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Kita-Streik in Dessau-Roßlau Kita-Streik in Dessau-Roßlau: Flugblatt beleidigt Streikbrecher

Von Johannes Dörries 19.05.2015, 19:23
Rund 3.000 Erzieher haben gestern in Leipzig demonstriert. Es war die zentrale Kundgebung für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
Rund 3.000 Erzieher haben gestern in Leipzig demonstriert. Es war die zentrale Kundgebung für Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. dpa Lizenz

Dessau-Roßlau/Leipzig - „Wo andere das Herz haben, trägt er eine Geschwulst räudiger Prinzipien.“ Und: „Nachdem Gott die Klapperschlange und den Vampir geschaffen hatte, blieb ihm noch etwas abscheuliche Substanz übrig, und daraus machte er einen Streikbrecher.“ Diese Sätze des US-Autors Jack London (1876 - 1916) stehen in dem kurzen Text eines Flugblattes mit dem Logo der Gewerkschaft GEW, das am Montag in Dessau-Roßlau verteilt worden ist. „Von Erziehern, die der GEW angehören“, teilte ein Dessauer , der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, gestern der MZ mit.

Nun hat die Gewerkschaft ein Problem. Der GEW-Landesverband hat sich einerseits auf seiner Internetseite flugs von dem provozierenden Papier distanziert und es als „Fälschung“ bezeichnet. GEW-Sprecher Alexander Pistorius kann andererseits nicht ausschließen, dass das Flugblatt mit dem vor etwa 100 Jahren entstandenen Text Jack Londons von „Ehrenamtlichen vor Ort“ verteilt worden ist. Schließlich war der Text bis vor einigen Jahren in den Streikunterlagen der Gewerkschaft enthalten.

Hintergrund der Debatte

Hintergrund der Debatte über Streikbrecher ist der unbefristete bundesweite Streik, mit dem die Erzieher in kommunalen Kitas derzeit ihre Tarifforderungen durchzusetzen versuchen. Streikbrecher sind laut GEW dabei Erzieher, die nicht im Rahmen eines vereinbarten Notdienstes arbeiten - wenn also eine Kita ohne Unterstützung der Gewerkschaft öffnet.

Der Flugblatt-Text von Jack London ist bis vor einigen Jahren bei Streiks von der GEW eingesetzt worden. „Nach langen Diskussionen“ sei er dann aus den Veröffentlichungen verbannt worden, sagte Pistorius. „Man sollte nicht die Leute beleidigen, die sich entscheiden, bei den Kindern zu bleiben.“ Differenzen sollten im Gespräch gelöst werden. Pistorius geht davon aus, dass der London-Text künftig „nicht mehr in Umlauf kommt“.

„Kein offizielles Dokument“

Der GEW-Sprecher ist zugleich um Schadensbegrenzung bemüht. Die Flugblatt-Aktion werde auf jeden Fall nach Ende der Tarifauseinandersetzung „ausgewertet“. Klar sei, dass die Veröffentlichung „kein offizielles Dokument der Streikleitung ist“, sagte er. „Es gibt bessere Wege, auf die Leute zuzugehen.“ Und in der Stellungnahme des Landesverbandes heißt es versöhnlich: „Jedenfalls sind wir ausdrücklich nicht der Auffassung, dass Streikbrecher ,von Hause aus’ abgrundschlechte und charakterlose Menschen sind.“ Zugleich beharrt die GEW aber auf ihrer Kritik an Streikbrechern, weil sie „den Arbeitskampf unnötig erschweren und solidarisches Handeln anders aussieht“.

Unterdessen haben gestern in Leipzig rund 3.000 streikende Erzieher nach Angaben der Gewerkschaft Verdi für eine bessere Bezahlung demonstriert. Die Teilnehmer der zentralen Kundgebung kamen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Allein aus Sachsen-Anhalt reisten etwa 500 Erzieher und Sozialarbeiter an. Die Erzieher sind seit dem 8. Mai im unbefristeten Streik. Zuvor waren fünf Tarifverhandlungsrunden ergebnislos geblieben. Verdi fordert eine bessere Eingruppierung für Erzieher und Sozialpädagogen, was unterm Strich ein durchschnittliches Lohnplus von zehn Prozent ergäbe. Das ist aus Sicht der Kommunen als Träger in der Regel nicht finanzierbar.

Verdi fordert neues Angebot

Achim Meerkamp, Mitglied im Verdi-Bundesvorstand und Tarifverhandlungsführer, rief die Arbeitgeber auf, ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Dann sei eine Rückkehr an den Verhandlungstisch eine Frage weniger Stunden. Die kommunalen Arbeitgeber haben zuletzt immer wieder gefordert, Verdi solle zu den Verhandlungen zurückkehren. In Köthen und Halle soll heute noch einmal gestreikt werden. Die Erzieher in Dessau-Roßlau entschieden laut GEW, die Arbeitsniederlegungen zunächst bis Freitag zu verlängern. (mz)

Dieses Flugblatt hat in Dessau für Wirbel gesorgt.
Dieses Flugblatt hat in Dessau für Wirbel gesorgt.
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