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Gastronomie  Gaststätte Fidele Kutscher-Klause in Pülzig hat neue Besitzer

Von Ilka Hillger 21.07.2016, 14:11
Das Ehepaar Ringlau bereitet sich nach gut 30 Jahren auf den Abschied von der Fidelen Kutscherklause, auch FKK genannt, in Pülzig vor. Es gibt bereits Nachfolger.
Das Ehepaar Ringlau bereitet sich nach gut 30 Jahren auf den Abschied von der Fidelen Kutscherklause, auch FKK genannt, in Pülzig vor. Es gibt bereits Nachfolger. Thomas Klitzsch

Pülzig - Ein Essen kostet 7,77 oder 11,11 Euro, der Saft 2,22 Euro. Im Promilleweg ist das normal, ohne dass man zu viel vom Kräuterschnaps für 3,33 Euro getrunken haben müsste. Wenn man als Wirt mit den Initialen RR durchs Leben geht, liegen solche einprägsamen Zahlen nahe. Zumindest für Roland Ringlau, den Chef der Fidelen Kutscherklause in Pülzig, die sich - wie auch sonst - FFK abkürzt.

Wort- und Zahlenspielereien sind Ringlaus Sache. Die Gerichte auf seiner Karte heißen „Pferdefrühstück“, „Haufen Mist“ oder auch „Schippe Dreck“. Bei den Mengenangaben für Getränke lässt er seine Gäste gerne rechnen. 4/10 l oder 3/10 l liest man da. „Wer in der Schule aufgepasst hat, der weiß, wie viel man bekommt“, sagt der 68-Jährige.

1881 wird zum ersten Mal in alten Akten die Gaststätte in Pülzig erwähnt, als erster Besitzer wird der Name Wassermann genannt. Es folgte Ziegelmeister Munkel, der im Ort Gaststätte, Landwirtschaft und Ziegelei betrieb. Der nächste Besitzerwechsel fand um 1900 statt, als Friedrich Pulz übernahm und das Haus mit seiner Mutter führte. In den 1930er Jahren erfolgte ein Umbau in der Gaststube, die bis heute im Wesentlichen unverändert geblieben ist.

Nach dem Tod von Friedrich Pulz folgten mehrere Besitzerwechsel. Die Gemeinde Cobbelsdorf kaufte das Grundstück von Vorbesitzer Richter aus Möllensdorf. Pächter wurde die Familie Hof. Während dieser Zeit gab es regelmäßig Tanz- und Kinoveranstaltungen. In den 1960er Jahren wurde der Saal vergrößert und eine Bühne angebaut. Familie Kasimir hatte die Gaststätte ab 1982 gepachtet, die Ringlaus übernahmen und eröffneten nach Umbau am Männertag 1987. (mz/ihi)

An vielen Zahlen kann er drehen, beim Alter jedoch nicht. Deshalb wird es jetzt ganz offiziell. „Nach nur 29,29 Jahren Fidele Kutscher Klause wechselt Familie Ringlau vom Kneipier zum Rentnerdasein“, verkündet der Wirt. Und neben der betrüblichen hat er auch gleich eine gute Nachricht parat: „Ein Nachfolger ist schon gefunden“.

Ab September führen Lucretia Rauch-Romano, eine Schweizerin, und Wolfgang Rauch, er stammt aus Thüringen, die Kutscherklause weiter. Vielleicht nicht mit dem Humor ihres Vorgängers Roland Ringlau, aber doch vom Fach: Die Neuen sind Köche.

Festgeklebt und haltbar

Als Roland Ringlau in die Gastronomie wechselte, war er Schlosser. Das hatte er gelernt, wenngleich er schon als 14-Jähriger in Kneipen nebenbei kellnerte und bei solch einer Gelegenheit auch Ehefrau Karin kennen lernte. „Sie war Gast, ich Kellner und ich habe ihr Klebstoff auf den Sitz geschmiert.“ Der war ausgesprochen haltbar, denn seitdem ist das Ehepaar Ringlau gemeinsam durch viele Jahre als Wirtsleute gegangen und hat sich nun für die Ruhe im Rentnersein entschieden.

