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Kulturkampf in Sachsen-Anhalt AfD gegen Bauhaus: Angriff mit Ansage

Mit einem Antrag zum Jubiläum 100 Jahre Bauhaus in Dessau attackiert die AfD das Welterbe als einen „Irrweg der Moderne“. Die Stiftungs-Direktorin Barbara Steiner antwortet.

Von Christian Eger 24.10.2024, 10:09
„Menschenfeindliche“ Architektur? Haupteingang des von Walter Gropius entworfenen Bauhaus-Gebäudes in Dessau von 1926
„Menschenfeindliche“ Architektur? Haupteingang des von Walter Gropius entworfenen Bauhaus-Gebäudes in Dessau von 1926 (Foto: Imago/Depositphotos)

DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Kalendertechnisch ist die sachsen-anhaltische AfD hellwach. Kaum ein kulturhistorisches Jubiläum mit Strahlkraft wird ausgelassen, um es nicht für die eigenen Ziele zu gebrauchen. Dazu dienen Landtagsanträge, verfasst aus Anlass einer Sache, die landesweit Aufmerksamkeit verspricht.

So war es im April, als die AfD den 250. Geburtstag des berühmtesten deutschen romantischen Malers nutzte, um das Land aufzufordern, einen „Caspar-David-Friedrich-Preis für deutsche Malerei“ auszuloben. Einen Preis, der den kulturellen „Einebnungstendenzen“ der „Globalisten“ begegnen solle. Denn – und man muss es einfach zitieren – „wenn es so etwas wie eine spezifisch deutsche Malerei nicht mehr gibt, dann ist das ein Verlust wie das Aussterben einer Tierart“, behauptete Antragsteller Hans-Thomas Tillschneider.

In der Debatte, die zur Ablehnung des Antrags führte, wurde das Bauhaus bereits erwähnt. Sich darauf zu berufen, rief der AfD-Redner, sei typisch für eine Politik, „die keinen Sinn für das Schöne mehr hat“. Das Bauhaus sei „von einer abgrundtiefen Hässlichkeit und hat Bausünden verbrochen; es ist unerträglich anzuschauen.“

Nähe zum Kommunismus?

Es konnte nicht das letzte Wort gewesen sein. 2025 jährt sich zum 100. Mal die Ansiedlung der berühmtesten Designhochschule des 20. Jahrhunderts in Dessau, im Jahr darauf die Einweihung des heute ikonischen Schulgebäudes. Willkommener Anlass für einen AfD-Antrag, der am Freitag im Landtag diskutiert werden soll.

Überschrieben ist das Papier mit der Zeile „Irrweg der Moderne – für eine kritische Auseinandersetzung mit dem Bauhaus“ (die MZ berichtete). Der Landtag soll beschließen, das Jubiläum ohne „einseitige Glorifizierung des Bauhaus-Erbes“ zu gestalten, dieses vielmehr „kritisch“ zu „beleuchten“.

Aus welchen Winkeln die Beleuchtung erfolgen soll, markieren vier Punkte: „historische Bausünden“, „fragwürdige Werte“, „ideologische Hintergründe“ und „globale Verwertung als Einheitsbrei“. Oft Behauptungen, die – frei nach Karl Kraus – in ihrer Verknappung so falsch sind, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist. Aber darauf kommt es nicht an. Wichtig ist, was oben steht: „Irrweg der Moderne“.

In einem Bundesland, das sich – nicht zuletzt im Blick auf das Bauhaus – den Slogan „modern denken“ gegeben hat, ist das eine Ansage. Andererseits: Sollte man diesen Aufruf nicht einfach auf sich beruhen lassen? Als das vielzitierte Hölzchen, das zu überspringen, die AfD die demokratische Öffentlichkeit nur nötigen will?

