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Kunstmuseum Magdeburg Grüße aus dem Atelier: „Der Käfig ist offen“

Dem 1986 von Ost nach West übersiedelten Maler Hans-Hendrik Grimmling widmetdas Magdeburger Kunstmuseum Kloster Unser Lieben Frauen eine Retrospektive.

Von Grit Warnat 27.09.2024, 16:15
„Über Stock und Stein“ nannte Hans-Hendrik Grimmling diese Acryl-auf-Leinwand-Arbeit.
„Über Stock und Stein“ nannte Hans-Hendrik Grimmling diese Acryl-auf-Leinwand-Arbeit. (Foto: VG Bild-kunst bonn, 2024)

Magdeburg/MZ. - Schwarz. Rot. Gelb. Weiß. Es sind kräftige Farben und eine starke Rhythmik, die dem Besucher im oberen Kreuzgang des Klosters Unser Lieben Frauen begegnen. Vor allem sind es Giganten, die an den Wänden des romanischen Gemäuers hängen. Der 1947 im sächsischen Zwenkau bei Leipzig geborene Hans-Hendrik Grimmling liebt dieses Großformatige. Vor allem aber steht sein Name für abstrakte Kunst. Seit Jahrzehnten schon.

Wichtige Frühwerke des Malers sind ausgestellt, bei anderen vermutet man beim Blick auf die Datierung, dass die Farbe noch nicht trocken sein kann. Die jüngsten Arbeiten stammen aus diesem Jahr, das älteste Bild von 1978.

Retrospektiven stehen für das Gesamtwerk, geben einen Blick auf die Entwicklung eines Künstlers. Grimmling malte schon in den 70er Jahren groß und kraftvoll. „Meine damalige Metaphorik hat sich durchs ganze Leben durchgezogen, durch Diktatur wie freie Gesellschaft. Ich habe den Begriff Freiheit immer aufs Neue untersucht“, sagt der Berliner und bleibt vor einer Arbeit mit Vogel stehen. Das Tier mit Schnabel und Gefieder als zeitlose Metapher. „Ich habe mich stets gefragt, ab wann das Leben frei ist“, sagt er.

Sinnliches Schwarz

Das Leben, so erzählt er weiter, sei wie ein Stollen. Es gehe ums Vorwärtsgraben. Er malte einen „Stollen der Hoffnung“. Tatsächlich aber müsse man in seiner eigenen Biografie erst einmal zurückschauen, um seine Formensprache zu verstehen, die Vorlieben für Verknotungen und Verschlingungen von Köpfen, Händen, Füßen. Eine Faust. Wer kämpft? Wer schwört – und was? Verfangen im Leben?

Er war im vierten Studienjahr, als ihm gesagt wurde: Du hast keinen Kontakt zur Arbeiterklasse. Die Botschaft, so erzählt er, überbrachte ihm Wolfgang Mattheuer, sein Lehrer Anfang der 70er Jahre an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Werner Tübke war damals Rektor – und Grimmling der Sozialistische Realismus fern. Er erzählt von seinen Kompromissen. Er wollte unbedingt das Diplom.

1984 war der heute 77-Jährige Mitinitiator des ersten und einzigen Leipziger Herbstsalons im Messehaus am Markt, ein Coup in der DDR, weil die organisierende Künstlergruppe geschickt das staatliche Kulturmonopol umschiffte. Da gehörten Repressionen längst zum nicht Republik-angepassten Künstlerleben. 1986 verließ Grimmling die DDR. Ein Neuanfang in West-Berlin. „Da begann ich, die Figur freier zu behandeln“, sagt er. So frei, dass sie fast in der Fläche verschwand. Nichts blieb von der DDR-behafteten Figurenmalerei. Zu dieser Zeit, so zeigt eine Arbeit, ist der Soldat eine Fläche. Helm und Gesicht im Abstrakten. Alles in Schwarz. Und riesig. „Schwarz ist für mich genauso sinnlich wie Rot“, sagt der Maler. Jahre später und einen Gang weiter in der Ausstellung wechseln die Farben wieder. Und der Vogel taucht erneut auf.

Grimmling, der viele Jahre an der Berliner Technischen Kunsthochschule lehrte, von 2006 bis zur Emeritierung 2017 als Professor, hat vor 30 Jahren schon einmal im Magdeburger Kunstmuseum ausgestellt.

Im Fluss der Zeit

Jetzt ist ihm eine Retrospektive gewidmet. Die vier Kapitel gehen im Zuge der Chronologie fließend ineinander über. Zwischendrin kann man sich Zeit nehmen für Videos. Der gesprächsfreudige Grimmling bei YouTube. Die Grüße aus dem Atelier passen zu seinem Werk, zu seinem Leben: „Der Käfig ist offen“.

Ausstellung Hans-Hendrik Grimmling bis 12. Januar im Kunstmuseum Magdeburg. Di-Fr 10 bis 17 Uhr, Sa und So 10-18 Uhr.