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Hilfe für "Sexaholiker" Hilfe für "Sexaholiker": Wenn Sex krank macht ...

Von Ingo Kugenbuch 30.12.2017, 12:55
Wer mehrere Stunden am Tag Pornos guckt, ist möglicherweise sexsüchtig.
Wer mehrere Stunden am Tag Pornos guckt, ist möglicherweise sexsüchtig. dpa

Wernigerode - Harvey Weinstein tut es und Kevin Spacey. Und auch Golfprofi Tiger Woods soll sich wegen seiner Sexsucht behandeln lassen haben. Sexsucht.

Das klingt nach einem Problem, das - wenn es es überhaupt gibt - in Hollywood zu Hause ist.

Doch auch hier im Harz gibt es Menschen, die süchtig danach sind, Pornos zu schauen, oder die sich wund masturbieren.

Bei der Selbsthilfekontaktstelle des Landkreises Harz hat eine Frau unter Tränen von der Sexsucht ihres Mannes berichtet - und wie diese ihre Beziehung zerstört. Für sie und alle anderen Betroffenen gibt es jetzt auch in Wernigerode eine Gruppe der „Anonymen Sexaholiker“ (AS).

Hilfe für „Sexaholiker“: Eine klare Definition

Doch gibt es Sexsucht überhaupt? Und wenn ja: Wie sieht sie aus? „Wir haben für Sexsucht eine klare Definition: Sie besteht dann, wenn durch Schwierigkeiten, die eigene Sexualität ausreichend zu kontrollieren, dem Betroffenen selbst oder einem anderen ein Leidensdruck entsteht“, so Peer Briken vom Institut für Sexualforschung in Hamburg in einem Interview.

Nach Schätzungen amerikanischer Wissenschaftler seien bis zu vier Prozent der Bevölkerung betroffen - wobei laut Briken Männer drei- bis viermal häufiger unter einem krankhaften Sexualtrieb litten.

Hilfe für „Sexaholiker“: Gruppe besteht aus drei Männern, die anonym bleiben

Die Wernigeröder Gruppe der „Anonymen Sexaholiker“ besteht nach MZ-Informationen aus drei Männern. Zu einem - auch anonymisierten Interview - war sie nicht bereit.

„Wir sind immer froh, wenn über die Sexsucht berichtet wird, denn es ist eine wirklich sehr schlimme, zerstörerische Krankheit“, antwortete die Wernigeröder Gruppe schriftlich auf eine MZ-Interviewanfrage.

Aber: „Anonymität ist einer unser wichtigsten Grundsätze. Deshalb ist es uns nicht möglich, Ihnen Zugang zu einer AS-Gruppe, zu gewähren.“

Hilfe für „Sexaholiker“: Nähe zu Gott finden

Fakt ist: Die „Anonymen Sexaholiker“ arbeiten nach den Grundsätzen der Anonymen Alkoholiker, basierend auf den „Zwölf Schritten“ und den „Zwölf Traditionen“. Es geht ihnen dabei um die Nähe zu Gott und darum, „mit der Lüsternheit aufzuhören und sexuell nüchtern zu werden“.

„Wir bieten keine Sextherapie, Gruppentherapie oder Behandlungen irgendwelcher Art an“, teilt die Wernigeröder AS-Gruppe mit.

Abstinenz kein dauerhaftes Ziel

Dieses Vorgehen ist unter Wissenschaftlern allerdings umstritten. Peer Briken vom Institut für Sexualforschung und seine Kollegen zum Beispiel schreiben in einem wissenschaftlichen Aufsatz: „Sexuelle Abstinenz kann kein therapeutisch zu verfolgendes, dauerhaftes Ziel sein. Sexualität soll als Ressource entwickelbar und lebbar werden.“

Also keine Enthaltsamkeit, stattdessen zuerst ein Entzug von anderen Süchten - denn Sexsüchtige seien häufig auch alkohol- oder drogenabhängig.

Auslöser müssen eliminiert werden

In der eigentlichen Therapie „sollte zunächst ein Schwerpunkt auf einem psychoedukativen Therapieansatz liegen, indem das Problembewusstsein und damit die Motivation gefördert werden“.

Um sich von der Sucht nach Sex zu lösen, sollten Betroffene Auslöser eliminieren - etwa die Porno-Sammlung abschaffen oder auf dem Laptop eine Sperrsoftware für Sex-Seiten installieren.

Risikosituationen müssen identifiziert werden

Außerdem werden in der Therapie Risikosituationen - wie Stress oder Alkoholkonsum - identifiziert, die sexuell süchtiges Verhalten auslösen. Im weiteren Therapieverlauf geht es schließlich um die Entwicklung von Handlungsalternativen für die Betroffenen.

Hierzu gehört auch die Aufarbeitung jener psychischen Probleme, die zur Entstehung des sexuell süchtigen Verhaltens geführt haben.

Am Ende der Behandlung sollen die Betroffenen nicht abstinent leben, sondern Sex wieder genießen können.

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Betroffene können per E-Mail Kontakt zu den „Anonymen Sexaholikern“ in Wernigerode aufnehmen: [email protected]. Weitere Informationen über die AS gibt es im Internet unter www.anonyme-sexsuechtige.de. (mz)