Hobbysammler seit 35 Jahren Hobbysammler seit 35 Jahren: Öffnen der Wackelmänner untersagt

Wittenberg - Allein am Verschluss kann Karl-Heinz Hotho das Alter von Miniatur-Schnapsflaschen erkennen. Schraubverschlüsse sind nämlich erst jüngeren Datums. Davor gab es unter anderem Abreißverschlüsse, die zu öffnen untersteht sich der Wittenberger jedoch. Ein Sammler wie er legt Wert darauf, dass die Flaschen in gutem Zustand, das Etikett unbeschädigt und vor allem der Inhalt original ist.
Seit Anfang der 80er Jahre sucht Karl-Heinz Hotho die Raritäten. Rannte er zu DDR-Zeiten noch von Geschäft zu Geschäft, um neue Ausgaben zu finden, hilft jetzt das Internet, im unüberschaubaren Angebot wenigstens ansatzweise den Überblick zu finden. Da bleibt nur die freiwillige Beschränkung auf Themen. Einen Großteil seiner früheren Bestände aus DDR-Zeiten hat der inzwischen 52-Jährige getauscht, geblieben sind einige Raritäten wie Mitropa-Flaschen und tschechische Liköre der Marke „Kord“. Der Whisky hat es ihm angetan, doch irgendwann hat Karl-Heinz Hotho aus Platzgründen das Sammelgebiet „Whisky“ noch einmal spezialisieren müssen. Jetzt ist es „Malt Whisky“, der längst mehr als eine Vitrine füllt.
Smokey Monk, King Barley und Sailing Ships stehen in Reih und Glied, Jahrgangsabfüllungen von Macallan zeigen nur geringe Unterschiede auf den Etiketten. Die winzige Schrift auf den Aufklebern einer holländischen Firma lassen den Experten verschiedene Destillerien erkennen. Fremde Schriftzeichen verraten exotische Herkunftsländer: Sri Lanka, El Salvador, Bhutan, Indien, Türkei. Exotisch sind zuweilen auch die Formen: Tiere aus Porzellan, Pferdeköpfe aus Glas, Bauwerke oder auch schon mal ein „Schluck aus der Tube“ (gefüllt mit Weinbrand) ziehen die Blicke auf sich. Die wertvollen mundgeblasenen Glasfiguren sowie Porzellan-„Flaschen“ in Form von Autos und baulichen Sehenswürdigkeiten zieren die Wohnzimmervitrine.
Manche Flasche ist, weil nicht hundertprozentig luftdicht verschlossen, nur noch zur Hälfte gefüllt. Bei einer ist nur die dickflüssige Essenz geblieben, der Alkohol entfleucht. Ganz schlimm ist es bei Kunststoff-Fläschchen, da ist kaum mehr Flüssigkeit übrig, obwohl der Verschluss unversehrt ist.
Eine Übersicht über seine Bestände hat der Wittenberger (Mitglied im Verein der Miniaturflaschensammler) auch, „alles handgeschrieben seit den 80er Jahren“, fügt er hinzu. Und zu fast jeder Flasche gibt es auch eine Geschichte zu erzählen. Bei der Auswahl muss ein Gesprächspartner jedoch viel Zeit mitbringen. Karl-Heinz Hothos älteste Miniaturflasche ist aus dem Jahr 1927, ein Bourbon-Whisky.
Erste Zeugnisse für Flaschen aus Glas reichen bis in die Zeit um 1 500 vor Christus zurück. Mit der Entwicklung mundgeblasenen Glases konnte man dem Rohstoff jede gewünschte Form geben. Massenproduktion wurde möglich. Vor allem für die Aufbewahrung von Getränken, speziell alkoholischen, hat sich Glas als ideales Material erwiesen. Das ist auch bei den Miniaturflaschen nicht anders, deren Ursprung in der Werbung liegen dürfte. Brennereien konnten so potenziellen Kunden kleine Mengen zum Verkosten anbieten, die sie sogar mit nach Hause nehmen konnten. Ein Sammelobjekt wurde aus den „Schluckflaschen“ mit 0,02 bis 0,05 Liter Inhalt vermutlich erst später. Für Sammler sind jene Flaschen von Wert, die originalverpackt sind und deren Etikett unbeschädigt ist. Besondere Exemplare sind heute wieder aus mundgeblasenem Glas. Daneben gibt es kuriose Verpackungen wie den „Schluck aus der Tube“ (Foto), gefüllt mit Weinbrand.
Was seine erste Flasche war? „Oh, das weiß ich nicht mehr“, sagt Hotho und überlegt erst einmal. Es könnte in den 70er Jahren ein Fläschchen Rum gewesen sein, dessen Inhalt in den Tee sollte, glaubt er sich zu erinnern. Inzwischen sind es über 4 000 Flaschen, für allzu viel mehr ist kaum Platz. Tauschbörsen bieten die Möglichkeit, nicht mehr benötigte Flaschen gegen jene herzugeben, die das eigene Sammelgebiet ergänzen.
Am 16. Oktober zwischen 10 und 13 Uhr wird eine solche öffentliche Börse im „Piesteritzer Hof“ in Wittenberg stattfinden. Karl-Heinz Hotho hat das Treffen von Sammlern aus ganz Deutschland organisiert (es ist das zweite in Wittenberg nach 1995), trotz einiger Absagen wird voraussichtlich ein gutes halbes Dutzend Sammler zugegen sein. Außenstehenden soll so ein Einblick in das Hobby gegeben werden. Wer Fläschchen zu Hause hat und sie gern abgeben möchte, könne sie mitbringen, erklärt Hotho. Dass er sie auch los wird, ist jedoch nicht garantiert. Was der Reiz an seinem Hobby ist, fasst der Wittenberger in einem Satz zusammen: „Wenn ich mal keine Lust mehr habe, kann ich sie aufmachen und trinken.“ (mz)
