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Kulturstiftung Dessau-Wörlitz Kulturstiftung Dessau-Wörlitz: Gartendirektor Ludwig Trauzettel geht in den Ruhestand

Von Ilka Hillger 02.01.2017, 08:16
Gartendirektor Ludwig Trauzettel
Gartendirektor Ludwig Trauzettel Thomas Klitzsch

Wörlitz - Ein richtig großer Batzen Arbeit kommt ganz zum Schluss. Nach 37 Jahren im Dienst lassen sich die Jahrzehnte nicht in aller Schnelle in Kisten verstauen. Eigentlich von den Kollegen schon in die Rente verabschiedet und nun noch mit Resturlaub und freien Tagen versorgt, ist Ludwig Trauzettel am Ende des Jahres 2016 doch noch in seinem Büro im Wörlitzer Hofgärtnerhaus anzutreffen.

„Ab 1. Februar ist es offiziell. Dann bin ich Rentner“, sagt der Gartendirektor der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und ist umgeben von Papieren, Akten und Fotografien. Fast vier Jahrzehnte seines Arbeitslebens im Gartenreich muss er sortieren, entscheiden, was mit ihm geht und was bleibt. Immer wieder kommt Trauzettel dabei ins Stocken, liest sich fest, blättert in den Unterlagen, erinnert sich.

Der 1. Januar 1979 war sein erster Arbeitstag. Und gleich kam er zu spät, um ganze neun Tag. „Da fuhr wieder der erste Zug, der mich von Stralsund hierher brachte“, sagt er. Es war der Ausnahmewinter, der die Ostsee in wenigen Stunden zufrieren ließ und Trauzettels neue Wirkungsstätte war auch unter Schnee begraben.

Der Wörlitzer Park wurde nach den Vorstellungen von Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau (1740–1817) von 1769 bis 1773 angelegt und bis 1813 erweitert. Er ist der erste deutsche Landschaftspark nach englischem Vorbild und wurde 2000 zum Unesco-Welterbe erklärt. Der Park gliedert sich in verschiedene Teile wie Neumarks Garten, Schochs Garten und Neue Anlage. 17 Brücken, jede in einem anderem Stil, befinden sich im Park. Der Gartendirektor der Kulturstiftung ist zudem für die Parkanlagen in Mosigkau, Oranienbaum, Großkühnau und das Luisium zuständig.

Die Hochwasser 2002 und 2013 und deren Auswirkungen waren besonders einschneidend für die Anlagen, auch aus gärtnerischer Sicht. Bei der Beseitigung der Hochwasserschäden in den Folgejahren wurden mit Fördermitteln auch sehr viele Pflegerückstände aufgearbeitet.

Aber als Baumschulengärtner und nach dem Studium der Landschaftsarchitektur in Dresden kannte er den Wörlitzer Park natürlich. „Damals habe ich freilich nicht erkannt, was für Chancen hier liegen. Der Garten hatte bereits Weltniveau und ich dachte, man müsse nur aufpassen, dass er weiter gepflegt bleibt.“

Rigoros für Durchblick gesorgt

Zu pflegen galt es die Schöpfungen der früheren Hofgärtner und Gartendirektoren. An Vater und Sohn Schoch, an Eyserbeck und Neumark erinnern heute Gebäude und Parkteile. Als Trauzettel nach Wörlitz kam, wachte Kurt Lein über die Anlage, ab 1948 als Obergärtner, dann Garteninspektor und schließlich auch Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten Wörlitz-Oranienbaum-Luisium.

Er wohnte dort, wo Ludwig Trauzettel in den vergangenen Jahren sein Büro hatte. „Es war sein Schlafzimmer“, weiß Trauzettel, der Lein in den ersten beiden Jahren als Stellvertreter zur Seite stand und im Sommer 1981 die Leitung über die Gartenanlagen übernahm.

Wenig später war das bis dahin gute Verhältnis der beiden Männer allerdings Geschichte. Trauzettel, der Neue, war zu rigoros. Man kann ihn rückblickend durchaus den Gartendirektor der Sichtachsen nennen, denn diese wiederherzustellen, hatte er sich zur Aufgabe gemacht.

„Der aufklärerische Gedanke des Gartens war damals nicht mehr sichtbar“, sagt Ludwig Trauzettel. Wo man heute freie Sicht von Goldener Urne zur Synagoge hat, wucherte das Grün. Was sich Fürst Franz und sein Hofgärtner Johann Ludwig Schoch bei der Anlage des Gartens dachten und auf welche Sichtbeziehungen sie setzten, ließ sich kaum noch erahnen.

