1. MZ.de
  2. >
  3. Mitteldeutschland
  4. >
  5. Landkreis Wittenberg
  6. >
  7. 25 Jahre Heporö : 25 Jahre Heporö : Wie Heporö entstanden ist

25 Jahre Heporö  25 Jahre Heporö : Wie Heporö entstanden ist

Von Detlef Mayer 22.07.2019, 08:51
Simone Rohde, Tochter von Friedhelm Röse, am Rednerpult
Simone Rohde, Tochter von Friedhelm Röse, am Rednerpult D. Mayer

Zemnick - „Das war damals seine Zeit. Die Zeit, in der pragmatische Menschen wie mein Vater ,gemacht haben’. Er war kein Bedenkenträger, sondern ein Macher. Und wenn sich irgendwann der Erfolg einstellt, dann überzeugt das auch die Kritiker. Vieles würde heute so nicht mehr funktionieren. Aber damals ging es.“

Diese Worten gehörten zu jenem Abschnitt ihrer Festrede, in welchem Simone Rohde, geschäftsführende Gesellschafterin der Heporö gGmbH, zum 25. Jahrestag der soziotherapeutischen Einrichtung für Suchtkranke auf die Anfänge des Übergangswohnheims in Zemnick einging. Diese sind untrennbar mit dem Namen ihres Vaters Friedhelm Röse verknüpft, der im Dezember 2011 bei einem tragischen Autounfall ums Leben kam.

In die großen Fußstapfen, die er hinterließ, trat seine Tochter und übernahm 2012 die Heporö-Leitung.

Selbst betroffen

„Ich habe als Tochter die Alkoholabhängigkeit meines Vaters miterlebt und es war nicht immer einfach“, beschrieb Simone Rohde unumwunden, dass Friedhelm Röse selbst Suchtbetroffener war. Doch er fand zu seiner zufriedenen Abstinenz. Ausgangspunkt dafür war das Haus Burgwald, eine Therapie-Einrichtung in Mühltal in Hessen.

Deren Leiter hieß damals Karl Lask. Zwischen ihm und Friedhelm Röse entspann sich eine anhaltende Freundschaft. „Herr Lask wird im August 96 Jahre und ist für sein Alter noch erstaunlich fit“, wusste Simone Rohde zu berichten. Als sie ihn jüngst anrief, habe er gemeint, „ich würde lachen, wenn ich ihn jetzt sehen könnte. Er wolle gerade in den Garten und habe einen südamerikanischen Hut auf. Den hatte ihm mein Vater aus Kuba mitgebracht.“

Karl Lask äußerte in besagtem Telefonat vage Erinnerungen an die Heporö-Anfänge: Friedhelm Röse habe Helgard Richter beim Tanken kennengelernt und sei so auf Zemnick gekommen. Wie Simone Rohdes Mann Markus danach in einem Gespräch mit Familie Richter in Erfahrung brachte, hatte sich die Sache folgendermaßen zugetragen: Richters arbeiteten 1993 an der Tankstelle in Elster und Friedhelm Röse fuhr mit HR-Kennzeichen (für Homberg in Mittelhessen) bei ihnen zum Tanken vor.

„Es ergab sich ein Gespräch und mein Vater erzählte, dass er gerade aus einem kleinen Ort komme, den Herr Richter sicher nicht kennen würde - Zemnick. Mein Vater hatte sich ein leerstehendes Ferienlager-Gebäude eines Staatsverlags angeschaut. Herr Richter konnte schmunzelnd berichten, dass er in Zemnick wohne und auch dort geboren sei. Der erste Kontakt in die spätere Nachbarschaft war hergestellt.“

Simone Rohde folgte dem Faden in ihrer Rede weiter: „Mein Vater erzählte Herrn Richter von seinem Vorhaben.“ Der sei damals im Ortschaftsrat aktiv gewesen und habe die Vorstellungen von Friedhelm Röse in eine der nächsten Sitzungen mitgenommen.

