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Eine Familie ein Gasthaus Eine Familie ein Gasthaus: "Rübchen" hat mit Rübe gar nichts zu tun

Von Benjamin Richter 24.10.2020, 11:56
Das Gasthaus Zum Rübchen ist ein beliebtes Ausflugsziel im verträumten Örtchen Benneckenrode.
Das Gasthaus Zum Rübchen ist ein beliebtes Ausflugsziel im verträumten Örtchen Benneckenrode. Benjamin Richter

Thale - Mit einem Trugschluss räumt Christine Pfeiffer gleich zu Beginn auf: „Rüben wurden hier oben nie angebaut.“ Äpfel, ja, Birnen, Kirschen und daneben noch einige weitere heimische Obstsorten finden von Benneckenrode aus seit Jahrhunderten ihre Abnehmer - aber Fehlanzeige bei Karotten, Steck- oder Zuckerrüben.

Dass hier dennoch das Gasthaus „Zum Rübchen“ und nicht etwa „Zum Birnchen“ steht, legt die Wirtin dar, dafür gebe es eine sprachgeschichtliche Erklärung: So hätten in dem Gebiet zwischen Blankenburg und Benneckenrode einst des Öfteren Räuber vorbeifahrenden Kutschen aufgelauert. Aus dem plattdeutschen Wort für Räuberfeldzug „Ribbeken“ sei Jahre später durch eine misslungene Übersetzung das „Rübchen“ geworden.

1870 in das Handelsregister eingetragen

Im Jahr 1870 unter dem Namen „Kleines Rübchen“ ins Handelsregister eingetragen, blickt das Gasthaus in diesem Jahr auf sein 150-jähriges Bestehen zurück. Eröffnet habe das Lokal damals ihr Ururgroßvater Christian Spönemann, schildert Christine Pfeiffer im MZ-Gespräch.

Da sich die Gaststätte die gesamten eineinhalb Jahrhunderte in Familienhand befunden hat, kann die 55-Jährige ihre Ahnenreihe quasi anhand der Liste der „Rübchen“-Betreiber zurückverfolgen. Da folgte auf Christian Spönemann dessen Sohn Richard, der das Gasthaus, das als Verkaufsstand mit Getränken im Biergarten begonnen hatte, ausbaute und nebenbei auch die Obstplantagen der Familie vergrößerte. Nach seinem Tod führte die Witwe Else Spönemann mit der Unterstützung ihrer beiden Töchter Elsa und Lisbeth den Betrieb weiter.

Mehrere Standbeine beackert

Elsa heiratete später Kurt Buttler, einen Bäcker aus Thüringen, übernahm das Gasthaus und hielt es auch in den schweren Kriegs- und Nachkriegsjahren am Laufen. Aus der Ehe gingen die Kinder Ingrid, Kurt und Günter - Christine Pfeiffers Vater - hervor; Letzterer setzte die Tradition ab 1968 fort.

Er habe die Landwirtschaft und die Bäckerei als zweites und drittes Standbein weiter vorangebracht, erklärt die Wirtin, wobei ihm seine Frau Helga, Pfeiffers Mutter, stets mit helfenden Händen zur Seite gestanden habe. Seit fünf Jahren betreiben nun Christine Pfeiffer und ihr Mann Dirk das Ausflugslokal in dem beschaulichen Ortsteil.

Für das Jubiläumsjahr hatten sich die Pfeiffers - außer dem Ehepaar packen auch die drei erwachsenen Kinder Christopher, Elisa und Stephan im Betrieb mit an - einiges vorgenommen. Im Juli sollte es ein großes Jubelfest mit Disco geben, zusätzlich zu den fünf traditionellen Veranstaltungen, die den Jahreskalender in der Gaststätte prägen (siehe „Treffpunkt und Ort zum Feiern“).

„Doch Corona hat es uns nicht gestattet, aus diesen Plänen eine Realität zu machen“, schildert Christine Pfeiffer. Stattdessen erlebte das „Rübchen“ im Frühjahr, von März bis Juni, die längste Schließzeit seiner 150-jährigen Geschichte.

