „Ich wäre gern 20 Jahre jünger.“ (mz)