Einkaufen in Corona-Zeiten Einkaufen in Corona-Zeiten: Wie Läden Mitarbeiter und Kunden schützen

Wittenberg - Ansteckung vermeiden, das ist in diesen Tagen das Maß der Dinge. Abstands- und Hygieneregeln umzusetzen, ist freilich nicht einfach - gerade in hoch frequentierten Lebensmittelmärkten. Es gilt, Mitarbeiter ebenso zu schützen wie die Kundschaft. In vielen Geschäften finden sich inzwischen etwa Markierungen auf den Böden und Plexiglas an den Kassen.
Im Wittenberger E-Center seien die Kassen inzwischen quasi eingehaust, berichtet Marktleiterin Sabine Jahn. Mitarbeiter tragen meist Schutzhandschuhe, erhalten Desinfektionsmittel und den Auftrag, sich möglichst oft die Hände zu waschen. Brot und Brötchen an der Backwarentheke sind verpackt worden, um das Anfassen zu vermeiden, ab heute sollen sie von einem Mitarbeiter ausgegeben werden, kündigt die Chefin an. Beim Gemüse sei das schwieriger, allerdings werde darauf geachtet, dass Kunden nicht alles durchprobieren: „Mitarbeiter werfen schon mal einen strengen Blick oder sprechen die Leute an.“ Überhaupt gelte es derzeit, ein bisschen strenger zu sein, findet Sabine Jahn: „Wir müssen uns alle schützen, dann wird es auch wieder.“ Dazu gehört zum Beispiel, dass zurzeit nur noch Kunden mit Einkaufswagen in den Supermarkt dürfen - damit es nicht so viele werden. „Hier sollte man jetzt nicht spazieren gehen, da sind wir rigoros.“ Streng rationiert wird das begehrte Toilettenpapier. „Es gibt ein Paket pro Haushalt, mehr nicht.“
Ämter haben das Wort
Die Rewe-Group, zu der nicht nur die gleichnamige Supermarktkette, sondern auch Penny und Nahkauf gehören, teilte auf Nachfrage mit, dass man seinen Marktleitern - dazu zählt auch die Leiterin des Rewe-Marktes in Gräfenhainichen - keine generellen Vorschriften mache. Die Entscheidung dazu, ob Einlasskontrollen, die Beschränkung von Einkaufswagen oder -körben, oder andere Maßnahmen nötig seien, überlasse man den zuständigen Ämtern. Überall würden aber Scheiben zum Schutz der Mitarbeiter angebracht. Aufkleber auf den Böden sollen zu einem Mindestabstand zwischen den Kunden führen. „Zusätzlich statten wir die Mitarbeiter schrittweise mit Handdesinfektionsmitteln, Hygienehandschuhen und pflegenden Handcremes aus“, so eine Konzernsprecherin.
In der Wittenberger Altstadt betreibt Antje Praetorius ihr Naturkostgeschäft „terra verde“ mit angeschlossenem Bio-Bistro. Wie hier üblich wird weiterhin auf Plastikverpackungen verzichtet. An der Frischetheke, sagt die Ladeninhaberin, tragen sie aber Einweg-Handschuhe und auf einem Zettel am Eingang wird darum gebeten, Abstand zu wahren. Zudem befinden sich im Sanitärbereich Desinfektionsträger, aber weitergehende Maßnahmen sieht Praetorius derzeit nicht vor. Hinsichtlich ihrer Kundschaft sagt sie, dass viele entspannt wirken. Einige wenige seien aber schon mit Mundschutz und Handschuhen in den Laden gekommen. Antje Praetorius, die auf Wunsch und nach telefonischer Vorabsprache Biokisten ausfährt, sagt: „Es ist eine wahnsinnige Zeit.“ Was sie umtreibt, sei nicht zuletzt auch „das wirtschaftliche Desaster“, wobei sie betont, dass es ihr noch gut gehe. „Wir werden das durchstehen, und vielleicht wird es uns zusammenschweißen“, hofft sie.
