Abschied von Thale Abschied von Thale: Herbergseltern ziehen ans Meer

Thale - „Wir fahren zu Krauses.“ Für viele der Stammgäste der Jugendherberge im Bodetal war bisher der Urlaub in der Einrichtung eng mit den Herbergseltern Kerstin und Ronald Krause verbunden. Die Krauses erfüllt das mit Stolz, sie empfinden es als Wertschätzung ihres Wirkens. Sie haben nämlich gemeinsam drei Jahrzehnte lang die Geschicke der Herberge geleitet - bevor sie im August dieses Jahres „mit ruhigem Gewissen ihr Lebenswerk“ an den 39-Jährigen Michael Hesse abgaben.
Es war eine aufregende Zeit in Thale
„Es war eine aufregende Zeit, die wir nicht vermissen möchten“, bekennen der 60-Jährige und seine 57-Jährige Ehefrau. So stand für sie stets der persönliche Kontakt zu den Menschen, ob als Gast, Verwaltungsvertreter, Vereinsmitglied, aus Firmen und Institutionen oder aus der Kommunalpolitik, im Mittelpunkt ihres Wirkens. „Gerade die tägliche Begegnung mit den Menschen ist nicht durch Kontakte per PC, Handy oder E-Mail zu ersetzten“, bekräftigt Kerstin Krause als eine wertvolle Erfahrung.
Da war es nicht verwunderlich, dass zu ihrer offiziellen Verabschiedung am Dienstag viele Weggefährten mit ihnen gemeinsam feiern wollten. Für die Krauses steht deshalb fest: „Wir haben nichts falsch gemacht und viel erlebt. Wir würden wieder diesen Weg beschreiten.“
Bodetalabenteuer für Krauses begann Mitte der 1980er Jahre
Angefangen hatte das Bodetalabenteuer für die beiden Bauingenieure Mitte der 1980er Jahre. Sie, aufgewachsen in Rötha bei Leipzig, er in Merseburg, leiteten bis dahin einen Jugendklub für Behinderte in Merseburg - wohl der einzige staatliche dieser Art zur damaligen Zeit. Auf der Suche nach einer dauerhaften Urlaubsunterkunft für die Kinder bekamen sie Objekte in Ballenstedt, Meisdorf und Thale angeboten.
Das Haus im Bodetal schlossen beide Baufachleute trotz des sanierungsbedürftigen Zustandes in ihre Herzen. Schließlich wechselten sie vom Jugendklub in die Jugendherberge: Ronald Krause als Herbergsleiter und seine Frau ein halbes Jahr später im April 1986 als Instrukteur für Programmgestaltung. 1987 sanierten sie, unterstützt von vielen jugendlichen Freiwilligen in Feierabendtätigkeit, die zwischen Roßtrappe und Hexentanzplatz gelegene Herberge.
Stadt Thale hat damals geholfen
So manche Geschichte können sie dazu erzählen. So beispielsweise aus der Zeit als es schwer war, Baumaterial für die Teilsanierung zu bekommen. Aber beide sahen es als Herausforderung an. Zwischen 1994 und 1995 sei das Haus dann für rund sechs Millionen Mark komplett mit Hilfe des DJH Landesverbandes Sachsen-Anhalt und der Stadt Thale saniert worden. Die Übernachtungsmöglichkeiten stiegen von 102 Betten auf 200. Im Jahr 2000 kam dann die Jugendherberge in Quedlinburg noch in ihre Obhut dazu.
Eine Millionen Übernachtungen im Bodetal
In den drei Jahrzehnten können Krauses so auf 330.000 Gäste und eine Million Übernachtungen in beiden Einrichtungen verweisen. Eine Bilanz, auf die sie Stolz sind - zumal sie sich noch ganz nebenbei liebevoll um ihre drei Töchter gekümmert haben. „Das konnten wir alles nur stemmen, weil wir ein gutes Team hatten“, betonen sie.
„Wir hatten hier engagierte Herbergseltern, die sich immer neue Dinge für die Auslastung der Beherbergungseinrichtung einfallen ließen“, lobt Thales Bürgermeister Thomas Balcerowski (CDU) zur Verabschiedung. Er selbst habe dort als Zivildienstleistender praktische Erfahrungen gesammelt.
„Sogar als Weihnachtsmann“, weiß Burkhard Fieber, Landesvorsitzender des Deutschen Jugendherbergsverbandes Sachsen-Anhalt, zur Freude der Anwesenden zu berichten. Er bezeichnete es als einen echten Verlust von Leistungsträgern, dass Krauses die Leitung abgegeben haben.
Jetzt in Kühlungsborn zuhause
Inzwischen habe das Paar seinen Lebensmittelpunkt an die Ostsee nach Kühlungsborn verlegt. „Wir wollen uns dort auch in Sachen Tourismus engagieren“, sagten sie. Warum an der Küste? Die Antwort klingt logisch: „Ein Drittel unseres Lebens haben wir im Chemie- und Kohledreieck verbracht, ein Drittel im Harz, und wenn es uns vergönnt ist noch ein Drittel am Meer.“
Die Jugendherberge kann in diesem Jahr auf sein 50-jähriges Bestehen verweisen. Im Jahr 1852 als „Hotel Großer Waldkater“ errichtet, sollte das Haus am Ausgang des Bodetals in den nächsten 45 Jahren viermal den Besitzer wechseln, weiß Michael Hesse. 1923 erwarb Georg Löbsack das Hotel, das zu dieser Zeit 72 Zimmer mit fließendem Wasser und Bädern besaß. 1945 sei es zum Erholungsheim der Deutschen Reichsbahn geworden.
Wegweisend waren die Jahre ab 1960, sagt der Herbergsleiter. So konnte damals noch ein Abriss verhindert werden. Im Oktober 1966 wurde die Jugendherberge „Herta Lindner“ mit 102 Betten im Bodetal eröffnet.
(mz)