Die Forschung ist längst weiter als der Antrag. In seiner Ästhetik der Funktionalität war und ist „das Bauhaus“ anschlussfähig in viele politische Richtungen; auf eine einseitige Nähe zum Kommunismus ist es, wie die AfD im Blick auf den Bauhausdirektor Hannes Meyer unterstellt, nicht zu reduzieren. Von den nach 1933 in Deutschland gebliebenen 569 Bauhäuslern waren 188 nachweislich Mitglieder der NSDAP, 15 traten der SA, 14 der SS bei. Verfolgt wurde nicht die Zugehörigkeit zur Schule, sondern eine jüdische Herkunft oder ein linkes Engagement. Zahlen, die in der kürzlich in Weimar gezeigten Schau „Bauhaus und Nationalsozialismus“ erörtert wurden, der die Stiftung Bauhaus zugearbeitet hatte.

Worum also geht es hier? Was ist von dem Antrag zu halten? „Er ist ein Irrtum, inhaltlich“, sagt Barbara Steiner, die Direktorin der Stiftung Bauhaus Dessau. Denn eine „einseitige Glorifizierung des Bauhauses“ sei in der Stiftung nie betrieben worden. Anderseits sei der Antrag wiederum auch „kein Irrtum“, nämlich in politischer Hinsicht: Hier gehe es nur darum, AfD-Aufmerksamkeit zu erzeugen – im Hinblick auf die kommenden Landtagswahlen. Die mediale Aufmerksamkeit ist denn auch garantiert. Presseanfragen fliegen in der Stiftung aus vielen Richtungen ein. Barbara Steiner hat zu diesem Zweck ein Statement verfasst, in dem sie die Punkte des AfD-Papiers abarbeitet.

Als „menschenfeindlich“ begriffener „Bauhaus-Stil“? „Das Bauhaus hat selbst keinen Stil hervorgebracht“, erwidert Steiner, „es ist herausragender Teil einer größeren Bewegung des Neuen Bauens und der Neuen Sachlichkeit.“ Hier sei es darum gegangen, einen „sozioökonomischen Anspruch, qualitätvollen, leistbaren Wohnraum für so viele Menschen wie möglich zu schaffen.“ Das Etikett des „sogenannten Bauhaus-Stils“ sei der Schule gegen eigene Intentionen „von außen angeheftet und gepflegt“ worden, „indem bestimmte selektive und formale Aspekte als typisch Bauhaus“ benannt worden, andere völlig aus dem Blick verschwunden seien. Zu diesen Fehlstellen arbeite man seit Jahren.

Uralte Moderne-Kritik

„Negative Entwicklungen“? Die hätten im Bauen „wesentlich mit einer Industrialisierung des Bauens selbst zu tun – in Ost und West“, antwortet Steiner. „Menschenfeindliche Architektur“ sei daher eher der Ausdruck einer Rationalisierung und Ökonomisierung. Zu diesen negativen Entwicklungen werde im Bauhaus seit seiner Wiedereröffnung als Zentrum für Gestaltung 1987 gearbeitet. Das treffe auch auf die „Kritik an der Moderne“ zu, die seit dem 19. Jahrhundert zu finden sei.

Und Hannes Meyer? Er „stand in seiner Zeit und ist auch ein Kind seiner Zeit (wie andere auch)“, erklärt die Direktorin. „Es war eine Zeit des großen politischen Ringens verschiedener Ideen, politischer Entwürfe von Zukunft und Ordnungen, die daraus hervorgehen sollten. Meyer war einer von drei (historischen) Bauhaus-Direktoren, die unterschiedliche programmatische Schwerpunkte verfolgten.“ Seit Jahren werde Meyers Wirken erforscht und mit diesem der Einsatz „der sich kommunistisch verorteten Studierenden“ – „genauso wie das Wirken der Bauhäusler im Nationalsozialismus.“ Kurzum, die von der AfD geforderte „tiefere Auseinandersetzung mit der Bauhaus-Bewegung“ sei der Stiftung „Antrieb und Ansporn“ – und nicht zuletzt Stiftungsauftrag.

Wie also weiter? Die Landtagsdebatte wird wohl eher schlank ausfallen. Die Medien-Aufmerksamkeit hingegen nicht. Und sie wird bis in das Doppel-Jubiläum hinein nicht abreißen. Für die Stiftung muss das kein Nachteil sein.