Der letzte Kerzenmacher Der letzte Kerzenmacher: Das Licht für Harry Potter stammt aus Brandenburg

Reetzerhütten - Genau so müssen die Schuhe eines Kerzenmachers aussehen. Kein Stück Leder ist mehr zu sehen. Wachsfleck neben Wachsfleck, für die Ewigkeit imprägniert, die Senkel vom Paraffin durchtränkt. Täte man es Klaus-Peter Klenke gleich, böte das eigene Schuhwerk binnen eines Tages einen ähnlichen Anblick.
Die meisten Spritzer gibt es beim Übergießen der Altarkerzen. Klenke ist auf eine kleine Trittleiter gestiegen. Vor ihm ein uralter Kessel mit flüssigem Wachs, an der Decke eine Art Karussell, an dem Kerzen hängen. Große Kerzen. Und sie werden noch wachsen. Mit jeder Kelle, die der 59-Jährige schöpft und von oben angießt um den Bruchteil von Millimetern.
Drei Tage kann man das in Reetzerhütten so machen, dann ist ein Durchmesser von sieben bis acht Zentimetern erreicht. Die richtige Größe für eine Altarkerze.
Letzte Manufaktur im Osten
Klenke und seine Firma Buchal-Kerzen im Hohen Fläming, gleich neben Wiesenburg an der Bundesstraße 246 gelegen, ist die letzte Manufaktur im Osten Deutschlands, in der noch Kerzen von Hand gezogen werden. So, wie Klenke jetzt schöpft, hat es schon sein Opa getan.
Wer beim Kerzenziehen auf Handarbeit setzt, der arbeitet meist so, wie schon frühere Generationen von Kerzenmachern. Da wundert es nicht, dass in Reetzerhütten ein wenig die Zeit stehen geblieben ist. Klaus-Peter Klenkes Büro mutet wie ein Kontor aus den 60er Jahren an, wenn da nicht Computer, Drucker und Telefonanlage stehen würden.
Ein paar Türen weiter, in der Werkstatt, bleibt die Moderne großer Firmen vor der Tür. Es ist warm im lang gezogenen Flachbau. Das Wachs will es so. Dorothea Fröhlich hat nur die Kittelschürze an. Sie nimmt die Riesenkerzen, etwa anderthalb Meter lang, zur Hand. Sie werden am oberen Ende gefräst, unten gekürzt und schon haben sie ein handlicheres Format.
Buchal-Kerzen wurde 1924 von Klaus-Peter Klenkes Großvater in Berlin gegründet. Schon damals bezog das Unternehmen den meisten Bienenwachs aus dem Hohen Fläming. Den wählte man in den Kriegsjahren auch als Standort, um Produktionsmaschinen auszulagern. Nachdem das Betriebsgelände in Berlin zerstört worden war, begann in Reetzerhütten der Wiederaufbau. Nach dem Großvater führte Klenkes Mutter ab 1966 den Betrieb, Klenke übernahm 1986.
Noch einige letzte Tauchbäder, dann ist die weiße Altarkerze fertig. Bei der langjährigen Mitarbeiterin von Buchal-Kerzen sitzt jeder Handgriff. Seit 1977, also 40 Jahre, arbeitet sie im Betrieb. Bald geht Dorothea Fröhlich in Rente. Dann müsste ein neuer Kerzenprofi angestellt werden. Aber lohnt das überhaupt noch?
Klaus-Peter Klenke ist ein wenig skeptisch. Erst hat die Mutter und nun er das Privatunternehmen durch schwierige Zeiten manövriert. Es ist nicht immer leicht, wenn man mit einem Produkt eine Nische besetzt und die Konkurrenz günstiger produziert und verkauft.
„Die Kirchgemeinden werden immer kleiner und zusammen gelegt. Da muss man auch sparen“, weiß Klenke. Dieser Tage war er wieder im Süden des Landes unterwegs, in Bayern, wo der Absatz in den Gotteshäusern noch gut läuft. Um die 80 Hersteller gibt es und auch die Innung der Wachszieher hat dort ihren Sitz.
Im Osten aber ist Klenke allein auf weiter Flur und muss doch durchs ganze Land reisen und verkaufen, um Buchal-Kerzen die Zukunft zu sichern. Gerade gibt es wieder gut zu tun für seine sechs Mitarbeiter.