„Wir sind hier mit Bäckerei und landwirtschaftlichem Betrieb über die Runden gekommen“

Auch in der Zeit danach konnten nur kleinere Familienfeiern stattfinden - die große Geselligkeit pausiere weiter. In der Krise, merkt die Wirtin an, habe sich ausgezahlt, dass ihre Vorfahren den Betrieb auf mehrere Säulen gesetzt hatten. „Wir sind hier mit Bäckerei und landwirtschaftlichem Betrieb über die Runden gekommen.“

Wie ihr Großvater und Vater ist auch Christine Pfeiffers Mann Dirk ein Bäcker - sogar ein Meister mit mehreren Filialen in Thale. „Er macht es mit Herzblut“, sagt die Gattin. Sohn Christopher erlernt das gleiche Handwerk, während Stephan sich als Koch betätigt.

Tochter Elisa macht unterdessen in Wernigerode eine Ausbildung zur Hotelkauffrau. „Sie war schon in Australien und hat von dort neue Ideen mitgebracht“, berichtet Christine Pfeiffer stolz - die Freude darüber, dass die Kinder sich alle für den familiären Betrieb begeistern, braucht die strahlende Mutter nicht in Worte zu kleiden.

Gasthaus schlachtet selbst

37 Jahre, seit ihrem 18. Lebensjahr, ist die Thalenserin inzwischen im Familienbetrieb tätig. Auf den Tisch komme aber schon viel länger deutsche Hausmannskost mit Fleisch aus hauseigener Schlachtung. „An der Speisekarte hat sich seit den Anfängen kaum etwas geändert“, so Pfeiffer, „wir servieren gutbürgerliche Küche.“

Dazu halte man Rinder, Schweine, Hühner und Gänse in eigenen Ställen und Gehegen. Auch der althergebrachte Obstanbau, betont die Wirtin, werde weitergeführt. Um all das zu bewerkstelligen, beschäftigt der Familienbetrieb drei weitere Angestellte.

Der Tradition treu bleiben und trotzdem mit der Zeit gehen, neue Impulse verwirklichen - das nennt Christine Pfeiffer als größte Herausforderung für ihre Gaststätte. Zuletzt habe man gemeinsam den Saal der Gaststätte renoviert. Dankbar ist die Wirtin, dass die Angler, Geflügelzüchter, Jäger und Naturschützer dem „Rübchen“ als Vereinsgasthaus seit vielen Jahren die Treue halten. „Wenn es Corona erlaubt, wollen wir nächstes Jahr doch noch feiern“, kündigt die Betreiberin an. „Das wird dann sozusagen der 150. Geburtstag plus eins.“

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Treffpunkt und Ort zum Feiern

Zwischen Ostern und Oktoberfest ist in normalen Jahren am Gasthaus zum Rübchen alle paar Wochen etwas los. Der Veranstaltungskalender beginnt traditionell mit dem Osterfeuer, auf das ein Frühschoppen zum Männertag folgt. Geselligkeit und Tanz sind seit jeher am Pfingstsonntag angesagt, nachdem um 9 Uhr dem Hähnekrähen gelauscht wurde. Ein Weinfest im August und das Oktoberfest im September runden den Jahresreigen ab. Hinzu wären dieses Jahr eine Cocktailparty im Juni und das Jubiläumsfest gekommen. Motto-Partys haben im „Rübchen“ Tradition, wie eine Zeitungsannonce aus den Anfangsjahren für eine „Italienische Nacht“ belegt. (mz)

Unzählige Gäste sind in eineinhalb Jahrhunderten im „Rübchen“ eingekehrt. Schon seit 1870 gibt es hier einen Biergarten.
Unzählige Gäste sind in eineinhalb Jahrhunderten im „Rübchen“ eingekehrt. Schon seit 1870 gibt es hier einen Biergarten.
Sammlung Christine Pfeiffer
Die Pfeiffers leiten den Familienbetrieb ihrer Vorfahren.
Die Pfeiffers leiten den Familienbetrieb ihrer Vorfahren.
Elisa Pfeiffer