Handwerk in Elster Handwerk in Elster: Pantoffeln und Römer-Latschen seit 85 Jahren

Elster - Pantoffeln oder Römer? Für den Autor ist das keine Frage. Als bekennendem Träger von Jesus-Latschen, wie die Römer auch genant werden, haben es mir vor allem die Sandalen angetan. Doch in der Röderschen Familienfirma, korrekt Elster-Pantoffel in der Bahnstraße 6 des Elbe-Ortes, muss man sich nicht zwischen den beiden „Treter“-Varianten entscheiden: Der Handwerksbetrieb von Fritz Röder stellt beides her, auch wenn die Pantoffeln das Gros der Produktion ausmachen.
Über der Zukunft der traditionsreichen Pantoffel- und Sandalen-Manufaktur - nur die Römer dürfen übrigens Latschen genannt werden, für ihre Pantoffeln empfindet die Belegschaft das als Abwertung - schwebt allerdings ein dickes Fragezeichen.
Die Generation um Fritz Röder, jetzt 62 Jahre alt, ist wahrscheinlich die letzte, die in Elster Pantoffeln und Römer herstellt. Nachfolger, auch oder gerade aus der eigenen Familie, sind (bislang zumindest) nicht in Sicht.
Misere aus DDR-Tagen
Ursula Betke - die Schwester von Fritz Röder und bis Ende 2015 zweite Geschäftsführerin, inzwischen aber Rentnerin und nur noch geringfügig Beschäftigte - sowie Carola Röder - Ehefrau von Fritz Röder und seit 39 Jahren im Unternehmen - machen für diese Misere vor allem die DDR-Zeit verantwortlich: „Pantoffelmacher war kein Ausbildungsberuf und ist es bis heute nicht!“ So wurden Betkes wie Röders zwar jeweils zwei Jungs geboren, aber die haben ganz was anderes gelernt und „nun natürlich ihr eigenes Auskommen“, wie die Mütter erzählen.
Die Gründerväter des Familienunternehmens, das sich jetzt Elster-Pantoffel nennt, hießen Fritz und Richard Röder. Die Brüder riefen ihre Firma 1935 ins Leben. „Der Betrieb war die ganze Zeit in Familienbesitz, auch die DDR-Jahre über“, betonen Carola und Ehemann Fritz Röder im Gespräch mit der MZ. „Wir haben selbst diese stürmischen Zeiten überstanden“, schiebt Ursula Betke nach.
Per 1. Februar 1992 haben der jetzige Inhaber Fritz Röder und seine Schwester Ursula Betke das Geschäft als OHG (Offene Handelsgesellschaft) übernommen. Inzwischen firmiert der Handwerksbetrieb unter Elster-Pantoffel Fritz Röder e.K., wobei das Kürzel e.K. für eingetragener Kaufmann steht, und wird allein von Fritz Röder geführt.
Der Vertrieb der in Elster gefertigten Pantoffel und Jesus-Latschen läuft über Großhändler und Markthändler. Daneben können private Interessenten den Ladenverkauf am Produktionsstandort in der Bahnstraße 6 in Elster nutzen. „Wir haben zwar keine feststehenden Öffnungszeiten, aber wochentags finden uns die Kunden während unserer Arbeitszeiten hier“, machen Carola Röder und Ursula Betke deutlich.
Produziert wird im Übrigen wie die Aufträge ins Haus flattern. „Leerlauftage gibt es aber trotzdem keine. Das passiert nicht“, versichert Ursula Betke.
Andererseits betonen sie, dass mit dem Geschäft von Elster-Pantoffel alles weitergeht wie gehabt - vorerst zumindest und auf unbestimmte Zeit. Also wird man 2020 wohl auch noch das 85-jährige Betriebsjubiläum miteinander begehen. Wobei der Personalrahmen sehr überschaubar ist: „Wir waren fast immer nur drei oder vier Leute.“ Dazu rechnet neben den bereits Genannten unbedingt Waltraud Schulze. Seit mittlerweile 40 Jahren ist sie bei Röders angestellt.
Als die MZ Elster-Pantoffel besucht, kleben die drei Frauen - Fritz Röder ist krank - Sandalen zusammen. „Wir arbeiten gerade einen Kunden-Auftrag für einen Großhändler ab“, sagen sie, ohne in ihrem Tun eine Pause einzulegen. In Vorbereitung auf das Sommer-Geschäft habe der Händler 500 Paar von den Jesus-Latschen bestellt.
„Römer machen relativ viel Arbeit“, hält das Frauen-Trio unisono fest, das sehr flink darin ist, die einzelnen Komponenten exakt zusammenzuleimen. Von 18 Teilschritten bei der Sandalen-Produktion berichten sie und zählen die wichtigsten schnell mal auf: Zuschnitt, Vernieten, Laufsohle vorbereiten, Verkleben der Zuschnitte und Verkleben der Laufsohle. Bei der Pantoffel-Fertigung seien es hingegen nur zehn Arbeitsschritte.
Römer werden erst seit der Wende in Elster hergestellt, blickt Carola Röder zurück. „Vorher kamen die aus dem Erzgebirge oder von der Hausschuhfabrik Luwal in Luckenwalde.“ Dieser Betrieb sei aber mit der Wende eingegangen.
Die 500 Paar Jesus-Latschen, die sich nach und nach bei Röders stapeln, werden von ihren Schöpferinnen als „Geschäft außer der Reihe“ bezeichnet. In der Hauptsache seien um den Jahreswechsel Pantoffeln gefragt. Vor allem zur Weihnachts- bzw. Winterzeit verlangten Kunden und dementsprechend auch die Händler vermehrt nach Filzpantoffeln - aus reinem Wollfilz, wie die Fachfrauen hervorheben.
„Das ist Naturware und fällt in die heutzutage sehr gefragte Bio-Strecke“, heißt es. Zusätzlich gibt es die Information, dass Wollfilzpantoffeln aus Elster mit Filzsohle oder Filzgummisohle zu haben sind. Nebenbei bemerkt: Der Filzpantoffel mit Filzoberstoff ist der unangefochtene Liebling aller Mitarbeiterinnen des Unternehmens. „Der ist am beständigsten“, untermauert Waltraud Schulze diese Präferenz.
15 Pantoffel-Sorten
Insgesamt gliedert sich die Pantoffel-Produktion der Elsteraner Familienfirma in etwa 15 verschiedene Artikel. „Sie unterscheiden sich vor allem in der Sohle und dem Obermaterial“, erklärt Ursula Betke. Bis an die Weihnachtsfeiertage heran waren sie und die anderen Frauen mehr als ausgelastet. „Es fiel uns schwer, alle Aufträge vor dem Fest abzuarbeiten.“ Und jetzt? „Im Januar geht alles wieder von vorne los!“
Wer nun mit dem Kauf von einem Paar Elster-Pantoffeln liebäugelt, dem sei zur Orientierung gesagt, dass die Standardausführung um die 15 Euro kostet, Bio-Pantoffeln sind fast doppelt so teuer und Römer-Sandalen mit Lederfaserresten als Innensohle kann man für 16 Euro haben. (mz)