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Im Oberharz Überlebenstraining mit René Golz im Oberharz: Am Anfang ist das Feuer

Von Ralf Böhme 17.02.2017, 19:24
Mit Messer und Zündstein setzt der Überlebenstrainer  feine  Späne in Flammen
Mit Messer und Zündstein setzt der Überlebenstrainer  feine  Späne in Flammen Andreas Stedtler

Schierke - Es nieselt und der Schnee taut. Das ist eine unangenehme Mischung. Nässe überall. Schuhe, Hose, Jacke, Mütze - alles klamm. Ein Königreich für einen Ofen! Doch die warme Kachel gibt es nicht beim Überlebenstraining mit René Golz. Der 47-Jährige ist so etwas wie der legendäre US-Pionier Daniel Boone. Nicht im Wilden Westen, sondern im Harz. Sein Revier liegt tief im Wald versteckt bei Benneckenstein.

Es ist Mittagszeit. Doch das Essen fällt aus. Der Selbstversuch beginnt gleich mit einer Überraschung. Gepäck braucht man auf dieser Tour nicht, so die knappe Einweisung. Wer mit diesem Trainer im Dickicht verschwinden will, lässt so ziemlich alles zurück. Bis auf ein scharfes Messer - ansonsten nur die Sachen, die man auf dem Leib trägt. Golz läuft immer vorn. Abseits aller Pfade, wohin es sonst keinen Menschen verschlägt. Dann ist das Ziel erreicht, eine kleine Lichtung. Das soll nun unser Zuhause sein, unter freiem Himmel - kein Komfort, kein Essen, keine Getränke?

Das klingt nicht nur so, das ist tatsächlich wie in der Steinzeit. Und dazu passt auch die erste Aufgabe, die der Gastgeber stellt. „Wichtig ist natürlich ein Feuer, sonst hält man es hier nicht lange aus.“ Geduldig schaut Golz dann zu, wie der Mann aus Halle sich mit seinem Feuerzeug abmüht - ausdauernd, aber erfolglos gegen Wind und Feuchtigkeit. Das ist schon eine bittere Erfahrung. Aber kann es anders sein, wenn zu Hause die Wärmezufuhr seit vielen Jahren per Thermostat geregelt ist.

Überlebenstraining mit René Golz im Oberharz - Ein Ausflug in die Steinzeit

René Golz, der Waldmensch, bleibt dennoch gelassen. „Wir werden nicht erfrieren.“ Seiner Ankündigung folgt die Tat. Der Trapper sucht nach einem Spechtloch in erreichbarer Höhe. Aus dem Stamm einer mittleren Fichte klaubt er schließlich flaumige Späne - nur eine Handvoll, aber trocken. Wettergeschützt unter Altholz finden sich später einige dicke Gräser. Zusammen mit etwas Birkenrinde entsteht ein sorgsam errichteter, kleiner Scheiterhaufen. Nun zückt Golz sein martialisch anmutendes Jagdmesser, zieht blitzartig die Schneide über einkleines Metallstück. Zisch, ein Funkenschwarm bringt die ersten Flammen zum Lodern. Und ganz ehrlich: Da glimmt nicht nur das Holz, sondern irgendwie auch etwas Hoffnung auf.

Trotzdem. Schon zwei Stunden sind seit der Ankunft im Wald vergangen. Ein Dach über dem Kopf - das soll das Thema bis zum Hereinbrechen der Dunkelheit sein. Bis dahin sind es ungefähr noch drei Stunden. Die Zeit läuft. Aber wie beginnen, wo doch nichts ist. Das ist hier die große Frage. Eine Antwort gibt die Natur, wie sich herausstellt, am Ende selbst.

Golz lädt den Besucher ein, mit ihm nach groben Ästen und langen Zweigen zu suchen. Die größten Teile lehnt er später an den Stamm einer bestimmt 100 Jahre alten Fichte. So entsteht so etwas wie ein Tipi im Rohbau. Darauf kommen die Zweige, aber so, dass Regen wie von einer Dachpfanne gut nach unten ablaufen kann. Das Prinzip funktioniert tatsächlich.