Also blieben Ludwig Trauzettel nur die historischen Unterlagen und schriftlichen Quellen aus der Entstehungszeit. Der Gartendirektor geht zum Regal und holt die kopierten Textsammlungen hervor. In Dresden standen die Originale.

„Ich habe sie damals zwei Tage herausgesucht, drei Tage abfotografiert und dann alle Filme vier Wochen entwickelt“, beschreibt er die Methode, mit der er sich die alten Quellen zum täglichen Arbeitsmaterial machte. Und Arbeit gab es schließlich genug. „Als ich hierher kam, waren 80 Prozent der Sichtachsen zugewachsen.“

Ludwig Trauzettel ließ die Säge sprechen. Seinem Vorgänger Kurt Lein gefiel das gar nicht, vor allem, weil von ihm gepflanzte Bäume - bevorzugt in den Sichtachsen, denn da war noch Platz - fallen mussten. „Zeit seines Lebens hat er kein Wort mehr mit mir gesprochen“, erinnert sich Trauzettel.

Dass er allerdings mit der Restaurierung des Gartens ab 1982 und bis 1991 goldrichtig lag, bestätigte ihm nicht zuletzt die italienische Benetton-Stiftung, die ihn für die von ihm geleiteten Wiederherstellungsarbeiten 1997 mit dem Carlo-Scarpa-Preis auszeichnete.

Die Beherztheit, mit der die Gärtner damals ans Werk gingen, ist heute freilich kaum noch vorstellbar. „Wörlitz war ein Prestigeprojekt, da gab es keine nennenswerten Schwierigkeiten mit dem Naturschutz“, erzählt Ludwig Trauzettel aus DDR-Zeiten. Seine westdeutschen Kollegen seien gar zu Exkursionen hierher gekommen und staunten über die Freizügigkeit beim Fällen der Gehölze.

Inzwischen ist der Noch-Gartendirektor zufrieden mit der Restaurierung der Sichtachsen in Wörlitz und weiß auch, „man kann nur so viel wiederherstellen, wie man in der Lage ist, in den Folgejahren zu pflegen. Wir mussten langsam aufhören, weil wir die Kapazität nicht mehr hatten“.

Seit den 90er Jahren seien es immer weniger Arbeitskräfte in der Abteilung geworden. Im Schnitt sind die Gärtner 56 Jahre alt und haben körperlich schwere Arbeit zu verrichten. „Im Jahr 2016 hatten wir 7.500 Krankenstunden, das sieht man dann auch am Pflegezustand des Gartens“, meint Trauzettel und hofft auf bessere Zeiten für seinen Nachfolger.

Dem wird er wohl so manches mal in Wörlitz über den Weg laufen, denn Ludwig Trauzettel bleibt der Parkstadt natürlich treu. Einmal Gärtner, immer Gärtner, so will er es halten und so hat er sich auch immer gesehen.

„Als Gärtner muss man vor allem Geduld haben und auf die Zukunft schauen. Was ich heute mache, erzielt erst in vielen Jahren Wirkung, man denkt 30 bis 50 Jahre voraus“, sagt der Gärtner aus Leidenschaft.

Noch viel zu tun

„Ich weiß nicht, wie ich damit klar kommen werde“, denkt er über künftige Spaziergänge durch den Park nach. „Mein Leben war und ist Wörlitz.“ Aber es gibt natürlich auch für Ludwig Trauzettel mehr. Palladios Villen würde er gerne möglichst vollzählig sehen.

Rossinis Musik kann er ständig hören und reist mit seiner Frau deswegen auch dem Tenor Juan Diego Flórez gerne bis Salzburg, Wien, Zürich oder Pesaro hinterher. Nach Georgien muss er 2017 auch noch, denn dort kümmert er sich um die Gestaltung und Pflege eines historischen Gartens. „Eigentlich habe ich auch 2017 schon gut zu tun“, findet Trauzettel.

Und da hat er das Sortieren und Sichten seiner alten Aufzeichnungen und Fotos noch gar nicht eingerechnet. „Ich muss noch viel aufschreiben“, sagt er. Ein Wörlitzer Gartendirektor hat eben viel zu berichten. (mz)