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Künstlernachlässe Was bleibt von den Werken verstorbener Künstler?

Ob es ein Zentrum für Vor- und Nachlässe von Kunstschaffenden braucht, möchte der Berufsverband bildender Künstler herausfinden. Er hat dazu eine Umfrage gestartet.

Von Anja Falgowski 10.10.2024, 10:49
Schon archiviert in der Werkdatenbank des BBK: René Schäffers „Quadrat"
Schon archiviert in der Werkdatenbank des BBK: René Schäffers „Quadrat" (Abbildung: Werkdatenbank BBK Sachsen-Anhalt)

Halle/MZ - Eine „institutionelle Lücke“ gebe es in der Kunstlandschaft, hat der Berufsverband Bildender Künstler (BBK) Sachsen-Anhalt ausgemacht. Gemeint ist, dass bislang für die Vor- und Nachlässe von Künstlern kein Ort der Bewahrung – und damit verbunden: Würdigung, Erhalt, Erforschung – existiert. Als Nachlass bezeichnet der BBK den weitgehend vollständigen Bestand des Lebenswerkes einer Künstlerin oder eines Künstlers, der alle wichtigen Schaffensphasen repräsentiere. Einzelne Werkgruppen seien nicht gemeint.

„Museen sind dafür nicht zuständig, oder sie kaufen nur einige ausgewählte Werke. Archive sind für Schriftgut da“, sagt BBK-Geschäftsführerin Ruth Heftrig. „Generell gibt es in Deutschland so etwas kaum. Stiftungen und Kunstfonds kaufen in der Regel nur Werke von Künstlern mit nationaler Bedeutung. Ansonsten gibt es einige regionale Einrichtungen, das Künstlerarchiv Hamburg zum Beispiel.“

Alleinstellungsmerkmal

Würde in Sachsen-Anhalt ein Künstlernachlasszentrum entstehen, wäre dies also ein Alleinstellungsmerkmal in Deutschland. Tatsächlich hat das Bundesland eine reiche Kunstszene, auf die es stolz sein kann. Was aber, wenn ein Künstler verstirbt? Wohin mit den Arbeiten? Sind nachfolgende Generationen gewillt und in der Lage, alles aufzubewahren und, im Idealfall, für die Öffentlichkeit zugänglich zu halten?

Die Idee, ein Zentrum einzurichten zu genau diesem Zweck, wurde vom BBK schon vor längerer Zeit geboren, nun wird es konkret. Der Verband hat eine Umfrage gestartet, um zu eruieren, ob überhaupt Bedarf besteht und wohin die Vorstellungen der Künstler selber gehen. Die Umfrage ist Teil einer Studie, die der BBK noch bis Ende 2026 durchführt. Beteiligen können sich bildende Künstler und Nachlasshalter, was sowohl Erben als auch Museen und Archive umfasst.

Nach dem Start der Umfrage haben bereits einige Menschen den Fragebogen ausgefüllt. Ruth Heftrig ist zuversichtlich, dass noch viele folgen. Wie geht es dann weiter? Bislang, sagt die Geschäftsführerin, gebe es nur eine Ideenskizze. In den kommenden zwei Jahren solle aber neben der Bedarfsanalyse eine Konzeption erstellt und eine Machbarkeitsstudie vorgelegt werden. „Wir bohren da dicke Bretter“, sagt sie.

Bretter aber, die dem Land immerhin so wichtig sind, dass das Vorhaben es in den Koalitionsvertrag von 2021 geschafft hat. Mit 100.000 Euro finanziert Sachsen-Anhalt Studie und Konzeption komplett, zusätzlich zu den jährlich 60.000 Euro Unterstützung des Berufsverbandes und der Förderung einzelner künstlerischer Projekte.

Im Verborgenen

Dass viele wertvolle Schätze im Verborgenen schlummern, davon zeigt sich der Verband in seinem Ideenpapier überzeugt. Überfüllte Atelier- und Lagerräume bildender Künstler seien Folgen einer an sich positiven Entwicklung, nämlich der Zunahme der künstlerischen Produktivität seit der Mitte des 20. Jahrhunderts durch die lang anhaltende Friedensphase und die kulturelle Prosperität sowie die Demografie, die kreatives Arbeiten auch bis ins hohe Alter ermögliche. Die große Fülle an Arbeiten sei jedoch häufig nicht dokumentiert, es fehlten Listen, Karteikarten, Dateien und Fotografien. Die bedrohliche Lage für die Kunstwerke verschärfe sich durch unklare Regelungen im Todesfall der Künstler. „Die erste nachfolgende Generation“, sagt Ruth Heftrig, „hebt die Arbeiten vielleicht noch auf. Die zweite kann dann damit schon nichts mehr anfangen.“ Die Zerstörung von bedeutendem Kulturgut sei die Folge, so der BBK.

Ein „lebendiges Nachlasszentrum“ schwebt dem Verband nunmehr vor, ab 2030 könne es soweit sein. Eine fachgerechte Dokumentation und Lagerung, der Verleih von Kunstwerken, eigene Ausstellungen, eine Artothek und die Kooperation mit Bildungseinrichtungen schweben den Initiatoren vor. Zuständigkeiten und die weitere Finanzierung müssen freilich noch geklärt werden.

Positive Signale

Soll das Land eine federführende Position einnehmen? Andere relevante Akteure? Positive Signale seien bereits aus den Regierungsfraktionen und der Staatskanzlei zu vernehmen gewesen. Die Haushaltsverhandlungen der kommenden Jahre müssten zeigen, ob daraus handfeste Landtagsbeschlüsse resultierten, heißt es im Ideenpapier.

Einen ersten kleinen Aufschlag in Richtung Pflege von Kunstwerken hat der BBK übrigens schon mit seiner „Werkdatenbank Bildende Kunst Sachsen-Anhalt“ gemacht. Darin sind bislang 34 bildende Künstler, manche bereits verstorben, und 4.971 Werke dokumentiert.

Die Umfrage des BBK im Rahmen der Bedarfsanalyse richtet sich sowohl an Künstler als auch an institutionelle und private Nachlasshalter. Der jeweilige Fragebogen wird auf Wunsch auch per Post versendet.