Sich daran zu erfreuen, bleibt aber keine Muße. Zum einen muss Kleinholz besorgt werden, damit das Feuer nicht wieder ausgeht. Zum anderen braucht man zum leidlichen Abdichten der Unterkunft noch viel trockenes Laub. Aber das liegt im Februar, wie ein Städter bald feststellt, auch mitten im Wald nicht mehr haufenweise herum. Irgendwann in der ersten Dämmerung ist es dann doch geschafft.

Zeit für eine kleine Pause. Vielleicht gelingt es wenigstens, die durchnässten Schuhe etwas zu trocknen. Golz denkt schon einen Schritt weiter. „Wir wollen heute noch Tee trinken.“ Das klingt ziemlich unwirklich. Doch er macht sich sogleich ans Werk. „Wer faulenzt, hält in rauer Umgebung meist nicht lange durch“, das ist seine Erfahrung aus dem Umgang mit anderen Teilnehmern. Dazu gehörten auch schon Polizisten, Krankenschwestern oder Zeugen Jehovas.

Zur Sache: Aus einem Stück Rinde, so sieht der Uneingeweihte mit Staunen, lässt sich ein Topf formen. Spitze Ästchen verbinden die Seitenteile. Die Ritzen werden mit etwas Harz abgedichtet. Und nun aber schnell, drängt Golz wegen der heraufziehenden Dunkelheit. Ihn zieht es zu einer Quelle unterhalb des Hügels, einer ihm seit langem bekannte Wasserstelle. Man könne aber auch Schnee tauen, müsse das erhitzte Wasser aber immer abkochen. Zwischenruf: Über den Flammen fängt der Rindentopf doch Feuer! Stimmt, sagt Golz und grinst. Doch er habe da einen Trick. „Ich mache ein, zwei Steine im Feuer heiß und und lege sie in den Topf.“ Tatsache, es dauert keine Minute und das Wasser brodelt. Genau der richtige Zeitpunkt, etwas Brennnesselkraut hinein zu geben.

Was treibt René Golz dazu, Überlebenstraining zu geben?

Ein irrer Duft nach Gras und Kamin steigt da in die Nase. Nach einem halben Tag im Wald schmeckt der Tee besser als noch so teuerer Wein. Durstlöscher und Hochgenuss. Und er bringt Entspannung pur, löst auch die Zunge.

Über kurz oder lang muss René Golz deshalb die Frage beantworten, was zum Teufel ihn in den Wald treibt? Seine Antwort ist ein großes Wort: Freiheit. Während das Feuer knistert, in den Baumwipfeln der Wind rauscht, gibt der gebürtige Hallenser einen Einblick in sein Seelenleben, der seine Sehnsucht nach Freiheit plausibel erscheinen lässt. Die Geschichte, die der gelernte Fotograf erzählt, beginnt 1987. Der Auslöser: ein Konzert von Rockstars am Reichstag in Westberlin. Da sei er auf der Ostseite des Brandenburger Tores zum ersten Mal eingefangen worden, danach ein prägendes Zellenerlebnis. „Die Stasi verstand nicht, dass wir nur der Musik nahe sein wollten.“ Soviel Blödheit habe ihn dazu gebracht, über die ungarische Grenze nach Österreich abhauen zu wollen. Nächste Knasterfahrungen: Halle, Chemnitz, Cottbus. Am Ende schließlich der Freikauf durch die BRD, sechs Monate vor dem Mauerfall.

Der Preis, den Golz selbst zahlt: „Ich konnte nicht mehr in geschlossenen Räumen schlafen.“ Erst in Spanien, wo er dann 16 Jahre als Handwerker lebt, löst sich das Trauma. Dass er nun der Daniel Boone von Benneckenstein ist, liegt an den Grundstückspreisen. Anderswo könne er weder Wald pachten noch ein Haus ausbauen. (mz)

Die Ausrüstung von René Golz beim Überlebenstraining.
Die Ausrüstung von René Golz beim Überlebenstraining.
Andreas Stedtler
Ein selbst gebauter Zündbogen hilft René Golz beim Funkenschlag.
Ein selbst gebauter Zündbogen hilft René Golz beim Funkenschlag.
Andreas Stedtler
René Golz erfüllt sich als Überlebens-Trainer im Oberharz einen Traum.
René Golz erfüllt sich als Überlebens-Trainer im Oberharz einen Traum.
Andreas Stedtler