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Berliner Ensemble Am Berliner Ensemble: ein Spiel um das ganze Leben

Frank Castorf adaptiert Falladas „Kleiner Mann, was nun?“ in Berlin.

Von Andreas Montag Aktualisiert: 18.09.2024, 17:26
Andreas Döhler in "Kleiner Mann, was nun?", einer Inszenierung von Frank Castorf am Berliner Ensemble.
Andreas Döhler in "Kleiner Mann, was nun?", einer Inszenierung von Frank Castorf am Berliner Ensemble. (Foto: Imago/Martin Müller)

Berlin/MZ. - Am Ende mischt sich, wie nahezu immer bei Inszenierungen von Frank Castorf, Begeisterung mit leichter Ermattung. So ist es auch dieses Mal am Berliner Ensemble, wo der Regisseur jetzt seine Fassung von Falladas Roman „Kleiner Mann – Was nun?“ heraus gebracht hat. Nach reichlich fünf Stunden ist man zwar „geschafft“, aber eben auch um ein paar großartige Bilder zu Castorfs Geschichts- und Weltverständnis reicher.

Mit Falladas Bestseller, der ein Jahr vor dem Ende der krisengeschüttelten Weimarer Republik erschien, hat sich der Regisseur ein exemplarisches Stück Literatur aus dramatischer Zeit vorgenommen.

Autor auch als Protagonist

Er gibt sich dabei natürlich nicht mit der Romanhandlung um den rechtschaffenen, gebeutelten Verkäufer Johannes Pinneberg und dessen Frau Emma, genannt Lämmchen zufrieden. Vielmehr verknüpft Castorf deren Geschichte mit der des gleichzeitigen Protagonisten, des Autors Hans Fallada (1893-1947). Der war bis zuletzt nicht von den Drogen losgekommen. Anhand seiner Figur spiegelt Castorf das 20. Jahrhundert: den Traum von einer besseren Welt unter der Roten Fahne, den spanischen Bürgerkrieg wie die Rivalität zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten, die den Nazis in die Karten spielt. Und den Krieg.

Auch Heiner Müller, der große analytische Chronist, wird bemüht. Auszüge aus dessen Text „Die Schlacht“ grundieren das Zeit- und Sittengemälde Castorfs. Dabei glaubt der langjährige Intendant der Berliner Volksbühne, inzwischen 73 Jahre alt, wie einst auch Müller insgeheim an eine bessere Welt.

Der kleine Trompeter

Viel, atemberaubend viel gibt er dafür zusammen. Der kleine Trompeter Fritz Weineck taucht auf, Manfred Krugs zartes Liebeswerben neben revolutionären Gesängen. Und Ton Steine Scherben mit „Keine Macht für Niemand“ kommen auch zu Ehren. Ein Reigen der trotzigen Hoffnung in düsteren Zeiten. Bunt, schrill, komisch und ehrlich bis in die Ratlosigkeit. Castorf zaubert zwar, mit allem was er kann. Aber er täuscht bei allem, was er weiß, doch nicht vor, dass er es besser wüsste als unsereins. Und sein Ensemble, allen voran Artemis Chalkidou und Andreas Döhler, spielt, als gelte es das Leben.