Ostern naht. Seit Januar werden im Fläming die Osterkerzen hergestellt. Mai und Juni bringen hoffentlich neue Aufträge. „Hochzeits- und Taufkerzen gehen in dieser Zeit gut“, sagt der Firmenchef.
Im Sommer aber setzt die Flaute ein, die erst im September mit der Produktion von Weihnachtskerzen und den Puppenkerzen abzieht. Bis dahin helfen auch besondere Aufträge nur bedingt. Klenke hat davon einige gehabt. Schon in der DDR stattete er mit seinen Kerzen Defa-Produktionen aus.
Der Kontakt zu den Filmstudios hat gehalten. „Grand Budapest Hotel“ und „Monuments Men“ machten erst Buchal-Kerzen mit Doppel- oder Dreifachdocht stimmungsvoll. Von „Anonymus“, dem Film von Roland Emmerich, der über die wahre Person hinter Shakespeare spekuliert, schwärmt der Kerzenmacher ganz besonders.
„Das war ein Bombenkerzenfilm.“ Und dann natürlich Harry Potter und der große Saal in der Zauberschule Hogwarts mit den schwebenden Kerzen. Das Bild hat jeder vor Augen, dass da aber Klenkes Kerzen brannten, wissen die Leute nicht. Und manchmal vergessen es auch die Auftraggeber. „Für den Udo-Jürgens-Film wurde die Rechnung erst nach zwei Jahren beglichen.“
Heute kann Klenke darüber lachen, aber wenn die Umsatzzahlen kleiner werden, treibt es ihm die Sorgenfalten auf die Stirn. Dabei müsste doch ein jeder selbst merken, wie viel mehr man an einer handgezogenen Kerze hat, die Schicht um Schicht groß wird, ähnlich wie die Jahresringe eines Baumes. 16 Gramm Wachs verbrennt eine Kerze pro Stunde.
Da ahnt man, dass eine Fünf-Kilo-Osterkerze lange hält. Halb so schwer aber genauso groß ist eine industriell aus Wachskrümeln gepresste Kerze. „Die brennt dann nur halb so lang, kostet weniger und muss früher nachgekauft werden“, erzählt der Fachmann und schüttelt den Kopf, wenn er über Kerzen aus Asien spricht. „Die schäumen das Wachs wie Schlagsahne auf, das macht die Kerzen noch leichter.“
Für Klenke ist das alles nichts. Hier sind die Kerzen schwer und nimmt man sich für die Verzierung mit Symbolen noch Zeit. Aus Wachsplatten werden Alpha und Omega gepresst und mit der Pinzette aufgesetzt. Feine goldene Wachsringe legen sich um Kerzenbäuche. „Unsere Leute hier haben alle ganz zarte Hände“, preist der Firmenchef die Vorzüge im täglichen Umgang mit Wachs.
Ein wenig überlegt er dieser Tage, ob er sich aufs Luthergeschäft einlässt. Wittenberg kennt er gut. Wie überhaupt fast rundum die Kirchen der Region. „Da weiß ich besser Bescheid als mancher Bischof“, ist sich Klenke sicher. Seine Kerzen brennen seit Jahren in der Schlosskirche. „Ein paar Anfragen gab es zum Reformationsjubiläum schon“, sagt Klenke.
Vielleicht ein Fotomotiv vom Reformator oder doch eines aus Wachs? Er weiß es noch nicht, sagt aber selbstbewusst: „Für den Abschlussgottesdienst können wir Kerzen für 300.000 Menschen liefern“.
Der Sohn macht weiter
Wie aber wird es nun weiter gehen mit den Kerzen? „Die Menschen werden immer Kerzen brauchen. Die ganze LED-Geschichte kommt nicht an Kerzenschein ran“, sagt der Fachmann. Da würde schon eher der Brandschutz für Absatzschwierigkeiten sorgen.
Altenheime, Büros, öffentliche Einrichtungen… fast überall darf ein Lichtlein nicht mehr brennen. Klaus-Peter Klenke produziert dagegen an, taucht und zieht Kerzen für Kirchgemeinden oder auch nur Einzelbesteller, die Hochzeits- oder Geburtstagstafel in Kerzenschein hüllen wollen. Der Sohn ist 37 und macht weiter, seine Urkunde als ausgebildeter Wachsziehermeister hängt im Packraum an der Wand.
Weitere Infos finden sich im Internet unter www.buchal-kerzen.de. (mz)

