Flucht Krieg in der Ukraine - Erste Flüchtlinge kommen im Kreis Wittenberg an
Private Initiativen und Behörden kümmern sich um Quartiere, um Transport und viele weitere Details, um die Not zu lindern.
Wittenberg/MZ - Der Krieg in der Ukraine, der Bruch des Völkerrechts durch Putin, das Leid der betroffenen Menschen wühlt im Landkreis Wittenberg viele auf - und hat ein hohes Maß an Hilfsbereitschaft zur Folge. Es gibt zahlreiche Initiativen zur Unterstützung - auf privater wie auf behördlicher Ebene.
Tour an slowakische Grenze
Mario Klimke etwa war am Montagvormittag damit beschäftigt, eine Tour an die slowakisch-ukrainische Grenze zu planen. Er will dort Verwandte und Freunde - insbesondere Mütter mit Kindern - in Empfang nehmen, die aus dem Kriegsgebiet flüchten. Die Frau des Wittenbergers ist Ukrainerin: „Es ist dramatisch und nicht absehbar, wie sich die Lage weiter entwickelt. Wir müssen uns beeilen.“ Am Abend wollte Klimke mit einem Kleinbus losfahren. Die slowakische Grenze haben die Helfer als Treffpunkt gewählt, weil sich dort die Zahl der Flüchtlinge noch in Grenzen hält. Stundenlange Wartezeiten seien gerade kleinen Kindern nur schwer zuzumuten.
Mario Klimke hat Lebensmittel, Decken und Benzin zusammengetragen und Kontakt gehalten mit den Freunden und Verwandten in mehreren ukrainischen Städten. Er spricht von Fliegeralarm und Raketeneinschlägen, die er bisweilen mithört am Telefon. „Wir können uns das hier nicht vorstellen.“
Mit fünf Autos sollen Freunde und Verwandte an die Grenze kommen, die Männer, die sie begleiten, werden zurückfahren in den Krieg. Mit dem Kleinbus und zwei oder drei Autos soll dann die Reise nach Wittenberg angetreten werden - wenn alles nach Plan läuft. Klimke rechnet mit 15 bis 22 Personen, die er in Sicherheit bringen kann.
Unterdessen ist neben anderen Arne Lietz, ehemals Europaabgeordneter, damit beschäftigt, Unterkünfte zu organisieren. „Bis heute Morgen haben sich schon 15 Familien gemeldet, die sofort Flüchtlinge aufnehmen würden“, sagte er am Montag. „Es ist toll, nur den Finger heben zu müssen und so viel Hilfsbereitschaft zu erleben“, bemerkt Lietz, der sich als Ansprechpartner zur Verfügung stellt, um Unterstützung zu koordinieren. Er sagt auch: „Es geht hier um die Grundfesten der europäischen Friedensordnung.“
Bereits angekommen sind am vergangenen Wochenende zwei Familien, die in Gästewohnungen der Wohnungsbaugenossenschaft WBG unterkamen - insgesamt zehn Leute. Vorstand Dirk Scheller kündigt an, dass bei Bedarf weitere Quartiere zur Verfügung gestellt werden. „Wir haben jetzt erst einmal ad hoc geholfen.“
In der Kanzlei des Wittenberger Anwalts Volker Gößling sollte noch am Montagabend ein Verein gegründet werden mit dem Ziel, die Flüchtlinge aus der Ukraine finanziell zu unterstützen. Als Gründungsmitglieder für den „Förderverein Ukrainehilfe“, so jedenfalls der vorläufige Name, nannte Gößling gestern neben Lietz beispielsweise Ex-Landratskandidat Sven Paul, den Wittenberger Stadtrat René Stepputtis und die Landtagsabgeordnete Heide Richter-Airijoki (alle SPD), aber auch Unternehmer aus dem Landkreis wie etwa den Jessener Garten- und Landschaftsbauer Robert Kühn. Man wolle den Menschen aus der Ukraine „unbürokratisch Hilfe leisten“, sagte Gößling. „Diese menschliche Katastrophe muss in den Griff bekommen werden“, so der Rechtsanwalt, wohl wissend, dass es sich um eine „Mammutaufgabe“ handelt, die aber gelingen könne, wenn - als Ergänzung zu den Aktivitäten der Verwaltungen - jeder einzelne aus der Zivilgesellschaft etwas tut. Das „persönliche Leid“, dadurch entstanden, dass ein hochgerüstetes Land seinen Nachbarn überfallen hat, „zerreißt einem das Herz“, sagte der Wittenberger Jurist.