„Wie man sich vorstellen kann, waren nicht alle gleich Feuer und Flamme angesichts der Aussicht, Alkoholabhängige in die Nachbarschaft zu bekommen. Nur was man kennt, kann man annehmen. Mit diesem Wissen im Hinterkopf hat mein Vater kurzerhand eine Fahrt nach Schwalmstadt organisiert. Auch dort gab und gibt es eine Einrichtung für Suchtkranke. Und die Bewohner von Zemnick waren davon angetan.“

Therapie in Gemeinschaft

Friedhelm Röses Wahl war bewusst auf Zemnick gefallen. Seine Intention dabei: Umgeben von Natur zur Ruhe kommen und zu sich selbst finden, aber gleichzeitig eingebunden sein in eine aktive dörfliche Gemeinschaft. Als Vorlage dafür hat das Haus Burgwald in Mühltal gedient. Dort hatte Karl Lask das Konzept der „Therapeutischen Gemeinschaft“ entwickelt, in das die Arbeit in der Landwirtschaft fest integriert ist.

Simone Rohde führte dazu aus: „Herr Lask, der aus Masuren stammende Sohn eines Landwirts, vergleicht das Vorgehen beim Heilungsprozess mit dem der Bauern, die ein Gefühl für den Boden haben müssen, in dem die Pflanzen gedeihen sollen.“

So müsse man den Alltag gestalten, in dem die Menschen gesund werden. Ausschlaggebend sei laut Karl Lask ein positives Angebot. „Es geht darum, so zu leben und einen eigenen Weg zu finden, dass der Alkohol seine Bedeutung verliert“, postulierte er.

Auch zur Heporö gehören die Gemeinschaft und die Arbeit mit Tieren - ganz bewusst sogar mit Großtieren. Die Arbeit mit Schweinen, Rindern und Eseln sowie auf den Feldern und in den Gärten - das alles kann Sinn und Struktur ins Leben zurückbringen. Dinge, die über den Jahrelangen Suchtmittelkonsum verloren gegangen sind.

„Da hatten sich mit Herrn Lask und meinem Vater Zwei gefunden“, resümierte Simone Rohde. „Mein Vater, auf einem Dorf mit Landwirtschaft aufgewachsen, erkannte sofort die heilsame Wirkung, war begeistert vom Konzept seines Freundes Karl Lask und entwickelte es weiter. Mittlerweile zeigen immer mehr Studien, dass die Beiden Recht hatten. Stadt macht nicht unbedingt krank. Wer aber krank ist, wird auf dem Land schneller wieder gesund.“

Sechs Jahre dauerte es, bis das Übergangswohnheim in Zemnick rund lief. „Mein Vater war sicher nicht immer ein einfacher Chef und konnte, wenn es sein musste, auch mal mit dem Kopf durch die Wand gehen“, verdeutlichte seine Tochter. „Aber da waren auch immer sein großes Herz und seine klare und direkte Sprache. Er hat gesagt, was er dachte, und gelebt, was er sagte. Das brachte ihm Respekt ein.“

Nachdem der Komplex in Zemnick seine Aufmerksamkeit weniger brauchte, zog es Friedhelm Röse zu neuen Ufern. Er sah, dass manche Klienten in Zemnick zu krank, zu stark geschädigt waren, um den Übergang in die Eigenständigkeit mittelfristig hinzubekommen.

Ein altes Gehöft in Meltendorf bot da eine gute Möglichkeit für eine Langzeiteinrichtung - der Rösenhof (anfangs hieß er Rosenhof) entstand. Anschließend wurde der Ausbau des intensiv und des ambulant betreuten Wohnens in Angriff genommen. Damit schuf man Angebote für jene Betroffenen, die nur noch wenig Hilfe benötigen, es aber noch nicht ganz allein schaffen.

Viele Wegbegleiter

Die acht Heporö-Jahre nach dem Unfalltod ihres Vaters reflektierte Simone Rode anlässlich des 25. Geburtstags der gGmbH so: „Es gab etliche Unkenrufe, die mir als Tochter die Leitung nicht zugetraut haben. Ich durfte in dieser Zeit aber auch von vielen Seiten Zuspruch erfahren. Dafür kann ich mich gar nicht oft genug bedanken. Und wenn ich jetzt in die Runde schaue, dann sehe ich viele liebgewordene Wegbegleiter. Heute steht die Einrichtung gut da, wir haben viel investiert und umorganisiert.“ (mz)