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Grün-Weiß Piesteritz Grün-Weiß Piesteritz: 100 Jahre - und es war schön

Von Michael Hübner 01.04.2019, 13:03
Ein großer Augenblick im Volkspark: Die Stars vom FC Bayern München gratulierten dem FC Grün-Weiß zum 85. Geburtstag.
Ein großer Augenblick im Volkspark: Die Stars vom FC Bayern München gratulierten dem FC Grün-Weiß zum 85. Geburtstag. Thomas Klitzsch

Piesteritz - Journalismus scheint sich nie zu ändern. Die Blattmacher des „Anzeigers für den Westen Wittenbergs“ - er erschien an vier Tagen in der Woche - entschieden sich am 1. April 1919 für eine Top-Story: Beim Käsefabrikanten spielte sich eine blutige Tragödie ab. Der Mann des Hauses hatte versucht, seine Frau durch Dolchstiche in die Brust zu ermorden. Dabei stach er auch auf seine Schwägerin ein und wollte sich selbst danach das Leben nehmen.

Über die Familientragödie spricht heute keiner mehr, sehr wohl aber über das, was am 1. April 1919 in Piesteritz noch geschah. Im „Krug zum grünen Kranze“ - heute ein Hotel - gründeten wackere Männer mit Visionen einen Fußballclub.

Es gab in den 100 Jahren sportliche Höhen und Tiefen und auch dunkle Kapitel. 1939 mussten fast die komplette Mannschaft in den Krieg ziehen. Nach der braunen Zeit wurde der Verein wieder neu aufgebaut. Der größte Erfolg war 1976 der Bezirkspokalsieg in Köthen gegen Weißenfels und die Teilnahme am DDR-Pokal mit einem denkwürdigen Spiel gegen die TSG Gröditz, das erst im Elfmeterschießen entschieden wurde.

Und 1980 - es gab eben noch keine Handys - feierte die Elf schon im Fernduell mit Sangerhausen den Meistertitel und wähnte sich ein paar Minuten in der DDR-Liga. Zuvor wurde in Hettstedt im wohl besten Schlussspurt der Vereinsgeschichte eine Partie gedreht.

Aus einem 0:2 gelang noch ein 3:2-Erfolg. Allerdings hatte auch der Konkurrent - anders als der Stadionsprecher informierte - seine Partie gewonnen. Der Traum von Liga zwei platzte, und die Fans erfuhren dies erst Stunden später auf der Heimfahrt.

Und Teamgeist musste damals nicht in vereinsinternen Interviews beschworen werden, der war einfach selbstverständlich. Selbst die eigene Hochzeit war kein Grund, eine Auswärtspartie abzusagen. 1972 war der Bräutigam der Held des Tages. Martin Buchheim erzielte beim Derby in Gräfenhainichen an seinem großen privaten Tag drei Treffer für seine BSG Chemie.

Nach der Wende ändert sich vieles. Im Volkspark wird es internationaler, und es wurde erfolgreich Fußball gespielt, der bis in die Oberliga führte. Zu den Höhepunkten zählte ein Testspiel gegen den FC Bayern München.

Über 6 000 Menschen staunten beim Vereinsjubiläum 2004, dass die Gastgeber in der ersten Halbzeit dem Starensemble den Schneid abkauften. Tobias Klier - heute Trainer vom Verbandsligisten Eintracht Elster - erkämpfte sich das Leder und düpierte Torwart-Titan Oliver Kahn.

Kliers Jubelschrei war selbst in der letzten Reihe zu hören. Kurz danach träumten die Piesteritzer in der ersten Halbzeit von der Sensation in der Vereinsgeschichte. Den Schuss von Nils Naujoks konnte Kahn nicht festhalten, Lars Dratschmidt knallte das Streitobjekt in die Maschen. „Von diesem Tor werde ich noch meinen Enkelkindern erzählen“, so der Stürmer.

Die Bayern retteten sich mit einem 3:2 in die Pause, weil - wie es später Trainer Felix Magath erklärte - „Kahn den Schuss von Heiko Wiesegart weltklasse hält“. Nach dem Wechsel gab es für die Platzherren noch einen dritten Treffer. Olaf Buhle verwandelte einen Elfmeter.

Gefoult wurde übrigens der heutige Hauptsponsor Ronny Zegarek. Die Bayern gewannen 7:3. Das hat Borussia Mönchengladbach nicht geschafft. Die Profis kamen 1998 nicht über ein 3:3 hinaus. Heiko Wiesegart brachte die Piesteritzer in Führung, Fred Schlegel erhöhte sogar auf 2:0. Das 3:3 markierte Stefan Neuberg, der heute die Reserve trainiert.

Und dass mit dem 100. Geburtstag noch lange nicht Schluss sein muss, beweist die junge Generation am Samstag. Die Landesliga-Elf legt nach drei Niederlagen in Folge pünktlich zum Jubiläum drei Punkte auf den Gabentisch.

Mit dem Cöthener FC Germania 03 wird ein Verein mit einer noch längeren Tradition mit 3:0 bezwungen. Das 1:0 markiert Marcus Niemitz. Er überwindet mit einem langen Ball ins Eck den Keeper (4. Minute). „Ich wollte auf Michael Müller flanken“, gesteht der 18-Jährige, der aber inzwischen bereits acht Saisontreffer auf seinem persönlichen Konto hat.

Jonny Karaschewski verwandelt mit seiner zweiten Chance - die erste Möglichkeit vom 24-Jährigen wehrt Keeper Alexander Winzer (19.) mit einer Glanztat noch ab - zum 2:0 (26.). Das 3:0 ist wieder ein kurioser Treffer (30.). Eigentlich ist die Angelegenheit schon geklärt, doch Alexander Brückner schießt Niklas Koppehel vor 71 Zuschauern an.

„Ich habe meinen Fuß hin gehalten“, sagt der 17-Jährige, der in seinem zweiten Startelf-Einsatz seinen ersten Treffer für das Männer-Team erzielt. In der Partie gibt es auch noch zwei Rote Karten gegen den Köthener Robert Winkler (18.) und Richard Held (89.) aus Piesteritz. Beide Entscheidungen von Schiedsrichter Toni Pulst (Leipzig) sind hart und auch deshalb umstritten. Für heftiges Protestieren - „Ganz klare Fehlentscheidung“- muss ein Köthener Verantwortlicher die Bank verlassen.

Am Montag wird auch der FC Grün-Weiß das historische Datum würdigen. „Wir werden ein Video auf unserer Homepage präsentieren, wo es um Fußball in Piesteritz von 1919 bis 2019 geht. Der Film dauert etwa drei bis vier Minuten. Damit soll unser Jubiläum eingeläutet werden. Im Sommer wird dann ein Festwochenende dazu veranstaltet“, erklärt der Sportliche Leiter Maik Trollmann. (mz)