200 Jahre Gastronomie Berghotel Rosstrappe in Thale: Neue Fontane-Terrasse hoch über dem Bodetal wird eröffnet

Thale - Auf der Terrasse des Berghotels Rosstrappe sitzen am Dienstag zahlreiche Gäste und genießen bei Sonnenschein einen Kaffee oder eine Limonade. Ob sie wissen, dass die Gastronomie auf dem Granitfels fast auf den Tag genau vor 200 Jahren die ersten Besucher bewirtete?
Auf den 15. Mai 1819 datiert die Schankgenehmigung für die Wirtschaft, die seither viele Eigentümer kommen und gehen sah. Seit 2007 hält das Thalenser Ehepaar Annett Schiebeck und Jan Müller auf der Rosstrappe die Fäden in der Hand. Sie wollen das Jubiläum am Mittwoch gebührend feiern – und haben sich dafür etwas Besonderes einfallen lassen.
Schon Theodor Fontane lobte den Blick von der Rosstrappe
„Wir geben zur Feier des Tages unsere neue Fontane-Terrasse für die Öffentlichkeit frei“, erklärt Jan Müller. Noch müssen die Geländerstangen aus Edelstahl an den Treppen angebracht werden, die Stühle und Tische stehen aber bereits.
72 Gäste finden hier Platz. Die Terrasse soll künftig Teil des Restaurantbereichs sein. Ähnlich wie vom benachbarten Fontaneblick aus kann man hier weit ins Harzvorland blicken.
„An guten Tagen bis zu 80 Kilometer“, beziffert Müller. Dass dem preußischen Dichter Theodor Fontane im Jahr seines 200. Geburtstags dieses Fleckchen Fels gewidmet wird, hängt mit seinen Thale-Urlauben in den 1860er bis 1880er Jahren zusammen: „Er lobte bei seinen Aufenthalten den Blick von der Rosstrappe als den schönsten Ausblick aus dem Harzgebirge“, legt Jan Müller dar.
Die Eheleute betreiben das Berghotel Rosstrappe seit fast zwölf Jahren
Bald schalten und walten er und seine Frau seit zwölf Jahren in dem Hotel. Damit sind die Eheleute nicht nur diejenigen, die die Gastwirtschaft seit der Wende am längsten betrieben haben, sondern gehören auch zu den drei dienstlängsten Inhaber-Familien überhaupt.
Nur die Krugs und die Sonntags haben den Gastronomiebetrieb länger am Laufen gehalten. Der Blechschmied Friedrich Sonntag war es, der vor exakt 200 Jahren die vorläufige Erlaubnis zur Anlage einer Schankwirtschaft auf der Rosstrappe vom Landrat entgegennahm.
Birkensaft mit Honig und Quellwasser wurde serviert
Sonntag hielt für seine Gäste zunächst vor allem warme Getränke bereit, wie den Erkenntnissen des Thalenser Hobbyhistorikers Werner Schatz zu entnehmen ist. Neben heißem Wasser und Tee fand auch eine Eigenkreation viele Abnehmer: „Berühmt war sein Birkenwasser, Saft junger Birken, gesüßt mit Honig und aufgefüllt mit Quellwasser, welches mit einem Esel von der Quelle herbeigeschafft wurde“, schreibt Schatz.
Esel trugen das Wasser von der Quelle auf den Felsen. Erschwinglich war die Erfrischung nicht: Mit 13 Silbergroschen kostete ein Glas mehr, als ein gelernter Maurer am Tag verdiente.
Über drei Generationen leiten die Sonntags die Geschicke des Hotels, dann wird es an den Goslarer Brennereibesitzer Karl Rost verkauft. Dessen Schwiegersohn heißt Otto Krug und übernimmt das Gasthaus im Jahr 1909. Er verordnet den ab 1849 errichteten Gebäuden eine Sanierung: So baut er 1910 eine neue Wasserleitung und 1914 eine Zentralheizung ein.
Nach Krugs Tod leiten seine Frau Elsbeth und seine Tochter Erika das Hotel, bevor es 1966 unter die Verwaltung der HO kommt. Nach der Wende wird das Berghotel reprivatisiert.
Mehrere Inhaber haben das Hotel seit 1990 bewirtschaftet
Zwischen 1990 und 2007 gaben sich mehrere Eigentümer und Pächter in dem Hotel die Klinke in die Hand. Die Herberge wurde zwischenzeitlich zwangsversteigert und geschlossen. Unter Annett Schiebeck und Jan Müller feierte sie im Juli 2007 nach einer umfangreichen Umbauphase ihre Wiedereröffnung.
Binnen weniger Monate hatte das Paar zuvor 28 Zimmer mit 49 Betten sowie das Restaurant auf Vordermann gebracht, eine eigene Konditorei eingerichtet, neue Hauswasseranschlüsse verlegt und den Biergarten neu ausgestattet. „Wir haben hier einen Sanierungsstau von 50 Jahren vorgefunden“, erinnert Jan Müller.
Der Eigentümer findet in dem Gastbetrieb auch heute noch viel zu tun: So sollen in einem weiteren Ausbau 22 zusätzliche Gästezimmer entstehen, der Parkplatz vorm Hotel soll umgestaltet, und mit Fördergeld aus dem Efre-Fonds der Europäischen Union soll energiesparende Haustechnik installiert werden. Auf dem Felsen mit dem Hufabdruck kehrt also auch nach 200 Jahren kein Stillstand ein. (mz)
