Ältester Schiedsrichter des Landes Ältester Schiedsrichter des Landes: Wilfried Fischer war 50 Jahre lang auf Ballhöhe

Gohrau - Betritt man das Arbeitszimmer von Wilfried Fischer aus Gohrau, so dreht sich nahezu alles um das „runde Leder“, um Fußball. Der Raum gleicht einem lokalen Fußballmuseum mit allen Devotionalien, die dazu gehören. „Ich war mit dem Fußball verheiratet“, gesteht der bekennende Fußballnarr. Inzwischen 78 Jahre alt darf sich Fischer als dienstältester Schiedsrichter von Sachsen-Anhalt bezeichnen.
2017 beendete er nach 50 Jahren seine aktive Schiedsrichtertätigkeit, was nicht heißt, gänzlich aufs Pfeifen zu verzichten. „Sonnabend werde ich in Gräfenhainichen bei einem Spiel der Alten Herren als Schiri nominiert“, freut sich der agile Gohrauer auf seinen Einsatz als Referee.
Vor seiner Schiedsrichterkarriere gab es auch den Fußballer Wilfried Fischer, der dem Ball als wieselflinker Linksaußen bei Traktor Wörlitz nachjagte. „Gento“ - so nannte man ihn auf dem Platz, damals ein sehr populärer Spieler von Real Madrid.
Doch bereits 1967 endete dieser Teil seiner Biografie. Es folgten 50 Jahre als Schiedsrichter zunächst auf Kreis-, dann auf Bezirks- und Landesebene. Reich an Anekdoten waren jene fünf Jahrzehnte.
Eine hört sich folgendermaßen an: „Es muss 1969 gewesen sein. Wir hatten Winter mit zehn Zentimeter Schnee. Ich musste mich mit dem Fahrrad nach Schköna zum Pokalspiel Schköna-Vockerode durchkämpfen. Das waren hin und zurück stolze 60 Kilometer. Dort angekommen, hieß es: Die Mannschaft von Vockerode sei wegen des Wetters nicht angereist. Als Entschädigung erhielt ich fünf Mark der DDR. Ich war sauer.“
Erst später erwarb Fischer ein Motorrad, dann ein Auto. Seine Fußballwege führten bis Naumburg und in den Raum Halle. Eine seiner Beobachtungen aus Schiri-Sicht war die: „Schiri möchte keiner werden, denn es ist leichter, alles besser zu wissen und keine Verantwortung zu tragen.“
Ein Leitspruch von Fischer aus seiner langjährigen Praxis: „Hören Sie auf, mit mir zu diskutieren und zu jammern. Stehen Sie gefälligst auf! Ich will das Spiel anpfeifen.“ So genannte „Schwalben“ waren ihm ein Gräuel. Fischer galt in seiner Branche als Institution.
„Haudegen Fischer kann das Pfeifen nicht lassen.“ Diese Schlagzeile aus einer Magdeburger Lokalzeitung zum 70. Geburtstag konnte kaum treffender gewählt werden. Für viele Vereine galt er als Vorbild im Ehrenamt. So hieß es bei seinem Abschied von dem befreundeten SV Wörlitz: „Sportlichkeit, Souveränität, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Kameradschaft prägten das Auftreten von Wilfried Fischer.“
Der Begriff „Methusalem“ darf bei ihm getrost angewendet werden. Wer es schaffte, in 50 Jahren 2.812 Spiele zu pfeifen, zählt tatsächlich zu den Ausnahmeerscheinungen. All das hat Fischer akribisch in seinem Büchlein festgehalten. Auf die Frage, wie er sich fit halte, lautet die Antwort: „Lange Spaziergänge, egal bei welchem Wetter, das ist mein Fitnessprogramm.“
Oft vermisst er seine 2014 verstorbene Frau Margot. Sie hatte viel Verständnis für sein zeitaufwendiges Hobby. Fischer gilt als Gründer des Gohrauer Fußballs. Viel Herzblut widmete er dem Fußballnachwuchs. Betreuer, Platzwart, Organisator, das alles war Wilfried Fischer - Fußballfreund aus Leidenschaft.
Fairness auf dem Spielfeld war für Fischer stets wichtig. „Man konnte vieles auch mit Worten beschwichtigen. Bei mir gab es in 50 Jahren nur ganze acht Platzverweise“, worauf er stolz ist. Seine drei Kinder Axel (55), Heiko (51) und Gabriele (50) sind indes nicht in die sportlichen Fußstapfen ihres Vaters getreten, was er ein wenig bedauert. (mz)