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Mit Freiwilligen gegen Flut Mit Freiwilligen gegen Flut: Ausrücken bei Alarmstufe 3

Von Benjamin Richter 06.09.2019, 11:56
Im Juli 2017 überraschte ein Hochwasser die Menschen in Harsleben. Um übertretenden Flüssen besser zu begegnen, gründet sich eine Wasserwehr.
Im Juli 2017 überraschte ein Hochwasser die Menschen in Harsleben. Um übertretenden Flüssen besser zu begegnen, gründet sich eine Wasserwehr. Herforth

Vorharz - Säcke, Sand und Schippen liegen bereit - nun müssen nur noch Menschen kommen. „Wir hoffen, dass sich unserer Wasserwehr viele freiwillige Bürger anschließen“, sagt Tino Schmidt. Er leitet das Ordnungsamt der Verbandsgemeinde Vorharz.

Die letzte große Flut ereilte den Ortsteil Harsleben, wo der Goldbach im Sommer 2017 über die Ufer trat. Auch in Groß Quenstedt sowie in Nienhagen trat im gleichen Sommer die Holtemme über die Ufer. Das Wassergesetz des Landes schreibt besonders gefährdeten Kommunen vor, eine Wasserwehr einzurichten.

Mit Freiwilligen gegen Flut: Besonders von Brückendurchlässen geht gefahr aus

Deren Mitglieder, so der Plan, sollen in Zukunft die Untere Wasserbehörde des Landkreises Harz unterstützen, wenn der Pegelstand der Flüsse ein bedrohliches Maß erreicht. Nicht nur der Goldbach, auch die Bode, die Holtemme und die Selke fließen durch die Gemarkungen der Ortschaften der Verbandsgemeinde.

In Aktion treten sollen die ehrenamtlichen Helfer ab der Hochwasser-Alarmstufe 3. Diese wird vom Land ausgerufen und zeigt an, dass ein bestimmter Wert des Wasserstandes am Richtpegel überschritten wird oder Treibgut den Abfluss behindern und ein plötzliches Ansteigen der Wasserstände hervorrufen kann.

Besonders Brückendurchlässen, verdeutlicht Verbandsgemeindebürgermeisterin Ute Pesselt (parteilos), komme eine große Bedeutung zu. „Sind sie versperrt, etwa durch treibendes Holz, kann das Wasser nicht abfließen“, legt sie dar. Der bauliche Zustand der Brücken in der Verbandsgemeinde, merkt die Verwaltungschefin an, sei sehr unterschiedlich.

Mit Freiwilligen gegen Flut: Wasserwehrsatzung schon beschlossen

Wie viel Geld die neue Wehr aus dem Etat der Verbandsgemeinde erhalten wird, steht noch nicht fest. „Bezüglich des Geldes kann ich erst Aussagen treffen, wenn eine Wasserwehr besteht“, erklärt Tino Schmidt. Er werde dann mit den Mitgliedern der Wasserwehr abstimmen, wie viel Geld konkret wofür benötigt werde und was finanziell leistbar sei.

Abzusehen ist aber bereits jetzt, dass Ausstattung, Aufwandsentschädigungen und Ausbildungskosten getragen werden müssen. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Wehr aus den Reihen der Bürger hat die Verbandsgemeinde in der ersten Jahreshälfte geschaffen: Am 4. Februar beschloss der Verbandsgemeinderat die Wasserwehrsatzung. Der Kreis genehmigte sie im Juni.

Mit Freiwilligen gegen Flut: Wer die Führung übernimmt , ist noch unklar

Ob die Wasserwehr, wie beispielsweise in der ebenfalls noch jungen Wehr in Wernigerode, von Mitarbeitern des Ordnungs- und Bauamts geführt werden soll, ist unklar. Tino Schmidt betont aber, er wolle den Austausch suchen mit den Kommunen im Landkreis Harz, die schon eine Wasserwehr haben. Dazu gehört etwa auch Harzgerode. „Wir müssen ja das Rad nicht zweimal erfinden und können auf Erfahrungen anderer zurückgreifen“, betont er.

Mit Freiwilligen gegen Flut: Uwe Fabian sieht Aufgabe der Feuerwehr vorrangiger

Dass nicht alle Vorharzer von der Idee einer ehrenamtlichen Wasserwehr angetan sind, lässt Uwe Fabian durchblicken. Der Bürgermeister der Gemeinde Selke-Aue berichtet, er habe schon jetzt Probleme, genügend Bürger für die Hausneindorfer Ortsfeuerwehr zu gewinnen, deren Chef er ebenfalls ist. Im Zweifel, stellt Fabian klar, hätte das Feuer Vorrang vor dem Wasser: „Wenn es brennt, sind wir weg“, das gelte auch im Hochwasserfall.

Ute Pessel sieht Überarbeitung des Gesetzes von 1992 als nötig an

Ute Pesselt bestärkt das in dem Vorhaben, eine Wasserwehr auf den Weg zu bringen und die Einsatzgebiete der Helfer klar zu verteilen. Einen Wunsch hat aber auch sie: „Das Land müsste das Wassergesetz möglichst bald überarbeiten.“ In seiner jetzigen Fassung, bemängelt sie, sei es nicht mehr zeitgemäß - besonders nach der Gemeindegebietsreform.

„Es kann nicht sein, dass Städte und Gemeinden beim Hochwasserschutz alleine dastehen“, unterstreicht die Rathauschefin. Sie fordert einen strukturellen und finanziellen Ausgleich von der Landesregierung in Magdeburg. „Dazu kommt der Klimawandel“, merkt Pesselt an. „Die Situation ist eine andere als 1992, als das Gesetz erlassen wurde.“ (mz)