Landgericht Magdeburg Landgericht Magdeburg: Tagesmütter streiten Misshandlung von Kindern ab

Magdeburg/MZ - Haben sie Unfassbares getan oder sind sie Opfer einer wie auch immer gearteten Kampagne? Die Anklage gegen zwei Magdeburger Tagesmütter liest sich wie eine Horrorgeschichte. Von einem „besonderen Erziehungskonzept“ ist da zum Prozessauftakt am Magdeburger Landgericht zunächst die Rede, davon, dass die Kinder so schnell wie möglich laufen, selbstständig essen und trocken werden sollten. Soweit normal. Die Methoden, die Petra F. (52) und ihre Tochter Katrin (28) angewendet haben sollen, klingen aber unglaublich. Aushilfen ihrer Tagespflege haben die Vorwürfe im Jahr 2011 erhoben.
Wenn die Kinder auf dem Töpfchen oder beim Essen weinten, sollen ihnen Toilettenpapier oder Taschentücher in den Mund gestopft worden sein. Einem Kind sei Erbrochenes in den Mund gesteckt worden. Mehrfach seien Kinder am Kopf aus dem Stuhl gezogen und ins Bett geworfen worden. Volle Windeln wurden ihnen laut Anklage ins Gesicht gedrückt. Ein Kind soll an den Haaren durch den Raum gezogen worden sein, weil es neben die Toilette gemacht hatte, eines mit dem Oberkörper in Urin gedrückt worden sein. Dazu kommen Schläge und Kniffe.
41 Fälle in den Jahren 2010 und 2011 listet die Anklage für Petra F. auf, 36 für die Tochter. Ursprünglich waren es mehr, einige wurden vom Gericht als Dauerdelikt zusammengefasst. Für die Kinder, so Staatsanwältin Barbara Schulte-Frühling, habe die Gefahr von Tod oder schweren Gesundheitsschäden bestanden. Die Frauen seien „zur Ausübung ihres Berufes ungeeignet“. Noch heute würden Kinder - damals ein bis drei Jahre alt - teilweise verängstigt und verstört sein, Schlafstörungen haben, sich dem Töpfchen verweigern.
Die Angeklagten indes streiten alles ab. „Ich kann nur sagen, das stimmt nicht“, so Petra F. Tochter Katrin betont: „Wir sind konsequent, hatten aber nie ein strenges Erziehungskonzept.“ 2009 hatte sich die Mutter, einst Hotelfachfrau, selbstständig gemacht, 2010 kam die Tochter, Ergotherapeutin, nach einem sechswöchigen Tagesmutterkurs dazu. „Es gab viel Lob“, sagt sie. Einzige Sanktion gegen Kinder seien fünf Minuten auf dem „ruhigen Kissen“ gewesen.
Welche Motive sonst die Frauen hätten haben sollen, die den Fall mit schweren Anschuldigungen ins Rollen brachten, wird Katrin F. gefragt. Wirklich erklären kann sie sich das nicht. Zwar gebe es keine Konkurrenz unter Tagesmüttern, „aber der Neid ist groß“. Eine der Frauen, sagt sie dann, habe wie die anderen als Vertretung in ihrer Tagespflegestelle arbeiten wollen, man habe sich aber letztlich gegen sie entschieden. Wenige Tage später sei das Jugendamt gekommen.
Auf die Glaubwürdigkeit dieser Zeuginnen, die nächste Woche aussagen sollen, wird es wohl im Prozess ankommen. Die Kinder können nicht befragt werden. Schlimmstenfalls drohen den Angeklagten bis zu 15 Jahre Haft. Ein Versuch der Stadt, ihnen die Pflegeerlaubnis zu entziehen, war zunächst gescheitert. Die Entscheidung ruht bis zum Urteil in diesem Prozess. Zuletzt haben die Frauen noch zwei statt zehn Kinder betreut, vorige Woche nur noch eins.

