Balkonaffäre weitet sich aus Landtagspräsident genoss Gratis-Loge zusammen mit seiner Frau - und einem weiteren Ehepaar
Rein dienstlich will Sachsen-Anhalts Landtagspräsident Gunnar Schellenberger am Abend des Roland-Kaiser-Konzerts in sein Büro gekommen sein. Jetzt kommt heraus: Von seinen Gästen hatte keiner eine offizielle Funktion.
Magdeburg - Die Affäre um Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU) und ein gratis angesehenes Schlagerkonzert weitet sich aus. Am Donnerstag räumte der Politiker erstmals ein, dass auch seine eigene Ehefrau zu den Gästen gehörte, die am Abend des 12. August vom Balkon des Präsidentenbüros aus die Show von Roland Kaiser angesehen hatten.
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Hinzu kamen ein weiteres Ehepaar und zwei Frauen, von denen offizielle Funktionen nicht bekannt sind. Von einer dieser Frauen hätte er nicht einmal den Namen nennen können, sagte Schellenberger am Donnerstagnachmittag auf Nachfrage in der Landespressekonferenz.
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Balkon-Affäre in Magdeburg: Ein rätselhaft spontanes Treffen
Gleichwohl beharrt der Politiker auf seiner Darstellung, Anlass der Zusammenkunft an einem Samstagabend sei eine dienstliche Besprechung zum Jubiläum des Magdeburger Max-Planck-Instituts gewesen. Um das Treffen zu diesem Thema habe ihn sein früherer Büroleiter Matthias Graf von der Schulenburg gebeten, sagte Schellenberger.
Auf Nachfrage konnte Schellenberger allerdings nicht sagen, in welcher Beziehung von der Schulenburg zum Max-Planck-Institut steht und in wessen Auftrag er handelte. Ihm sei die Bitte um ein Treffen „nicht ungewöhnlich“ vorgekommen, sagte Schellenberger.
Unklar ist zudem, warum das Treffen so kurzfristig und an einem Samstagabend notwendig war, wenn es um die langfristig planbare 25-Jahr-Feier einer wissenschaftlichen Einrichtung ging. „Das kann ich nicht beantworten“, sagte Schellenberger.
Roland Kaiser in Magdeburg: Landtagspräsident hört Konzert gratis
Den Ablauf schilderte er wie folgt: Er selbst sei gegen 19.45 Uhr im Landtag angekommen. „Meine Diensträume waren extrem aufgeheizt und dann wurde es mit Konzertbeginn natürlich auch sehr laut, sodass eine Fortsetzung des Gespräches nicht mehr möglich war.“
Er habe das Gespräch gegen 20.15 Uhr beendet, einige Teilnehmer hätten sich dann auf den Balkon gestellt. Auf Nachfrage erklärte Schellenberger, er habe das Kaiser-Konzert mit Gästen dann bis zum Ende angesehen. Dabei habe er auch alkoholische Getränke ausgeschenkt. Er halte das „für eine Frage der Höflichkeit“, sagte Schellenberger.
Ich habe gegenüber den Fraktionen und dem Ältestenrat versichert, dass Vergleichbares nie wieder vorkommt.
Landtagspräsident Gunnar Schellenberger (CDU)
Die neuen Aussagen widersprechen seinen früheren Angaben. Am 18. August hatte die MZ den Landtagspräsidenten gefragt, ob es sich bei der Zusammenkunft auf dem Balkon und in den Räumen des Präsidenten um ein privates Treffen gehandelt habe. Über seine Sprecherin ließ er am gleichen Tag ausrichten: „Herr Präsident hat in seinem Amtszimmer einen dienstlichen Termin wahrgenommen.“
Schellenberger gesteht Fehler ein und spendet an Kinderschutzbund
Resultate dieses Termins konnte Schellenberger am Donnerstag auf Nachfrage nicht nennen. Auch gebe es kein Protokoll der Runde. Schellenberger sagte, er bedaure, dass er die Gäste nach dem Abbruch der Besprechung nicht nach Hause geschickt habe. „Da gestehe ich ein, das war ein Fehler“, sagte er. „Für diesen Fehler möchte ich mich in aller Form entschuldigen.“
Für den – wie er sagte – „ungeplanten Vorteil“ des gratis angesehenen Konzerts habe er mittlerweile 600 Euro an den Kinderschutzbund Sachsen-Anhalt gespendet. Zudem gelobte Schellenberger Besserung. „Ich habe gegenüber den Fraktionen und dem Ältestenrat versichert, dass Vergleichbares nie wieder vorkommt.“
Rücktritt gefordert: SPD schweigt zum Fall Schellenberger
Die Landtagsfraktionen ziehen unterschiedliche Schlussfolgerungen aus den neu bekanntgewordenen Details. „Wir stehen voll und ganz hinter unserem Landtagspräsidenten“, sagte CDU-Fraktionschef Guido Heuer. Schellenberger habe aufgeklärt und sich entschuldigt. Die AfD vermied jede Kritik. „Ich halte nicht viel davon, politische Hetzjagden vorzunehmen“, sagte Fraktionschef Oliver Kirchner.
FDP-Fraktionschef Andreas Silbersack sagte, ein Rücktritt sei nicht notwendig, SPD-Fraktionschefin Katja Pähle lehnte eine Bewertung ab. Die oppositionellen Linken und Grünen forderten erneut Schellenbergers Rücktritt.
„Dass er uns alle für dumm verkauft und uns Lügen auftischt, ist für uns inakzeptabel“, sagte Grünen-Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. Ihre Amtskollegin Eva von Angern von der Linken sagte, Schellenberger habe seine Glaubwürdigkeit „vollständig verloren“.