Erstmals in Sachsen-Anhalt Saline-Museum in Halle zeigt Foto-Schau zur Industriekultur
Erstmals beleuchtet eine breit angelegte Ausstellung die 150-jährige Geschichte der Industriekultur in Sachsen-Anhalt. „Nach den Maschinen“ heißt sie.
Halle/MZ - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, Industrie und Landschaft, Architektur und Menschen, Glück und Trauer – alles miteinander verwoben, eines vom anderen abhängig. Die Ausstellung „Nach den Maschinen. Industriefotografie aus Sachsen-Anhalt“ zeigt das in einer großangelegten Schau mit mehr als 200 Fotografien an einem Ort, der passender kaum sein könnte: dem Saline-Museum in Halle, ein Industriekulturort mit langer Geschichte. Aufwendig saniert, ist schon das Ensemble mit Uhrenhaus und zwei Großsiedehallen ein bemerkenswertes Beispiel für Industriearchitektur und somit ein eigenes Exponat.
Maschinen und Menschen
Im Mittelpunkt steht nun aber „Nach den Maschinen“, abwechslungsreich präsentiert auf mehr als 800 Quadratmetern Fläche und die erste Ausstellung in Sachsen-Anhalt überhaupt, die sich des Themas in solcher Breite widmet. Sie ist ein Kooperationsprojekt von Salinemuseum, Halleschem Kunstverein und dem Heimatbund Sachsen-Anhalt. Gezeigt werden, verknappt gesagt, Abbilder der Industrie und der sie umgebenden Landschaft. Und der Menschen, die mit ihr gelebt haben oder das heute noch tun, zum Beispiel in den Bergwerken des Mansfelder Landes, im Schwermaschinenbau Magdeburg oder im Chemiedreieck Leuna-Buna-Bitterfeld. Aufgenommen von gut 40 Profi- und Amateurfotografen, dementsprechend vielschichtig sind sie – Kunst und Dokumentation gleichermaßen. Klassisch vorwiegend an Bildwänden präsentiert, aber – im hinteren Teil – auch auf überdimensionalen Würfeln und mit berührenden kurzen Filmen ergänzt.
Aufgebaut ist die Schau chronologisch und unterteilt in mehrere Abschnitte. Sie beginnt ab den späten 1920er Jahren, ins Auge sticht hier sofort das Werk Hans Finslers (1891–1972). Der Schweizer Künstler prägte an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein das „Neue Sehen“, revolutionierte damit gleichsam das Genre der Industriefotografie und prägte damit ganze Fotografie-Klassen. Sein künstlerisches Vorgehen zeigt sich deutlich, ebenso wie die anderer Fotografen in weiteren Abschnitten der Ausstellung. Wieland Krause etwa, Gert Schütze oder Jochen Ehmke, um nur einige Beispiele zu nennen.
Unbekannte Urheber
Aber dann sind da auch Aufnahmen, nicht weniger beeindruckend, deren Urheber unbekannt sind. Das Hochbauamt Magdeburg, dessen Grafikabteilung seinerzeit vom Bauhäusler Xanti Schawinsky geleitet wurde, hatte sich zum Ziel gesetzt, die Errungenschaften in Industrie und Städtebau der späten 20er, frühen 30er Jahre zu dokumentieren. Bilder vom Industriehafen, dem Schiffshebewerk Rothensee oder dem Schlachthof sind so entstanden. Unbekannt sind auch die Urheber der Fotografien der Zuckerfabrik Hötensleben, die besonders die einzelnen baulichen Komponenten in den Blick nimmt. Überhaupt fällt auf, dass die frühen Bilder vor allem die Architektur fokussieren – interessant genug – , während im Laufe der Jahre Menschen und Umgebung wichtiger werden.
Und damit interessant für alle: „Leuna in der NS-Zeit“ ist ein weiteres Kapitel benannt, es folgen die DDR-Zeit, der Umbruch, die Transformation. „Tag unter schwarzem Himmel“ hat Günther Ackermann eine Serie Mitte der 60er Jahre genannt, selbsterklärend die Motive. Ebenso wie die giftige Schlacke im Mansfelder Land oder die Schaumberge auf der Saale. Aber dann sind da auch ganz normale Leute: Kinder, in der Seifenkiste vor rauchenden Schornsteinen. Arbeiter in der Kantine. Geschmückte Mädchen vor düsterer Kulisse. Und dann, nach der großen Wende und dem Verschwinden vieler der Betriebe aufgenommen, die zerstörten Landschaften, das Lebensfeindliche geradezu. Und genau aus diesen Gegensätzen, dem Fluch und dem Segen der Industrie, speist sich die Faszination der Schau.
Größer als gedacht
Die, so erzählt es Projektleiter John Palatini, eigentlich kleiner gedacht gewesen und während der einjährigen Planung immer komplexer geworden sei. „Und sie soll noch weiter wachsen.“ John Palatini würde sich freuen, wenn weitere Aufnahmen hinzukämen. „Fotografie ist demokratisch“, sagt er. Das Thema sei niederschwellig, beleuchtet solle es nicht nur aus Beständen von Museen, Archiven und Künstlern werden, sondern auch aus Fotoalben und privaten Sammlungen. Aufnahmen von Betriebsfeiern, vielleicht auch maroden Fabriken, aus dem Arbeitsalltag der Leute schweben ihm vor. Die dürfen gerne im Museum abgegeben werden und könnten dann im hinteren Teil der riesigen Halle präsentiert werden.
Die Ausstellung läuft bis zum 15. Dezember im Salinemuseum, Mansfelder Straße 52 in Halle. Geöffnet Do–So 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei.