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Wetter auf dem Brocken Wetter auf dem Brocken: Der verschollene Orkan vom Januar 1938

Von Rita Kunze 16.10.2017, 09:55
Eine Böenwalze schiebt sich am 22. Juni dieses Jahres über den Brockengipfel im Harz.
Eine Böenwalze schiebt sich am 22. Juni dieses Jahres über den Brockengipfel im Harz. Adler

Schierke - 24. November 1984, fünf Uhr morgens: Was sich da gerade über dem Gipfel des Brockens zusammenbraut, hat Anton Lochmann in seinem Leben noch nicht gesehen. Der Wetterbeobachter sucht im Keller der Wetterstation Schutz vor den Naturgewalten, die über ihm losbrechen. Ein Orkan fegt mit 263 Stundenkilometern über den Gipfel. Lochmann hat Angst, dass die Fenster der Station diesem Wind nicht standhalten und zerbersten könnten.

Der Orkan, bei dem die Luftmassen in einer Sekunde 73 Meter weit treiben, bleibt einmalig in der Geschichte der Wetterstation. Zumindest offiziell, denn Klaus Adler und sein Kollege Marc Kinkeldey, die heute das Wetter auf dem Brocken beobachten, haben Hinweise, dass es 46 Jahre zuvor einen noch weitaus stärkeren Orkan gegeben hat.

263 Stundenkilometer pro Stunde von 1984 sind offizieller Rekord

„Marc wurde ein Zeitungsfragment ohne Zeitungsnamen und Datum geschenkt. Darin ging es um die Arbeit der Wetterbeobachter auf dem Brocken“, sagt Adler. Die Männer erzählten dem Reporter Bodo Rehboldt auch von der höchsten Windspitze mit 81 Meter je Sekunde, die 1938 an der Wetterwarte gemessen wurde: „Damals ... ist die Registerfeder des Gerätes über den Rand gesprungen und nicht wieder zurückgegangen“, schreibt Rehboldt in seinem Artikel.

„Dieser Tages-Windstreifen muss unseren damaligen Kollegen also bekannt gewesen sein, denn die Registrierung wurde detailgetreu beschrieben“, sagt Adler. Um mehr zu erfahren, suchten der Leiter der Wetterstation und sein Kollege Hilfe bei der Landesbibliothek in Halle. „Der einzige Hinweis, den Marc und ich geben konnten, war, dass der Artikel Anfang der 50er Jahre erschienen sein muss. Die Suche gestaltete sich deshalb äußerst schwierig.“

Dass Rehboldt für mehrere Zeitungen arbeitete, machte die Sache nicht einfacher. „Trotzdem wurde von den fleißigen Mitarbeitern der Landesbibliothek die berühmte Nadel im Heuhaufen gefunden“, sagt Adler. Anhand des vollständigen Interviews, das im August 1953 an der Wetterwarte geführt wurde, tauchten auch die Namen und Fotos der Wetterbeobachter auf.

„Dem guten Petrus hinter die Kulissen geschaut“ - so titelten die Mitteldeutschen Neuesten Nachrichten am 10. August 1953 auf Seite 5. Rehboldt berichtet in einem ganzseitigen Artikel „von Männern, die nach der Uhr leben müssen“ und dass die meteorologische Station auf dem Brocken ein Motorrad braucht. Der Ausschnitt, den Marc Kinkeldey geschenkt bekam, beinhaltete nur ein Drittel des gesamten Textes.

Orkanböe von 1938 fegte mit 292 Kilometer pro Stunde über den Gipfel

„Durch weitere Recherchen erfuhren wir von der Deutschen Meteorologischen Bibliothek in Offenbach, dass anhand der meteorologischen Jahrgangsbücher die stärksten mittleren Windgeschwindigkeiten schon Anfang des Jahres, also im Januar 1938, auf dem Brocken auftraten“, so Adler weiter.

Auch wenn der Windstreifen mit der genauen Aufzeichnung des Orkans verschollen ist - die Suche nach ihm geht weiter, sagt der Wetterbeobachter. Doch bis dieser Streifen gefunden ist, bleibt die Orkanböe mit 292 Kilometern pro Stunde, die im Januar 1938 über den Brocken fegte, nur die höchste inoffizielle Windspitze. Der 24. November 1984 gilt deswegen nach wie vor als der Tag mit der höchsten Orkanböe.

„Erwähnenswert ist ein weiterer Zeitungsartikel über die Bergwetterwarte Brocken, den die Landesbibliothek bei ihrer Suche durch Zufall fand“, sagt Adler: „In dem Interview ist der Brocken im Sommer 1951 das ‚Wahrzeichen der deutschen Einheit‘“. (mz)

Dieser Windstreifen zeigt die Aufzeichnung des Orkans vom 23. auf den 24. November 1984 auf dem Brocken.
Dieser Windstreifen zeigt die Aufzeichnung des Orkans vom 23. auf den 24. November 1984 auf dem Brocken.
privat