Kfz-Mechatroniker Autoteile Harz GbR in Thale: Junger Mann aus Holland bekommt ohne Berufsabschluss einen Job als Mechatroniker

Thale - Konzentriert betrachtet Eddie Ernst Willem Boekhout die Unterseite eines Autos auf einer Hebebühne. Für den 21-Jährigen sind die Rohre, Kabel und Metallteile ein offenes Buch. Dabei hat der Niederländer, der seit zweieinhalb Jahren in Ballenstedt wohnt, keinen Berufsabschluss in der Automobilbranche. Dennoch arbeitet er als Kfz-Mechatroniker bei der Firma Autoteile Harz GbR in Thale.
Möglich gemacht hat das eine zweiwöchige Testphase bei dem Arbeitgeber, die Boekhout von der Arbeitsagentur in Halberstadt vermittelt wurde. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, erklärt Daniel König, Pressesprecher der Agentur.
Leidenschaft fürs Schrauben und Basteln an Autos
„Bei rund jeder fünften Integration in den Arbeitsmarkt hat Probearbeit im vergangenen Jahr eine Rolle gespielt“, beziffert er. Das Besondere an Boekhouts Fall sei, dass er ganz ohne Schulabschluss erfolgreich gewesen sei.
Seine schulische Ausbildung im Baumaschinenbereich in seiner Heimat Friesland hatte Boekhout vorzeitig abgebrochen. „In Holland ist es so: Wenn du 18 wirst, kannst du die Schule abkürzen“, erklärt er. Dass er die Stelle trotzdem bekommen hat, verdankt er seiner Leidenschaft fürs Schrauben und Basteln an Autos aller Sorten und Marken.
Großvater und Vater von Boekhout waren in der Autobranche
„Ich bin damit aufgewachsen“, sagt Boekhout. Bereits sein Großvater sei Kfz-Meister gewesen, sein Vater war ebenfalls in dem Gewerbe tätig, und er selbst kam mit fünf Jahren erstmals mit der Arbeit in der Werkstatt in Berührung.
Über die Jahre hat sich Boekhout als „Hobbyschrauber“ ein umfassendes Wissen über Autos selbst beigebracht, berichtet er. Auch heute fließe neben der Arbeit im Betrieb fast jede freie Minute in die beiden nicht ganz alltäglichen Wagen in seiner Garage in Ballenstedt. „Da habe ich einen Multicar mit Fußtrittlenkung und einen amerikanischen Bus stehen. Ich bastle immer ein bisschen rum, auch zu Hause.“
Nach neun Monaten bei Inotec unterstützte die Arbeitsagentur
Neun Monate lang hatte Boekhout zudem bei dem Quedlinburger Unternehmen Inotec Erfahrungen in der Metallverarbeitung gesammelt. Darum und weil er motiviert wirkte, einen Job zu finden, entschloss sich Jens Borowski, einen Schritt zu überspringen: Der Ansprechpartner für die Kfz-Branche im Arbeitgeber-Service der Arbeitsagentur sprach direkt mit den Bewerbungsunterlagen des jungen Niederländers bei Autoteile Harz vor.
„Der Arbeitgeber war dann für den Vorschlag der Probearbeit offen, und auch der Arbeitnehmer konnte es sich vorstellen“, schildert Daniel König. In der zweiwöchigen Testphase konnte Boekhout die beiden Inhaber des Betriebs, Jörg Piotrowski und David Pickert, überzeugen. Er erhielt einen unbefristeten Arbeitsvertrag, den die Arbeitsagentur finanziell unterstützt, da er in ein paar Bereichen noch eingearbeitet werden muss.
Firma suchte über ein Jahr nach einem Mechatroniker
„Mechatroniker ist ein absoluter Mangelberuf“, betont Pressesprecher König. Eineinhalb Jahre lang habe Autoteile Harz nach einem Kfz-Mechatroniker gesucht und sei mit insgesamt rund 40 Bewerbern in Kontakt getreten, von denen letztlich jedoch keiner die Stelle antrat. Den Grund dafür sieht König in der günstigen Lage für Arbeitnehmer auf dem Harzer Arbeitsmarkt.
„Arbeitnehmer mit einem Abschluss im Metall- und Elektrobereich können sich ihre Stelle aussuchen“, sagt König. In der Regel erhielten sie mehrere Angebote und müssten sich für eines entscheiden. Im Umkehrschluss ergäben sich Engpässe bei Unternehmen, auch in anderen Branchen wie der Pflege.
Arbeitsagentur sieht Probearbeit als nützliches Instrument
Gerade in diesen Bereichen sieht König Probearbeit als nützliches Instrument. „Es bietet Arbeitgebern und Arbeitnehmern die Möglichkeit, sich gegenseitig kennenzulernen.“ Den Harz haben Eddie Boekhout und seine Familie 2016 auf den ersten Blick kennen- und lieben gelernt.
„Wir haben hier Urlaub gemacht“, blickt der 21-Jährige zurück. Seinen Eltern, seinem Bruder und ihm selbst habe es so gut gefallen, dass sie sich entschlossen, ihren Lebensmittelpunkt aus der Gegend um Groningen nach Ballenstedt zu verlegen.
„Die Luft hier ist gesund, die Menschen sind freundlich und es liegt nicht überall Abfall auf dem Weg“, nennt Boekhout einige Vorzüge seiner Wahlheimat. Auch die Preise, die in den Niederlanden höher sind, hätten eine Rolle bei der Entscheidung gespielt.
„Wir haben damals gesagt, wir gehen einfach nach Deutschland und gucken, wie es geht“, erklärt er. Genauso habe er es nun auch mit der Stelle gehalten: „Ich bin keiner, der sagt, ich habe nicht die Ausbildung, also kann ich es nicht. Ich probiere es lieber erst mal aus.“ (mz)