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Kundentreue in Edderitz Wie ein "Tante-Emma-Laden" in Edderitz es schafft zu überleben

Von Helmut Dawal 06.12.2016, 12:00
Sabine Rochow ist mit Leib und Seele Verkäuferin. Hier bedient sie Gisela Demmler und Lieselotte Schoch.
Sabine Rochow ist mit Leib und Seele Verkäuferin. Hier bedient sie Gisela Demmler und Lieselotte Schoch. Heiko Rebsch

Edderitz - „Hast du noch einen Wunsch, Gisela?“ - „Ja, ein Igelbrot nehme ich noch mit.“ Sabine Rochow steckt das Brot in die Tasche der Kundin und kassiert. Gisela verlässt danach zufrieden den Laden in der Edderitzer Gottfried-von-Herder-Straße.

Sabine Rochow kennt ihre Kunden, mit den meisten duzt sie sich. Was ganz sicher an der langen Zeit liegt, die sie schon hinter dem Ladentisch steht. Seit nunmehr 18 Jahren arbeitet sie im Einkaufsmarkt, da entwickelt sich viel Vertrauen.

Kleine Läden auf dem Land sind eine echte Seltenheit geworden

Sabine Rochow ist schließlich darauf angewiesen, dass möglichst viele Menschen durch die Eingangstür in ihren Laden treten. Doch kleine Läden auf den Dörfern - das ist ein Vierteljahrhundert nach dem Aussterben von Konsum- und HO-Verkaufsstellen in den ländlichen Gebieten mittlerweile eine Besonderheit.

Sabine Rochow räumt auch ein, dass es schwer ist, sich gegenüber den großen Supermärkten zu behaupten. „Manche Kunden kommen nur, um das einzukaufen, was sie in der Kaufhalle vergessen haben“, äußert sie. Dennoch macht ihr die Arbeit viel Spaß, ist sie gern für ihre Kundschaft da. „Ich sehe halt zu, dass wir Sachen haben, die es nicht überall gibt und die aus der Region sind“, erklärt sie.

Sabine Rochow ist gelernte Fleischverkäuferin, hat 1981 und 1982 bei der damaligen Konsumgenossenschaft in Köthen ihre Ausbildung gemacht. Der erste Laden, in dem sie Wurst und Fleisch verkaufte, befand sich in der Köthener Ritterstraße, genau dort, wo heute „Beckers Bistro“ ist.

Sabine Rochow: Von der Mitarbeiterin zum eigenen Einkaufsmarkt

Danach ging es in einen Laden in Geuz. Nach Babypause und einem beruflichen Intermezzo bei der Saatzucht in Biendorf stieg Sabine Rochow wieder in den Einzelhandel ein. Sie wurde Mitarbeiterin im Einkaufsmarkt von Karin Hoffmann in Köthen in der Straße Am Wasserturm.

Frau Hoffmann hatte auf Wunsch des damaligen Edderitzer Bürgermeisters auch den Laden in Edderitz übernommen, in den Sabine Rochow im Jahre 1998 versetzt wurde. 2003 machte sie sich dann selbstständig und übernahm das Geschäft. Den Namenszug „Gustav Müller“ über der Eingangstür behielt Sabine Rochow bei, wohl aus Tradition. „Die Leute sagen noch heute, sie gehen bei Müllersch einkaufen“, sagt sie.

Ein vielfältiges Angebot - vor allem für die ältere Kundschaft

Es sind vor allem ältere Menschen, die nicht mehr so mobil sind und bei ihr einkaufen. Sie können aus einem bunten Sortiment wählen. Hausschuhe, Strumpfhosen, Scherzartikel, Geschenkartikel, eine breite Auswahl an Lebensmitteln, Brot und Brötchen, Getränke, Spirituosen - all das gibt es im Edderitzer Einkaufsmarkt, der der volkstümlichen Beschreibung „Tante-Emma-Laden“ alle Ehren machen würde.

