Lehrer, Radweg, Müllabfuhr - wer ist zuständig? Schüler in Ballenstedt lernen, wie Kommunalpolitik funktioniert
16 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren absolvierten einen Crashkurs des Vereins „Politik zum Anfassen“.
Ballenstedt/MZ - Eine lokalpolitische Entscheidung an Jugendliche abzugeben - das hat sich das Projekt „Jugend entscheidet“ der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung auf die Fahne geschrieben. Aber wofür ist die Lokalpolitik überhaupt zuständig, in welchen Bereichen kann der Stadtrat bindende Entscheidungen treffen?
Puh, Sozialkunde am Samstagmorgen - mag mancher Schüler aus Ballenstedt und Umgebung gedacht haben, als der Themenworkshop im Wolterstorff-Gymnasium angekündigt worden war. 16 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren fanden dennoch den Weg in das Schulgebäude - und trafen statt drögem Frontalunterricht einen Crashkurs Kommunalpolitik mit mehreren Spielen an, für die der Verein Politik zum Anfassen unter anderem ein bunt blinkendes Buzzer-Gerät mitgebracht hatte.
Schon am Eingang hatten die jungen Teilnehmer, die verschiedene Schulen in und um Ballenstedt besuchen, Namensschilder mit einem dezenten Herz, Stern oder Kleeblatt am Rand erhalten. Nach einer kurzen Begrüßung der versammelten Runde fanden sie sich entsprechend in drei Gruppen à fünf oder sechs Jugendliche in den Klassenzimmern im Erdgeschoss zusammen.
Verteidigung, Radwege, Müllabfuhr - wer ist dafür zuständig in Deutschland?
Die „Kleeblätter“ wurden von Hauke Korfhage in Empfang genommen, einem geradezu ansteckend enthusiastischen 17-Jährigen, der bei Politik zum Anfassen gerade ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert.
Er drückte den vier Mädchen und zwei Jungen mehrere Dutzend Pappkarten in die Hände und ermunterte sie, die Karten mit verschiedenen Zuständigkeiten, wie Verteidigung, Lehrergehälter, Radwege, Außenpolitik und Müllabfuhr, den drei Kärtchen mit den politischen Ebenen Kommune, Land und Bund zuzuordnen.
„Bei der Autobahn bin ich mir echt nicht sicher, ob sie beim Land richtig liegt“, grübelte die 17-jährige Amondin Knorrek - und schob die Karte kurzerhand hinüber zum Bund. Die richtige Entscheidung, wie sich bei der Auflösung zeigte, vor der Korfhage seiner Gruppe mit zahlreichen Begriffserklärungen zur Seite stand.
„Bei der Autobahn bin ich mir echt nicht sicher, ob sie beim Land richtig liegt.“
Amondin Knorrek (17)
„16 Jugendliche an einem Samstagmorgen, das ist schon ziemlich geil“, konstatierte Michael Domke, der den Workshop als Teamleiter begleitete. Für den 22-Jährigen und seine Kollegen war es, wie er darlegte, bereits die neunte der insgesamt zehn Stationen, durch die „Jugend entscheidet“ im allerersten Projektjahr mit Workshops unterwegs ist.
Es habe 115 Bewerberstädte gegeben, blickte Agata Werner zurück, die das Projekt vonseiten der Hertie-Stiftung betreut, und nur 10 Plätze. Die zehn teilnehmenden Kommunen seien vor allem deshalb ausgewählt worden, weil dort eine Beteiligung der Jugend in der Kommunalpolitik einerseits noch nicht regelmäßig stattfinde, sich andererseits die Bürgermeister und Fraktionsvorsitzenden aber offen dafür gezeigt hätten, eine von den Jugendlichen erarbeitete Idee tatsächlich umzusetzen.
Das unterstrich auch Ballenstedts Bürgermeister Michael Knoppik (CDU) in seiner bündigen Begrüßung der jungen Teilnehmergruppe. „Ihr gebt dem Stadtrat eine Initialzündung“, stellte er den Schülern in Aussicht.
„Ihr sollt Ideengeber werden, denkt groß!“
Michael Domke, Verein „Politik zum Anfassen“
Es gehe bei dem Projekt darum, dass sich auch junge Menschen dort wohlfühlten, wo sie wohnen und wirken. „Diesmal entscheidet ihr darüber, was wir machen sollen“, überreichte der Verwaltungschef den Heranwachsenden verbal das Zepter.
Agata Werner regte die Jugendlichen an, darüber nachzudenken, was ihnen in ihrer Stadt fehle oder wo ihnen in irgendeiner Form ein Handlungsbedarf aufgefallen sei. „Ihr sollt Ideengeber werden“, sagte sie. „Denkt groß!“, gab Michael Domke den Schülern einen Ratschlag mit.
Nur im gegenseitigen Austausch, zeigte sich der Teamleiter überzeugt, könnten Jugendliche und Kommunalpolitiker Ideen und Projekte entwickeln, die von beiden Seiten mitgetragen würden. Deshalb gab es bei dem Workshop am Samstag auch Gruppensitzungen mit Paten aus der Politik und dem kommunalen Team. Diesem dankte Domke für die bereitwillige Unterstützung des Projekts „Jugend entscheidet“. In Stress solle das Ganze nicht ausarten: „Lasst uns Spaß und einen entspannten Samstag haben“, lud Domke ein.