Letztes Stadionkonzert von Peter Maffay Emotionaler Abschied in Leipzig: „Ab heute für die Ewigkeit“
Mit der Harley auf die Bühne: Peter Maffay beendet in Leipzig vor 38.000 Menschen seine letzte große Tournee. Da bleibt kein Handy dunkel und kein Auge trocken.
Leipzig. - Knatternde Geräusche, die Leinwand zeigt verlassene Straßen und Sonnenuntergangs-Romantik, auf dem Schild steht „Leipzig“. Und aus dem Staub kommt die Erlösung: Eine ganze Bande in Lederkluft nähert sich der Stadt, unter den Hintern der motorisierte amerikanische Traum: Eine Harley-Davidson. Freiheit ist ein großes Wort!
Ein heißer Samstagabend, das ausverkaufte, mit gut 38.000 Menschen gefüllte Leipziger Stadion vibriert. Noch während der 74-jährige Peter Maffay kurz vor 20 Uhr live und wahrhaftig – und ohne Helm – auf einer Harley zur Bühne jagt, zoomt der Einspieler auf der Leinwand ins Konterfei des Anführers.
Verheißungen, Heroisierungen und das Spiel mit einer ausbalancierten Männlichkeit bringen die Arena zum Kochen: Maffay zuckt unter der Sonnenbrille mit den Mundwinkeln – herausfordernd, verschmitzt, überlegen. Der Chef ist da! Seid ihr bereit?
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Peter Maffay beendet Abschiedstournee in Leipzig
Auf der echten Bühne angekommen, funkeln seine braunen Augen unter dem graumelierten Haar. Unter der weißen Weste die nackte Brust, die muskulösen Oberarme liegen frei – sie zeigen Tattoos, Kraft und den Zahn der Zeit. Kaum vom Gefährt gesprungen, setzt man auf Überwältigung, die Band pumpt dröhnenden Rock ins Rund. Schlager und Schnulzen, Balladen und Evergreens, Pop und Instrumenten-Soli. Das üppige musikalische Besteck.
In „Schatten in die Haut“ heißt es: „Für einen Easy Rider / Da ist der Highway nie zu Ende.“ Zeilen, die keinen Literaturnobelpreis verdienen, aber die Klammer des Abends bilden: Maffay gibt sein letztes großes Konzert, ein kompletter Rückzug ist es nicht. Ein sich schließender Kreis: In Leipzig hatte er 1990 das erste Stadionkonzert gespielt. Zeit, für persönlichen Stolz. Maffay aus der Hüfte: „Wenn ich mich so umschaue, sehe ich drei Generationen. Sogar jugendliche Quereinsteiger, die von ihren Eltern traumatisiert wurden.“
Als er gemeinsam mit seinem Sohn Yaris Makkay, mit Charlie Klauser, Leon Taylor und Linda Teodosiu, die am Mikro unterstützen, den Song „Du“ (1970) intoniert, flattern „Bravo“-Titelbilder von der Leinwand: Maffay, der Medienstar und Zeitzeuge.
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Abschiedstournee: Peter Maffay bei letztem Konzert in Leipzig gerührt
Mit „Eiszeit“ (1982) erinnert er ans atomare Wettrüsten: „Das ist jetzt wieder Thema. Wir sollten an die Entscheidungsträger den Appell schicken, dass sie mit Herz und Verstand arbeiten müssen – und nicht mit Waffen! Diese Aufrüstung, die über unsere Köpfe hinweg geschieht, dürfen wir unseren Kindern nicht antn!“
Der Publikumschor stimuliert die kollektive Gänsehaut, spontane „Oh, wie ist das schön“-Gesänge überraschen Maffay sichtlich gerührt. Klassiker wie „Und es war Sommer“ (1976) halten dem Sterben im Dienste einer Nation, im Auftrag der Rüstungsindustrie, universelle Bedürfnisse entgegen: Nackte Schultern und langes Haar, flirrende Luft und Verlegenheiten, die sich in der Nacht am Strand durch menschliche Zuneigung in Wohlgefallen auflösen. Glück in seiner reinsten Form blamiert das Säbelrasseln am besten.
Und Glück wird größer, wenn man es teilt: Begrüßt werden die Gäste Johannes Oerding und Anastacia, die auch eigene Songs vorstellen. Als Botschafter der „Deutschen Postcode Lotterie“ überreichte Maffay dem Verein „Elternhilfe für krebskranke Kinder Leipzig“ stolze 100.000 Euro. Nur von einer bessern Welt singen, kann fast jeder.
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Peter Maffays Abschiedskonzert in Leipzig: Fans singen „Oh, wie ist das schön“
Als die Dunkelheit mit sanften Händen den Sommertag umschließt, als das Lied „Nessaja“ vom inneren Kind erzählt, das abzutöten den eigenen Untergang besiegelt, verwandeln Handy-Lichter die Arena in ein Glühwürmchen-Meer, im weiten Rund kullern Tränen.
Beim Karat-Cover „Über Sieben Brücken musst du gehen“ (1978) zeigt die Leinwand, wie die Menschenmassen 1989 auf der Berliner Mauer saßen. Maffay verstummt, das Publikum singt, der besondere Zauber dieser Minuten ist auch ein Ritterschlag für jene Poesie, die so nur in Ostdeutschland entstanden ist.
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Und immer wieder diese „Oh, wie ist das schön“-Chöre. Maffay hat ein Stadion angezündet. Er könnte einfach nur stehenbleiben, es würde sich von selbst in die Nacht singen. Die Zugabe „Sonne in der Nacht“ lässt den Verstand den Verstand verlieren, „Körper ergeben sich nur dem Gefühl“ heißt es da passend. Im letztem Song „Mein Wort“ wird es programmatisch: „Ab heute für die Ewigkeit / War das für immer unsre Zeit“.
Und dann ist der letzte Tournee-Ton gespielt, Maffay ringt um Fassung, die Gitarre wird abgelegt, zwei Wörter müssen reichen, danach schweigt er: „Das war’s.“ Eine große Szene: Der Boss kämpft um Selbstkontrolle, derweil landen tonnenweise Hände, Ermutigungen und Danksagungen auf seinen Schultern. Alles fast zu viel, um von einem Menschen getragen werden zu können. Also steigt Maffay auf die Harley und düst mit Wind im Haar in die Nacht. Ein würdiger Abgang. Chapeau!