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Akrobatik Akrobatik: Cheerleader ohne Röcke

Von MARIA BÖHME 12.10.2011, 15:36

WERNIGERODE/MZ. - "Egal ob groß oder klein, dick oder dünn, hier kann jeder mitmachen", sagt Claudia Helbig und räumt damit gleich zu Anfang mit einem gängigen Vorurteil auf. Cheerleader müssen nicht wie Models aussehen, wie es in amerikanischen Jugendfilmen suggeriert wird, sagt sie. Und: Sie müssen auch nicht weiblich sein. "Für jeden Typ, ob Mann oder Frau, gibt es in unserem Team eine Position", sagt die Trainerin und deutet auf den hinteren Teil der Turnhalle im Sportzentrum Gießerweg in Wernigerode.

Dort wartet eine Hand voll junger Männer auf ihren Einsatz. Die 26-Jährige streicht sich über die dicken, blonden Haare, die sie am Hinterkopf zu einem Knoten geschlungen hat und schaut zu Tino, Alexander und Marcus. Die drei gehören genauso wie die Mädels fest zum 14-köpfigen Cheerleader-Team. Denn die "Cats of Pray" sind ein "coed team", zu deutsch eine gemischte Mannschaft. Die jungen Männer müssen aber keine Röcke tragen oder Pompons schwingen.

"Viele haben eine falsche Vorstellung. Für uns Jungs ist es eigentlich Kraftsport. Wir heben die Mädels ja ständig durch die Gegend", sagt Tino Weiß. Der 25-Jährige ist seit sechs Jahren dabei. In dieser Zeit sah der dunkelblonde Sportler sich mehr als einmal mit Vorurteilen gegenüber seinem Hobby konfrontiert. "Zunächst einmal wärmen wir uns getrennt auf", erklärt Tino, "rhythmische Sportgymnastik liegt uns nämlich nicht so". Er grinst.

"One, two, three, four", schallt es kurz darauf durch die Turnhalle. Trainerin Claudia gibt den Takt vor. Die Mädchen reißen ihre Beine in die Luft. Vor, zur Seite, ran. Auf dem Trainingsprogramm steht: Sprünge üben. Die 17 bis 26-Jährigen sind eifrig dabei. Tino und die anderen jungen Männer machen währenddessen Klimmzüge an den Kletterstangen, die an den Wänden angebracht sind.

Rund eine halbe Stunde später sind alle mit ihren Aufwärmübungen fertig. Das Team findet sich in der Mitte der Halle zusammen und verteilt Matten auf dem Boden. Nächster Punkt auf dem Trainingsplan: Pyramiden bauen. Die kommen bei jeder Show am besten an. Ungefähr eine Trainingseinheit braucht das eingespielte Team, um eine Pyramide einzustudieren. Die zierlicheren Mädels klettern auf die Rücken ihrer Teamkollegen. Die 17-jährige Paula Barkeit turnt sich an die Pyramidenspitze. Drei Etagen hat die Figur mit ihr. Mit ihren Füßen steht sie auf den Händen von zwei Mädchen. Dann lässt sie sich nach hinten fallen und landet in den Armen von Tino und Alexander Kuhlmann. "Man muss sich immer etwas überwinden, vor allem wenn man auf die Pyramide drauf springt", sagt Paula. Aber bereits beim ersten Training vor vier Jahren hat sie sich ganz nach oben getraut. "Es gibt Männer, die bei diesen Figuren immer unten stehen und halten, wie ich, aber auch Turner, die oben mitmischen", erklärt Tino. Alexander ergänzt: "Hier muss man Kraft haben und Köpfchen. Koordination ist alles." Cheerleading sei einfach etwas Besonderes, eben etwas ganz anderes als Fußball oder Basketball.

Auf ungewöhnliche Weise ist der attraktive 24-Jährige vor anderthalb Jahren zu den "Cats of Pray" gestoßen: "Die Mädels haben mich in der Disco angesprochen, ob ich mitmachen will. Wenn so nette Mädchen kommen, sagt man einfach nicht Nein."

Neuzugang Marcus Schwarzbach wurde von seiner Schwester animiert. Die macht auch mit und hat ihn einmal zum Training mitgenommen. Und er ist geblieben. "Ich bin eigentlich kein sportlicher Typ, aber das hier macht Spaß." Er schaut in die fünfköpfige Männerrunde. Alle nicken.

Dreimal in der Woche trainiert das Team. "Wenn man das Bein hinter die Ohren klemmen will, muss man manchmal auch was zu Hause machen", sagt die Trainerin. Die Stammmannschaften der "Cats of Pray" sind ein American Football Team, die Wernigerode Mountain Tigers, und eine Basketballmannschaft, die Bodfeld Baskets Oberharz aus Elbingerode. Von April bis September machen sie Cheerleading bei den Spielen der Footballer, von Oktober bis März bei denen der Basketballer. Alle zwei Wochen sind sie deswegen unterwegs. Ein zeitintensives Hobby.

"Manche Wochen sind echt voll", bestätigt der muskulöse Tino. Paula hat bei den Auftritten beobachtet, dass vor allem ältere Menschen schnell begeistert sind. "Die Jüngeren sind eher skeptisch", sagt sie. Die 24-jährige Antje Droste fügt hinzu: "Sie denken oft, wir wären eingebildet. Häufig können wir sie erst im Gespräch vom Gegenteil überzeugen."

Drei verschiedene Programme mit je drei bis vier Minuten zeigen sie pro Saison. Das Bodenturnen - Salto, Flickflack, Pyramiden - macht dabei ungefähr 50 Prozent aus. Der Rest sind Tanzpräsentationen. Bei Meisterschaften überwiegt der Turnanteil. Die "Cats of Pray" zeigen aber vorwiegend Showprogramme. Obwohl sie auch schon bei Wettkämpfen Erfolge gefeiert haben. "Vize-Landesmeister sind wir einmal geworden", so die Trainerin, aber bei den Meisterschaften müssten die Jungen auch tanzen. Und das sei für die meisten wirklich nur Quälerei, sagt die junge Frau und lächelt.