Scheper-Räume im Schloss Oranienbaum werden restauriert Bauhaus trifft Barock
Die von Hinnerk Scheper in den 1920er Jahren gestalteten Schauräume im Schloss Oranienbaum sollen bis 2027 als Galerie neu gewonnen werden.
ORANIENBAUM/MZ - Farbe in die Städte zu holen, das war ein Wunsch in den 1920er Jahren. Mehr Farbe für die Fassaden, mehr Farbe für die öffentlichen Innenräume. Weg von den grauen, bestenfalls backsteingelben oder ziegelroten Flächen. Der Architekt Bruno Taut, der Magdeburg Anfang der 1920er Jahre den Ruf der „Bunten Stadt“ eintrug, brachte es hier zu großer Könnerschaft. Aber auch der Farbgestalter Hinnerk Scheper (1897-1957) machte sich einen Namen.
In Nachfolge von Wassily Kandinsky leitete der gelernte Maler von 1925 an die Werkstatt für Wandmalerei am Bauhaus, das der aus Halle stammende Kunstwissenschaftler Ludwig Grote mit in die Hauptstadt des Freistaates Anhalt gezogen hatte. Als Direktor der 1927 neu geschaffenen Anhaltischen Gemäldegalerie engagierte Grote den Bauhausmeister, um, erstens, die Fassade des Palais Reina zu gestalten, in dem die Galerie ihren Ort fand, und, zweitens, neben einigen Schauräumen die eigene Dienstwohnung farblich zu fassen, die als eine Art Bauhaus-Musterwohnung diente.
Farbe für die Stadt
Das Palais, das etwa an der Stelle stand, an der sich heute das Bauhaus Museum Dessau befindet, tauchte Scheper in ein auffälliges Neapelgelb, ein Umstand, der für viele Diskussionen sorgte. Es blieb nicht der einzige Einsatz des Bauhäuslers. Farbe wurde in die Stadt gebracht: unter anderem in das sogenannte Teehäuschen im Stadtpark, ins Museum für Naturkunde und Vorgeschichte, ins Theaterkaffee am Hoftheater – und ins Schloss Oranienbaum.
Das 1927 aus dem Eigentum der herzoglichen Familie in das des Freistaates übergangene Barockschloss war der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und mit einer Nutzung zu versehen. Der Vorschlag, dem Platzmangel der Anhaltischen Gemäldegalerie zu begegnen, indem im Schloss eine Filial-Galerie eingerichtet wurde, erschien als nützlich.
Einmal mehr war es Hinnerk Scheper, der die Farbfassungen der Räume entwarf, in denen altniederländische und altdeutsche Gemälde aus den Beständen der Amalienstiftung und der Joachim-Ernst-Stiftung gezeigt worden sein sollen; an letztere war das Schloss 1934 übertragen worden. Anfang der 1930er Jahre, der genaue Zeitpunkt ist unbekannt, nahm die Filialgalerie in Oranienbaum ihren Betrieb auf, der vor 1945 endete. Was die Rote Armee vor Ort an Bildern auffand, ist bis heute verschwunden.
Aber die von Scheper gestalteten Räume sind noch da. Ein kulturhistorisches Pfund, mit dem jetzt gewuchert werden soll. Am Dienstag lud die Nachfolgestiftung der Joachim-Ernst-Stiftung – die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz – in das Schloss Oranienbaum, um die Übergabe der schriftlichen Förderzusage der Ostdeutschen Sparkassenstiftung mitzuteilen, die nun die Restaurierung der Scheper-Farbfassungen und die Neueinrichtung einer Filiale der Anhaltischen Gemäldegalerie ermöglichen soll. Dass Schloss Oranienbaum „ein Schatz“ sei, das von verschiedenen „Zeitschienen“ durchlaufen werde, erklärte Robert Hartmann, der Chef der Abteilung Baudenkmalpflege der Stiftung. Und jetzt, sagte er, solle die Bauhaus-Schiene sichtbar gemacht werden.
Hellgelb, Blaugrau, Rosé
Nach heutiger Kenntnis sind insgesamt neun Räume im Erdgeschoss und sieben im Obergeschoss von Scheper gestaltet worden, von denen fünf im unteren und drei im oberen Geschoss noch ihre ursprüngliche 1920er-Jahre-Fassung besitzen – die übrigen sind zwischenzeitlich übermalt worden. Die auf der Grundlage eines pflanzlichen – nicht wie zuvor tierischen – Leims hergestellten Farben tauchen die Räume – über grau gestrichenen Paneelen – in Töne wie Rosé, Hellgrau, grünliches Hellgelb, Blaugrau oder Grau, zarte, an das 18. Jahrhundert anschlussfähige Farben.
Es sei „erstaunlich, wie behutsam“ Scheper vorgegangen sei, sagte Alexander Salomon, Stiftungsreferent der Sparkassenstiftung. Die sei „gerne dabei“ bei dem Projekt der Rückgewinnung der Galerie. Allein 350.000 Euro werde die Restaurierung der Farbfassungen kosten. Die soll im nächsten Jahr vollzogen werden.
Vorzeigbar zum Bauhaus-Jahr
Die künftig im Obergeschoss zu präsentierende Galerie könnte – so sieht es der vorläufige Entwurf vor – vornehmlich Bilder der „Oranischen Erbschaft“ der aus Den Haag stammenden Dessauer Fürstin Henriette Katharina (1637-1708) präsentieren, die 1659 nach Anhalt heiratete. Die Schauräume würden demnach den Festsaal fassen, der als „Oraniersaal“ Porträts aus der Oranischen Familie zeigen würde sowie die vier Scheper-Räume hin zum Ehrenhof und die zwei mit klassizistischem Schmuck ausgestatteten Kabinette hin zu den Seitenflügeln. Wie mutmaßlich bereits in der Fürst-Franz-Zeit sollen letztere mit Grafik ausgestattet werden.
Im Jahr 2025, zur 100. Wiederkehr der Bauhaus-Ansiedlung in Dessau, sollen die restaurierten Scheper-Räume zunächst ohne Bilder gezeigt werden. 2027, zum 100-Jahr-Jubiläum der Anhaltischen Gemäldegalerie, könnten dann die Bilder einziehen. Vorausgesetzt, notwendige Innenausbauarbeiten sind abgeschlossen. Und das Klima der Räume ist kunsttauglich. Gewonnen würde ein Kunstwerk im Kunstwerk: Der Restaurator Marko Hersel führte mit Malproben und Werkzeugen vor, dass Scheper aus nur drei Grundfarben seine variantenreichen Farbtöne mischte.
Ende 1945 erst zum Denkmalpflege-Chef von Berlin, dann von West-Berlin berufen, hielt sich Hinnerk Scheper von 1945 bis 1947 letztmals mehrfach in Dessau auf, das er Ende 1932 verlassen hatte. Noch einmal lieferte er Farbfassungen: für den zum Interimstheater umgebauten Kristallpalast und für einige Räume des teilzerstörten, 1949 neu eröffneten Theaters. Kenntlich sichtbar überkommen aber sind allein die Scheper-Galerieräume in Oranienbaum – damals und künftig eine der kulturhistorisch interessantesten Begegnungen von Bauhaus und Barock in Anhalt.