Roland Ringlau kann sich das freilich nicht so ganz vorstellen und hat deshalb auch gar nicht gezögert, als seine Nachfolger ihn darum baten, dass er in der Anfangszeit noch in der Gastwirtschaft dabei sein und den Übergang begleiten sollte. „Plötzlich aufhören kann ich doch nicht“, meint er. Nach einigen Jahren als Wirt in der Konsumgaststätte Mochau, dazwischen wieder kurze Zeit als Schlosser und ab 1986 in Pülzig hat sich Ringlau den Abschied allmählich organisiert.

In diesen Wochen findet für ihn so manches ein letztes Mal statt. Die Sommerweihnachten zum Beispiel, am 24. Juli, ganz bewusst fünf Monate zu früh. Seit 22 Jahren schon wird es mitten im Jahr in Pülzig sehr weihnachtlich. Es gibt Gänsebraten und Entenkeulen, außer der Zeit macht der Bäcker Stolle und liefert sie, Glühwein wird angesetzt, die entsprechende Dekoration hervorgeholt. „Die Leute lieben das“, weiß Ringlau und ist froh, dass die Nachfolger Feste wie dieses oder auch das Schlacht-Fresschen und das Mai-Blaskonzert übernehmen wollen.

Nur jenen, die ihn an diesem Sonntag ebenso wie den Weihnachtsmann erleben wollen, muss der Noch-Wirt eine Abfuhr erteilen. „Sommerweihnachten ist leider schon bis auf die letzte Fußbank ausgebucht“, sagt er. Allein die Botenläufer aus Wittenberg kommen mit 25 Leuten.

Aber man kann schließlich auch an den anderen Tagen noch einmal vorbeischauen und die Hausmannskost aus Karin Ringlaus Küche bestellen. „In Pülzig funktioniert nur gutbürgerlich“, so Roland Ringlau. Das habe er auch den Neuen gesagt. Experimente kann man anderswo machen, aber nicht auf dem Dorf. Auf die Schweizer Gerichte, die das Ehepaar Rauch ergänzend anbieten möchte, ist Roland Ringlau allerdings schon gespannt.

Die Zutaten dafür gibt es zum Glück immer und überall, wenn auch zuweilen die Gäste fehlen. Als Ringlaus in Pülzig anfingen, war es umgekehrt. Viele Kunden, wenig Zutaten, vor allem, wenn man wie sie, rein privat in der DDR arbeitete. Damals habe der Fleischer ihnen alles angeboten, was nicht mit K anfing. „Keine Keule, kein Kamm, kein Kasseler“, erinnert Roland Ringlau. Aus der Not eine Tugend machend, gab es lediglich Vorsuppe, drei Essen und Kompott - jedoch immer in der Qualität, wie man es von Muttern kannte.

Durchgedreht und „eirig“

Die Originalität mit „durchgedrehten und eirigen Gerichten“ zog nach der Wende auf der Speisekarte ein. Ebenso wie die Übernachtungsäste dann kamen, denn mit sechs Zimmern bieten die Ringlaus vor allem für Monteure, Jäger und bei Familienfeiern Übernachtung im Haus an. Für 17,77 Euro. Auch dies wird es ab September weiterhin geben. Dann aber sind die Ringlaus nach Nudersdorf umgezogen und die Rauch-Romanos haben sich in der Wohnung gleich hinter der Kutscherklause eingerichtet.

„Meine Frau kocht dann nur noch für mich und die Kinder“, freut sich Roland Ringlau. Davor aber lassen sich die beiden ausgiebig bekochen. Im September geht es an die polnische Ostsee, denn so richtig großer Urlaub war in all den Jahren selten. „Auf dem Dorf gilt: viel Arbeit, wenig Gewinn“, sagt Ringlau. Ihn habe das nie gestört. Die Nachfolger werden sich darauf einrichten. Der Pülziger Promilleweg trocknet also nicht aus. (mz)