Dazu betreibt Sabine Rochow seit kurzem einen DHL-Paketshop. Und Briefmarken für den MZZ-Briefdienst sind bei ihr auch zu haben.

Die Einzelhändlerin setzt auf Regionalität. Eier und Nudeln beispielsweise bezieht sie vom Hühnerhof Steuden, Milch und Frischkäse vom Hof Pfaffendorf, Gehacktes und Wurst von der Flepro Bernburg und den Gerlebogker Landwirten.

Da Sabine Rochow in Crüchern zu Hause ist, macht sie auf dem Weg zur Arbeit auch in Cörmigk bei der Mühle Lederbogen halt und nimmt frische Backwaren mit nach Edderitz. Honig bekommt sie von der Imkerei im Götschetal geliefert. Auch Backwaren der Köthener Stadtbäckerei Rödel sind im Angebot.

Auch spezielle Kundenwünsche werden erfüllt

Selbst einige Edderitz-Souvenirs hält Sabine Rochow bereit. Das sind kleine Likörfläschchen mit dem Aufdruck „Edderitz“ und Weinflaschen, für die ein eigenes Etikett gemacht wurde. Auch Ansichtskarten vom Ort gibt es. „Die habe ich in Köthen von Foto-Fritzsche machen lassen.“

Auf die Kundenwünsche eingehen - das ist für sie Verpflichtung. „Ob spezielle Eierlikörpralinen oder Diabetiker -Kondensmilch, ich versuche, all solche Dinge zu beschaffen“, sagt Sabine Rochow. Von Montag bis Sonnabend steht sie in ihrem Laden, Mitarbeiterin Annett Schönburg hilft stundenweise aus.

Der größte Teil des Waren wird angeliefert. Donnerstags fährt die Chefin immer zum Einkauf beim Großhandel. „Man muss ja auch selber sehen, was es so alles gibt.“

Groß geschrieben wird ebenso der Service. „Wer viel zu schleppen hat, dem bringe ich seinen Einkauf nach Hause.“ Auch Getränkekisten fahre sie mit dem Transporter zu den Kunden. Und wer beispielsweise erkrankt sei und nicht aus dem Haus könne, der brauche nur anzurufen. „Ich kümmere mich dann.“

Zeit für ein Gespräch mit den Kunden ist immer

Ihren Beruf mag Sabine Rochow auch deshalb, weil sie unentwegt mit Menschen in Kontakt ist, sich mit ihnen freuen und mit ihnen fühlen kann. „Oft kommen die Leute und wollen nur erzählen, was sie unbedingt mal los werden sollen. Die Zeit dafür nehme ich mir“, schildert Sabine Rochow. Dass sie nicht in Edderitz verwurzelt ist, sei in solchen Situationen schon von Vorteil.

Besonders toll sei die Stimmung immer sonnabends, wenn die Männer am Morgen kommen, um Frühstücksbrötchen abzuholen. „Da treffen sich die, die auswärts arbeiten und nur am Wochenende da sind oder die, die in der Woche keine Zeit zum Einkaufen haben.“ Ihr Geschäft ähnele dann einer Nachrichtenzentrale.

Auch am Heiligabend hat Sabine Rochow ihren Laden noch ein paar Stunden geöffnet. Seit Jahren beschenkt sie an diesem Tag ihre Kunden mit einer Kleinigkeit. Erst waren es Feuerzeuge und Stifte, jetzt sind es bunte, umweltfreundliche Stoffbeutel. „Wir wollen ja weg von den Plastiktüten“, sagt Sabine Rochow.

(mz)

Diese Edderitzer Spezialitäten gibt es nur im Laden von Sabine Rochow zu kaufen.
Diese Edderitzer Spezialitäten gibt es nur im Laden von Sabine Rochow zu kaufen.
Heiko Rebsch
Durch diese Tür geht es in den Edderitzer Einkaufsmarkt in der Gottfried-von-Herder-Straße.
Durch diese Tür geht es in den Edderitzer Einkaufsmarkt in der Gottfried-von-Herder-Straße.
Heiko Rebsch