Ähnlich äußerte sich der Mitstreiter aus Jessen. „Jeder von uns hat diese schrecklichen Bilder gesehen“ und habe jetzt die Verpflichtung zu helfen, sagte Unternehmer Robert Kühn. Der Verein könne ein Mittelsmann zur Wirtschaft sein und damit womöglich schneller helfen. Er rechne in den nächsten Wochen mit deutlich mehr Flüchtlingen. „Dass es in Europa wieder Krieg gibt“, habe er sich nicht vorstellen können, zeigte Kühn sich auch an Tag fünf nach dem Überfall Putins auf die Ukraine fassungslos.
Gemeinschaft schafft das
Landrat Christian Tylsch (CDU) sagte am Montag: „Wir stehen im Austausch mit den Bürgermeistern unserer Kommunen, um kurzfristig Wohnraum zur Verfügung zu haben.“ Er bestätigte, dass seit dem Wochenende die ersten Menschen aus der Ukraine im Landkreis ankommen. „Dabei handelt es sich erstmal um Menschen, die hier Angehörige oder Freunde haben.“
Mit Hilfsorganisationen würden Gespräche aufgenommen, heißt es. Daneben gebe es die Initiativen in der Zivilgesellschaft, die sich auf den Weg machen, den Menschen in Not zu helfen. „Dafür bin ich dankbar. Lassen Sie uns gemeinsam deutlich machen, dass wir Menschen uns füreinander einsetzen. Das wird ein Kraftakt - aber unsere Gemeinschaft schafft das“, so Tylsch. „Niemand bleibt auf der Straße!“ In Kooperation mit der Deutsch-russländischen Gesellschaft wurde Kontakt zu Übersetzern aufgenommen. Auch Seelsorger und Psychologen stünden bereit, so Tylsch.
Kreis mit Hotline, Mailadresse und Spendenkonto
Geldspenden können an das Spendenkonto der Kreisverwaltung überwiesen werden. Die IBAN lautet: DE66 8055 0101 0101 0122 33, Sparkasse Wittenberg (BIC: NOLADE21WBL), als Verwendungszweck bitte angeben: Ukraine Nothilfe / LK WB. Als Zuwendungsbestätigung im Sinne der Einkommenssteuer-Durchführungsverordnung genügt der Bareinzahlungsbeleg oder die Buchungsbestätigung eines Kreditinstitutes, wenn die Zuwendung 300 Euro nicht übersteigt. Aus der Buchungsbestätigung müssen der Name und die Kontonummer oder ein sonstiges Identifizierungsmerkmal des Spenders und des Empfängers (Landkreis Wittenberg), der Betrag, der Buchungstag sowie die tatsächliche Durchführung der Zahlung ersichtlich sein. Für Spenden, die diese Wertgrenze übersteigen, wird eine Zuwendungsbestätigung nach amtlichen Mustern erteilt, wenn der Name und die Anschrift des Zuwendenden aus dem Verwendungszweck der Zahlung hervorgehen, teilt der Landkreis mit.
Welche Organisationen Sachspenden oder Lebensmittel annehmen, befindet sich zurzeit in Klärung. Für Privatleute, die Wohnraum zur Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stellen wollen, wird eine Möglichkeit geschaffen, diesen auf der Webseite des Landkreises elektronisch anzumelden.
Für Fragen rund um die Unterbringung, Versorgung und Hilfe für Geflüchtete aus der Ukraine schaltet die Kreisverwaltung die Mailadresse [email protected] frei. Im Rahmen eines Ankunftsmanagements wird im Bereich der Ausländerbehörde eine 24-stündige Rufbereitschaft aufgebaut. Die Rufnummer lautet 03491/4 79-60 50. Diese Nummer ist nur für Geflüchtete und ihre Helfer gedacht auf der Suche nach einer Unterkunft.