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Werkschau von Heinz Zander Reisender Romantiker

Unter dem Titel „Zeit und Traum“ zeigt das Angermuseum in Erfurt eine Werkschau des in Wolfen geborenen Malers und Grafikers Heinz Zander, der dieser Tage gestorben ist.

Von Joachim Lange 07.06.2024, 18:03
Heinz Zander: Selbstbildnis, 1981, Sammlung Angermuseum
Heinz Zander: Selbstbildnis, 1981, Sammlung Angermuseum (Foto: Urban)

Erfurt/MZ. - Es sollte eine Ausstellung zum 85. Geburtstag werden. Nun ist es die erste Werkschau nach seinem Tod. Der Leipziger Maler Heinz Zander starb am 15. Mai 2024, kurz nach der Vernissage im Erfurter Anger-Museum, an der er schon nicht mehr teilnehmen konnte. Die Schau unter dem schlichten Titel „Zeit und Traum“ umfasst 135 Werke aus Malerei und Grafik. Es beginnt mit dem für das spätere Werk ungewöhnlich politischen Vierteiler „Der anachronistische Zug“ von 1964. Das jüngste Ölbild ist ein Selbstporträt von 2023 mit dem Titel „Selbst mit Archaeopteryx“.

Einen Zander erkennt man auf den ersten Blick. Ganz gleich, ob Druck, Zeichnung oder Gemälde. Er macht immer den ersten Zug, punktet mit purer Farbigkeit und fantastischer Form. Danach ist der Betrachter am Zug. So wie die Spieler auf dem Ölbild „Gewitterschach“ (1983). Das ist zumindest auf dem Foto von Zanders Atelierwohnung zu sehen, das am Beginn der liebevoll gemachten Ausstellung seine Biografie flankiert.

Mit Heisig und Cremer

Dem ersten Wow-Effekt beim Hinschauen folgt das Nachschmecken der meist üppig rankenden Titel. Bei welchem Künstler haben Grafiken Namen wie: „Reisender Romantiker auf einem Abendspaziergang durch Arkadien“? Und bei wem sehen sie dann auch noch so aus? Verträumter Blick, schwungvoller Mantel, den breitkrempigen Hut keck auf die Seite geschoben, schreitet er in einer Landschaft über Stock und Stein, mit Baumgerippen und Ruinen im Hintergrund. Alles vom Feinsten. Diese hinreißende Strich-Ätzung von 1980 hatte einst die Galerie am Sachsenplatz in Leipzig editiert und unters Volk gebracht. Sie ist auch jetzt mit von der Partie.

Staunenswert produktiv war der 1939 in Wolfen geborene Künstler, der seit Ende der 60er Jahre als freischaffender Künstler in Leipzig lebte, allemal! Gelernt hat er – unübersehbar – von den alten Meistern, studiert bei Bernhard Heisig und als Meisterschüler in Berlin bei Fritz Cremer.

Dass Zander allein im Panoramamuseum Bad Frankenhausen zweimal ein wahres Fest der Farbe und der Fantasie zelebrieren konnte, war kein Zufall. Der Ausstellungsraum befindet sich zu Füßen des Bauernkriegspanoramas des obersten Manieristen der DDR-Malerei Werner Tübke. Auch Zander war ein Protagonist des Leipziger Manierismus, nicht im Schatten, sondern gleich neben Tübke. Bei dem Bogen, den diese Schau schlägt, kann man auch heute noch darüber staunen, wie unbeirrt da ein Meister auf den Nebenpfaden des Zeitgeschmacks vor allem dem Stern seiner Fantasie folgte. Er sah sich selbst als einen Solitär. Als einer, der dem Mainstream, gleich welcher Couleur, immer mit einem fröhlichen „Na und?“ entgegengetreten ist. Bei Zander findet sich rein gar nichts, was man als ein Zugeständnis an die Forderungen des realsozialistischen Tages relativieren müsste. Bei der Motiv- und Themenwahl nicht und schon gar nicht in der seiner künstlerischen Mittel. Das gilt auch für die beiden großen Erfurter Auftragswerke, dem Vierteiler „Das Tolle Jahr von Erfurt“ (1981) und dem „Luthertriptychon (Erzwungene Erlösung, Drohung, Faust und Mephisto)“, das ein Jahr später entstand.

Auch hier war unverkennbar ein Virtuose seines Faches am Werk, der die geforderte deutliche Parteinahme links und die Dogmen einer antirealistischen Moderne einfach rechts liegen ließ. Dieses beharrliche Ausweichen, ja Verschwinden in der eigenen Fantasiewelt war wohl auch ein bewusst gewähltes Verhältnis zur Gegenwart, das ihm manch einer zum Vorwurf gemacht hat.

Unter seinen vielen Selbstporträts ist „Zwischen den Inseln“ von 1999 eins der imposantesten. Man sieht den Künstler allein, aber sein Blick, seine Kleidung verraten, dass er nur Teil einer ganz eigenen Welt von Fabelwesen ist, die sich in einer Landschaft zusammenfinden, wie sie nur Zander erfinden und variieren konnte.

Nicht mit der Staffelei im Freien, eher beim Blick in den Teil der Bibliotheken mit den Märchen, Mythen oder Sagen. In den frühen Auseinandersetzungen mit der griechischen Antike, aber auch mit Kafka, Thomas Mann oder Brecht. Zander spinnt immer die Vorlagen als eigene Geschichten in seinen Bildern weiter und lässt sie opulent aufleben. Sie sind reichlich bevölkert und es ist jede Menge los. Sie fordern zum geistigen Mittanzen auf, ohne jedes Geheimnis preiszugeben. Selbst bei den zahlreichen Selbstporträts bleibt immer eine Aura des Rätselhaften.

Auftritt im Morgenmantel

„Im Tor zum Gartenhaus“ von 2010 steht Zander mit wehendem blauen Morgenmantel an einem halbgeöffneten Portal, berührt einen Vorhang hinter sich, scheint mit den Insekten zu seinen Füßen im Einklang und blickt zu uns in der schnöden Wirklichkeit. Mit dem Gartenhaus hat er untertrieben. Vielleicht ist es der Eingang zu jenem Reich der Fantasie, in dem er jetzt verschwunden ist?

Heinz Zander - Zeit und Traum: bis 28. Juli. Angermuseum, Erfurt, Di-So 10-18 Uhr. Katalog, 220 S., 30 Euro.