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Pinguin-Café Eisenbahnstraße 5 in Thale: Früheres Eiscafé "Pinguin" wird bald abgerissen

Von Benjamin Richter 25.07.2018, 07:58
Unter flämischen Leuchtern konnte man im Café Pinguin in Thale stilvoll speisen.
Unter flämischen Leuchtern konnte man im Café Pinguin in Thale stilvoll speisen. Richter

Thale - An der Eisenbahnstraße 5 in Thale deutet heute nichts mehr darauf hin, dass hier einmal eines der beliebtesten Eiscafés der Stadt seine Kugeln und Torten an den Mann brachte.

Nicht einmal eine Hausnummer hängt mehr an dem unscheinbaren Gebäude, das so baufällig ist, dass niemand mehr hinein kann. Die Stadt Thale hat das ehemalige Eiscafé „Pinguin“ kürzlich gekauft und wird es im Lauf der nächsten Wochen abreißen.

Eiscafé „Pinguin“ wurde am 7. November 1967 eröffnet

Die ehemaligen Besitzer, Hans Ulrich und Bärbel Müller aus Blankenburg, haben schon vor langer Zeit Abschied von ihrem Eiscafé genommen. An die Jahrzehnte in Thale denken sie jedoch gern zurück, und auch das Eingangsschild des „Pinguin“ hängt noch in ihrem Geräteschuppen.

Am 7. November 1967 hatten sie die Gaststätte eröffnet - „Zum Jubiläum der Oktoberrevolution“, betont Bärbel Müller. „Man brauchte ja einen Anlass.“ Alte Fotos zeigen, wie stilvoll das Eiscafé damals eingerichtet war: Auf Caféstühlen saßen die Gäste an Marmortischen, die Wände waren zum Teil mit dunklem Holz vertäfelt und von der Decke hingen flämische Kronleuchter.

Marmortische, Kronleuchter, Wände vertäfelt

Baldachine und ein großes Leuchtschild sorgten für eine einladende Fassade. Abseits der Gasträume arbeiteten die Müllers und die Angestellten des Cafés hart, um ihre Kunden glücklich zu machen. „In den Spitzenzeiten haben wir pro Tag etwa 240 Kilogramm Eis produziert“, blickt Hans Ulrich Müller zurück.

Mit dem Trabbi fuhren er oder seine Frau morgens zur Molkerei und holten Milch in großen Kannen à 25 Liter. Währenddessen wurden im „Pinguin“ die Zutaten für Vanille-, Schoko- und Fruchteis vorbereitet. Traf die Milch ein, lief die Eismaschine oft den ganzen Tag pausenlos.

„Manchmal mussten wir die Eismaschine kühlen"

„Manchmal hat sie die großen Mengen nicht mehr geschafft“, erinnert sich Hans Ulrich Müller. „Dann mussten wir sie im Keller mit Wasser kühlen, und es gab eine oder anderthalb Stunden lang kein Eis.“

Einen weiteren Schritt nach vorn machte das Café, als die Verwaltung es als Wahllokal aussuchte. „Das bedeutete für uns, dass wir ein Telefon bekamen“, so Bärbel Müller. Sie ist dankbar, dass so viele Stammgäste dem „Pinguin“ so lange die Treue hielten.

Mit einigen Stammgästen sind die früheren Inhaber noch heute in Kontakt

„Mit einigen von ihnen sind wir bis heute in Kontakt“, fügt sie hinzu. Und nicht nur in den Herzen, auch in den Kalendern vieler ehemaliger Stammgäste hat sie für immer einen Platz inne. „An meinem Geburtstag glüht immer das Telefon.“

Mit Stolz und etwas Wehmut faltet Hans Ulrich Müller ein Poster auseinander, das seine Kinder im Jahr 1987 zum 20-jährigen Bestehen des Eiscafés gestaltet hatten. In dem Gedicht darauf ist zu lesen: „Und so soll es sein und so soll es auch bleiben, für die nächsten 20 und alle Zeiten.“

„Fünf Erben aus dem Westen machten ihre Ansprüche geltend"

Das hat nicht hingehauen: Schon im Oktober 1992 schloss das Eiscafé seine Türen zum letzten Mal. „Nach der Wende wurde es schwierig“, erklärt Bärbel Müller. „Fünf Erben aus dem Westen machten ihre Ansprüche geltend, dazu kamen die neuen Vorschriften.“

Um das „Pinguin“ weiterführen zu dürfen, hätten die Besitzer die Gasheizung umstellen und die Sanitäranlagen grundlegend erneuern müssen. „Wir haben dann gesagt, nach 25 Jahren reicht es“, sagt Hans Ulrich Müller. Dem ersten Schlussstrich folgt nun der zweite: Bald rückt vor der Gaststätte, in der eine Kugel Eis noch 20 Pfennig kostete, die Abrissbirne an.

Ihr persönliches Lieblingseis haben die Müllers im Lauf der Jahre übrigens öfter einmal gewechselt. Im Moment ist es Fruchteis. „Aprikose, Banane oder Johannisbeere“, zählt Bärbel Müller auf. „Das erfrischt im Sommer einfach am besten.“ (mz)