Psychiatrische Tagesklinik Psychiatrische Tagesklinik: Burnout: Wenn im Alltag und Beruf alles zu viel wird

Sangerhausen/Hettstedt - Ein kranker Ehemann, die Kinder und immer mehr Arbeit im Job, den sie schließlich kündigt, weil sie dort gemobbt wird. So erging es Inge*. Sie ist Anfang 50. Kaufmännische Angestellte und seit über 30 Jahren im Beruf.
Jetzt ist sie Patientin in der Psychiatrischen Tagesklinik in Sangerhausen und sieht langsam wieder Licht am Horizont. Denn als sie nicht mehr arbeitete, sei es ihr nicht wie erhofft bessergegangen, erzählt sie. „Ich war kaputt und schlapp. Ich habe geglaubt, das liegt daran, dass ich nicht mehr arbeite.“
Chefarzt Thomas Schwaiger: „Burnout ist keine Erkrankung, sondern ein Zustand. Eine Stressstörung.“
Also probierte sie es an einer anderen Arbeitsstelle, aber die Beschwerden blieben, wurden schlimmer. Magenschmerzen, Verspannungen, Schwindelgefühle zählt sie auf. Als sie dann einfach grundlos weinen muss, sieht sie ein, dass sie etwas unternehmen muss. „Ich kannte einen Burn-out-Fall aus meiner Familie. Und so schlimm sollte es mit mir nicht enden. Auch meine Kinder drängelten, dass ich mich behandeln lassen soll.“ Also fragte sie in der Sangerhäuser Tagesklinik an, ob man dort nicht etwas für sie tun könne.
Zuerst einmal macht es stutzig, was Thomas Schwaiger, Chefarzt die psychiatrisch-psychotherapeutischen Fachbereiche der Helios-Kliniken Hettstedt und Sangerhausen, zum Thema Burnout zu sagen hat. Nämlich: „Burnout ist keine Erkrankung, sondern ein Zustand. Eine Stressstörung.“
Stress sei weder positiv noch negativ, sondern die Reaktionen des Körpers auf Stress wie Körperspannung, erhöhter Adrenalinausstoß sicherten dem Steinzeitmenschen das Überleben, wenn der Körper in Gefahrensituationen auf Bereitschaft schaltet. Nur dauernde Bereitschaft sei eben belastend. Dann kann eine Stressstörung vorliegen und die kann eben die Ursache für Depressionen, Süchte, Angststörungen und vieles mehr sein, also krank machen.
Mehr als ein Drittel der Patienten der Psychiatrischen Tagesklinik leidet an den Folgeerkrankungen eines Burnout
Mehr als ein Drittel der Patienten der Psychiatrischen Tagesklinik, die die Hilfe von Oberärztin Birgit Hund und dem Klinikteam suchen, leidet an den Folgeerkrankungen eines Burnout. 120 Symptome seien beschrieben, die auf einen Burn-out hindeuten können. Sie reichen von Konzentrationsschwäche über Reizbarkeit, Minderwertigkeitsgefühle bis hin zum totalen Zusammenbruch und Suizidgedanken.
Ursachen dafür sieht Schwaiger in der veränderten Arbeitsmarktsituation. „Ein Heimarbeitsplatz kann sowohl ein Segen als auch ein Fluch sein. Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verwische immer mehr. Hinzu komme die ständige Erreichbarkeit durch das Smartphone.
Schlapp, Schlaflosigkeit, gereizt sein: Symptome sollten nicht ignoriert werden
Auch Oberärztin Hund ist es nicht fremd, was ihr die Patienten erzählen. „Ich habe selbst im Klinikdienst gearbeitet. Habe im Dreitagewechsel im Vorder- und Hintergrunddienst gearbeitet. Und so wäre das bis zur Rente weitergegangen, wenn ich nicht für mich entschieden hätte, dass ich das so nicht mehr will“, erzählt Hund.
Die Lösung, die sie für sich fand ist die Sangerhäuser Tagesklinik. Dort arbeite sie seit sechs Jahren und sei sehr zufrieden mit ihrer Entscheidung. „Ich habe jetzt die geregelten Arbeitszeiten, die ich mir gewünscht habe.“ Damit ist sie ihren Patienten bestes Beispiel dafür, dass man sein Schicksal selbst in die Hand nehmen kann. „Jeder darf für sich selbst entscheiden und kann das bei uns wieder erlernen, dass man Grenzen setzen darf und auch muss“, sagt sie.
Wer sich immer müde und schlapp fühle, ständig gereizt und auch nach dem Jahresurlaub noch kaputt sei, wer schlecht schlafen könne und gedanklich kaum von der Arbeit wegkomme, bei dem sollten die Alarmglocken schrillen, sagt die Ärztin. Sie weiß aber aus Erfahrung, dass genau diese Menschen bis zum völligen Zusammenbruch arbeiten, weil sie ihre körperlichen Symptome ignorieren und weitermachen.
Der Patientin geht es dank der Therapie in der Sangerhäuser Tagesklinik deutlich besser
Inge ist noch in der Tagesklinik. Heute hat sie aber schon wieder Spaß am Leben. Und: Sie trifft Entscheidungen für sich selbst. „Ich habe lange nichts mehr nur für mich getan. Das mache ich jetzt wieder“, sagt sie. Die Ärztin lobt ihre Patientin dafür, wie hübsch sie sich zurechtgemacht habe und wie positiv ihre Ausstrahlung heute wirkt. „Wenn die Patienten zu uns kommen, vermitteln sie ein völlig anderes Bild von sich.“
Inge ist froh, dass es ihr bessergeht. Aber, damit das bleibt, muss sie dranbleiben, sagt sie. „Aber heute merke ich es, wenn ich beginne, in meine alten Muster zu verfallen, wenn ich es wieder allen recht machen will. Jetzt kann ich das selbst verändern“, sagt sie stolz.
*(Inge ist ein fiktiver Name. Die Person möchte anonym bleiben.) (mz)