Drei Straßen weiter betreiben Gerd und Christine Hoffmann das knapp 99-jährige und früher für Seilerwaren bekannte Traditionsgeschäft „Traub“. Schon sehr früh haben die Geschäftsleute aus der Coswiger Straße auf die Corona-Gefahr reagiert. Seit bald zwei Wochen prangt dort der Zettel an der Ladentür mit inzwischen häufig zu sehenden Bitte, einzeln einzutreten und Abstand zu halten. Die Leute hielten sich daran, so Gerd Hoffmann - sogar Eheleute, berichtet er schmunzelnd, die dies ja eigentlich nicht müssten. Der Zettel an der Tür ist nur die Spitze des Eisbergs an Maßnahmen, die die Hoffmanns ergriffen haben, um die Kunden und sich selbst bestmöglich zu schützen. Mindestens jede Stunde, so Hoffmann, desinfiziere er die Klinke der Ladentür. Außerdem haben sie gleich am Eingang Desinfektionsmittel aufgestellt, damit sich die Kunden dort beim Rein- und Rausgehen bedienen können. Dieses Angebot nutze aber kaum jemand, Händewaschen reiche doch, bekomme er zu hören.
Maximal zu zweit
Dass „Traub“ überhaupt geöffnet haben darf, hängt Gerd Hoffmann zufolge damit zusammen, dass man auch eine Art Drogerie sei und, vor allem, weil man Futtermittel verkaufe. Schwein, Gans und Ente wollen schließlich immer fressen. Und so kommen die „Krauter“ aus der Umgebung auch in diesen Tagen. Verkaufsschlager sei freilich noch etwas anderes. „Die Leute kaufen sehr viel Saatgut“, berichtet Gerd Hoffmann - und das habe nicht nur mit der Saison zu tun: „An der frischen Luft“ zu sein und mit beiden Händen in der Erde zu wühlen, kann auch in der Corona-Krise nur gesund sein. Bitte aber einzeln, maximal zu zweit!
Mit offenen Türen
Der Zahnaer Michael Schicketanz betreibt eine Einkaufsgemeinschaft, deren Mitglieder die zuvor bestellten Waren zweiwöchentlich am Ladentag im ehemaligen kirchlichen Forschungsheim in Wittenberg abholen. Auch am 1. April erwartet er rund 50 Mitkäufer. Um der Corona-Pandemie entgegenzuwirken, habe er sich eine besondere Strategie überlegt, berichtet Schicketanz. Zuerst sollen sich die Mitkäufer in einer Liste für ein Zeitfenster eintragen. Er empfängt die Gäste dann, sofern es das Wetter zulässt, am Schreibtisch vor dem Laden - selbstverständlich mit reichlich Abstand.
Die Türen des Geschäftes werden geöffnet sein, damit die Klinken nicht berührt werden und im Inneren wird Schicketanz die bestellten Waren bereits in Gruppen sortiert haben, die nur geschnappt werden müssen. Außerdem werden ihm zufolge nach dem Besuch jedes Mitkäufers die Waage und das Käsemesser des Ladens desinfiziert.
Tipps zum Einkaufen vom Chefarzt
Der Besuch von Lebensmittelgeschäften ist auch zu Zeiten der Corona-Pandemie nur gering gefährlich, entwarnt Dr. Dieter Worlitzsch. Der Chefarzt der Stabsstelle Krankenhaushygiene im Uniklinikum Halle rät dennoch, überflüssige Einkäufe zu vermeiden. Kunden sollten sich außerdem sofort die Hände waschen, nachdem sie wieder zuhause sind. Desinfektionsmittel hingegen seien nicht vonnöten. Laut Worlitzsch haben Corona-Viren eine Hülle, die besonders empfindlich auf Seife reagiert. „Seife ist ein sehr gutes Mittel, um diese Viren abzutöten“, sagt er.
Da ein Mundschutz primär davor schütze, andere anzustecken, brauche man ihn beim Einkaufen nicht. Ebenfalls nicht sinnvoll ist es, Handschuhe in Lebensmittelgeschäften zu tragen, sagt Worlitzsch. „In allererster Linie werden die Viren über Tröpfcheninfektion übertragen.“ Die Schmierinfektion über Oberflächen sei nur sekundär und besser durch häufiges Händewaschen zu umgehen.
Insbesondere die Mitarbeiter der Lebensmittelgeschäfte stehen in ständigem Kundenkontakt. Sie sollten sich daher vermehrt die Hände waschen und desinfizieren. Dennoch sagt Worlitzsch: „Die Bezahlung mit Bargeld halte ich nicht für den hauptsächlichen Übertragungsweg“ und bekräftigt erneut: „Die Tröpfcheninfektion ist unser Problem“. Das Abstandhalten sei daher für Kunden und Mitarbeiter das Gebot der Stunde. Worlitzsch rät zur Nutzung eines Einkaufswagens, was in einigen Geschäften schon Pflicht sei. Jener hält die Mitmenschen ganz von selbst auf Abstand.
(mz)
