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Zum Tod von Gunther Emmerlich Warum Taxifahrer ihn „Der weiße Hirsch“ nannten

Gesamtdeutscher Bass für Bühne und Bildschirm: Der Dresdner Sänger, Entertainer und Saale-Unstrut-Weinbotschafter Gunther Emmerlich stirbt mit 79 Jahren.

Von Kai Agthe Aktualisiert: 21.12.2023, 13:42
Sänger mit Leib und Seele: Gunther Emmerlich hatte ein Herz für die „Zauberhafte Heimat“, so hieß seine  MDR-Show.
Sänger mit Leib und Seele: Gunther Emmerlich hatte ein Herz für die „Zauberhafte Heimat“, so hieß seine MDR-Show. (Foto: picture alliance / dpa)

Halle (Saale)/MZ. - Keine Frage, Gunther Emmerlich war ein Mensch mit vielen Talenten – und mit vielen Leidenschaften. Zu letzteren gehörte der Genuss von Wein, auch und vor allem von Saale und Unstrut.

Im Wissen um diese Vorliebe fragte der Freyburger Weinbauverband 2008 bei dem berühmten Sänger, ob er das Ehrenamt eines Weinbotschafters für die Region Saale-Unstrut übernehmen wolle. „Ich fühlte mich geehrt und habe nicht lange überlegt – eine weise Entscheidung“, sagte Emmerlich im März der MZ anlässlich seines 15-jährigen Amtsjubiläums.

Natürlich war es die Qualität des Weines aus dem südlichen Sachsen-Anhalt, aber die war es nicht allein, die ihn bewog, mit seinem bekannten Namen für diesen zu werben. Da war auch die Nähe zu seiner alten Heimat. „Meine Wiege stand nicht weit weg von den Weinpressen des Weinanbaugebietes Saale-Unstrut“, sagte Emmerlich, der 1944 im thüringischen Eisenberg geboren wurde.

Stimme wie im Radio

Von hier aus, unweit von Sachsen-Anhalt also, begann eine einzigartige deutsch-deutsche Sänger-Karriere, die den gern volkstümlichen Dresdner Bass mit den großen Opern- genauso wie mit den Fernsehbühnen verband.

Bis dahin war es ein langer Weg. Nach dem frühen Tod der Eltern bei seiner älteren Schwester aufgewachsen, folgte dem Abitur und einer bodenständigen Lehre als Betonbauer zunächst ein Ingenieurstudium in Erfurt, das er aber zugunsten eines Studiums für Operngesang in Weimar abbrach. Die Musik war ihm schon in jungen Jahren stets ein Begleiter. In seinem Buch „Fortgeschritten“ erinnert sich Emmerlich an einen Eisenberger Mitschüler, der ihm einst sagte: „Wenn du singst, klingt das wie im Radio.“

Aber bevor Rundfunk und Fernsehen auf ihn aufmerksam wurden, war Emmerlich auf der Dresdner Opernbühne zu erleben. Von 1972 bis 1992 gehörte er zum Ensemble der Semperoper, wo die Partie des Sarastro aus der „Zauberflöte“, die des Osmin aus der „Entführung aus dem Serail“ und die des Falstaff aus „Die lustigen Weiber von Windsor“ bald zu Paraderollen des Bassisten wurden.

Der wusste nebenher auch als Jazz-Sänger und Banjo-Spieler zu überzeugen, so etwa in der Semper-House-Band. Eine Vielseitigkeit, die nicht nur die Grenzen von U- und E-Musik spielend überwand, sondern überdies mit der Fähigkeit verbunden war, ein vorzüglicher Moderator zu sein.

Er wusste: „Singen beseelt“

Das erkannte auch das DDR-Fernsehen, für das er von 1987 bis 1990 die Show „Showkolade“ moderierte. Mit großem Erfolg: Die Zuschauer zwischen Arkona und Zittau wählten Emmerlich 1988 zum „Fernsehliebling“, und 1990 wurde der Ostler mit dem westdeutschen Fernsehpreis Bambi ausgezeichnet.

Emmerlich blieb auch nach der medialen Wiedervereinigung auf Sendung und moderierte von 1993 bis 2006 für den MDR die Sendung „Zauberhafte Heimat“. Der Ritterschlag für den Opernsänger Emmerlich war indes sein Debüt in der New Yorker Carnegie Hall an der Seite von Deborah Sasson im Jahr 2008.

In jenen Jahren entdeckte er auch das Schreiben für sich. 2007 erschien sein Buch „Ich wollte mich mal ausreden lassen“, gefolgt von „Zugabe“ (2010), „Spätlese“ (2016) und „Fortgeschritten“ (2020). Publikationen, in denen es Emmerlich versteht, Autobiografisches kurzweilig und stets selbstironisch mit Anekdotischem zu mischen.

„Wenn ich früher mit dem Schreiben begonnen hätte, wäre ich wahrscheinlich gar nicht zum Singen gekommen“, sagte Emmerlich noch in diesem Mai bei einer Lesung in Dessau. „Singen beseelt, im Idealfall die Zuhörer und den Sänger. Schreiben entlastet die Seele und man ist gezwungen – zumindest manches – bis zum Ende zu denken.“

Singen für Burda

Das Schreiben bot Emmerlich die Chance, so manche Schnurre aus seinem Künstlerleben zu erinnern. Im Buch „Fortgeschritten“ etwa beschreibt er, wie er zu einer Geburtstagsparty des Verlegers Hubert Burda (83) in München eingeladen war, um ihn und seine Gäste mit einem Ständchen zu erfreuen.

Vom Geburtstagskind danach gefragt, was er zu singen gedenke, antwortete Emmerlich: „Wenn ich einmal reich wär“ aus dem Musical „Anatevka“. Darauf der Multimilliardär Burda: „Nicht mein Thema, aber ich hör’s mir an.“

Emmerlichs Freund Helmut Markwort (87), Gründer des Nachrichtenmagazins „Focus“, soll lange Zeit geglaubt haben, der Dresdner Spitzname Emmerlichs sei der „Weiße Hirsch“. Denn immer, wenn der Journalist in Elbflorenz ins Taxi stieg, pflegte er zu sagen: „Ich will zu Gunther Emmerlich.“ Worauf die Fahrer sagten: „Ah, zum Weißen Hirsch“. Gemeint war das vornehme Wohnviertel, in dem der Sänger lebte, und nicht der Sänger selbst.

Ein Schatz aus Erfahrungen und Erlebnissen, so groß, dass er Emmerlich ein fünftes Buch zu schreiben beginnen ließ. „Ich schreibe einfach weiter, gehe mit offenen Augen durch die Welt“, sagte der Sänger im Mai. Doch nun sind diese wachen Augen für immer geschlossen.

Wie sein Manager am Mittwoch mitteilte, starb Gunther Emmerlich am Dienstag unerwartet im Alter von 79 Jahren zuhause in Dresden an Herzversagen. Eine Nachricht, auf die Emmerlichs Freund, der Schauspieler und Kabarettist Wolfgang Stumph mit Bestürzung reagierte.

„Es bricht mir das Herz, es ist unfassbar“, sagte der 77-Jährige. Erst kürzlich hatte der „Go Trabi Go“-Star mit Gunther Emmerlich über gemeinsame Vorhaben gesprochen.