"Bäume stehend k. o." Nationalpark Harz will Borkenkäfer nur an Außengrenzen bekämpfen: Kritik von Waldbesitzer Karl Busche Ballenstedt

Blankenburg - Buchdrucker und Kupferstecher gelten als ehrenwerte Berufe. Doch als Ips typographus und Pityogenes chalcographus, wie die Fichtenborkenkäfer wissenschaftlich heißen, zählt man sie zu den größten Feinden der Forstwirtschaft. „Nur eine Handvoll von ihnen bringt derzeit eine schwächelnde Fichte zu Fall“, erklärt am Montag Andreas Pusch, Leiter des Nationalparks Harz, in einer Diskussion mit Sachsen-Anhalts Umweltministerin Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) und der Familie von Karl Busche, Waldbesitzer aus Ballenstedt.
„Der Harzer Wald verändert sich und wird anders aussehen”, erklärt Umweltministerin Claudia Dalbert
„Die Bäume gehen stehend k. o.“, fügt Pusch bei der Grünen-Kreismitgliederversammlung in Blankenburg an, in der er die Frage „Stirbt der Harzwald?“ dennoch mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Dalbert erklärt: „Der Harzer Wald verändert sich und wird anders aussehen.
Aber ich habe keine Kristallkugel, in der ich erblicke, wie er in der Zukunft aussieht.“ Der Klimawandel bringe alle vor neue Herausforderungen. „Derzeit stellen wir den Umgang mit der Katastrophe vor Neuanpflanzungen.“
Pusch zeigt die Dramatik der durch den Klimawandel begünstigten Angriffe der Borkenkäfer auf die Wälder. Waren bis 2017 insgesamt 2.500 Hektar vom Fraß betroffen, habe sich allein in den beiden folgenden Jahren die Flächen verdoppelt. In der Nationalpark-Kernzone werde man Natur Natur sein lassen, die sich an die neuen Bedingungen anpassen werde, und auch kein scheinbares Totholz beräumen, um eine dynamische Verjüngungsphase zu fördern.
An den Außengrenzen des Parks werde der Borkenkäfer jedoch „konsequent bekämpft“. Das alles geschehe in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld: eingebrochener Holzmarkt, galoppierende Preise für Saatgut und Jungpflanzen, fehlende Logistik und begrenzte Kapazitäten der Forstwirtschaftsunternehmen.
Waldbesitzer Busche: „Handwerklich ist dem Nationalpark einiges aus dem Ruder gelaufen“
Karl Busche, der 77-jährige Kopf des Holz-Unternehmens aus Ballenstedt, sieht vieles anders als der Nationalpark-Chef. Von seinen Fichten auf 250 Hektar sei die Hälfte tot. „Es wird nichts übrig bleiben.“ Er geht - anders als das Land - von 40.000 Hektar gestorbenem Fichtenwald aus.
„Ihre 10.000-Hektar-Zahl ist lachhaft, statt drüberzufliegen sollte man mal in die Bestände reingehen“, empfiehlt er der grünen Ministerin. „Handwerklich ist dem Nationalpark einiges aus dem Ruder gelaufen.“
Karl Busche habe mit Frau und neun Kindern seit zehn Jahren einen Naturertragswald etabliert. „Ich erlebe es nicht mehr, aber in 30 Jahren wird es sich erweisen, ob das Pflanzen von sieben verschiedenen Laub- und Nadelbaum-Arten eine bessere Kohlendioxid-Bilanz, höhere Biodiversität und einen hohen Erholungswert bringt.“
Der „Holzbaron“ warnt davor, die Waldwirtschaft gering zu schätzen. Holz als Baustoff, Zahnpasta, Toilettenpapier und Kosmetika - die Holzindustrie stehe auf Augenhöhe mit der deutschen Automobilindustrie. 72.000 Bäume habe sein Unternehmen im Vorjahr gepflanzt, 20.000 davon seien vertrocknet. „Erträge erwarte ich in den kommenden zehn Jahren nicht“, sagt er. Doch wenn er 18 Hektar aufforsten und dazu die Winterfeuchte im März nutzen will, verlangt er, dass die Behörden wenigstens rechtzeitig die Anträge bearbeiten.
Umweltministerin Dalbert versichert, dass es weiter Geld für den Waldumbau gibt
Dalbert versichert, dass es weiter Geld für den Waldumbau gibt. Sie ärgert, dass Sachsen-Anhalt mit den größten Waldschäden bundesweit bei der Förderung gedrosselt wird. Hanka Fiedler aus Halberstadt kritisiert, dass Bäume als Wasserreservoir vernachlässigt werden. Dalbert verweist darauf, dass 2019 der Bodenwasserspeicher für die Harzer Wälder zu drei Vierteln leer war.
Sie gesteht vor den Harzer Bündnisgrünen aber auch, dass sie nicht versteht, warum so viel Boden versiegelt werde. „Das Wasser darf uns nicht ungenutzt wegfließen. Ein Rechenzentrum auf Böden mit Höchstwertzahl zu bauen, das geht eigentlich nicht.“
Busches Anmerkung, dass der Wald Kohlenstoffdioxid aufnimmt - je jünger, desto mehr - kann Dalbert gut folgen. „Die beste Maßnahme ist es doch, CO2 im Holz zu lassen, indem der Anteil des Bauholzes gesteigert wird. Da muss was an der Bauordnung geändert werden.“ (mz)