Kirche sucht Retter Kirche sucht Retter: Hotel "An der Klosterpforte" in Eisleben schließt

Eisleben/MZ - Familien-Brunch, Sonntags-Konzerte, Braufeste - es hat alles nichts geholfen. Wer die Tür zum Hotel „An der Klosterpforte“ in Eisleben (Mansfeld-Südharz) öffnet, kann den Blick durch ein schönes, aber zumeist menschenleeres Foyer schweifen lassen. Was dem gastlichen Haus fehlt, sind schlicht und einfach Gäste. Die Dame am Empfang lächelt dennoch, obwohl ihr gekündigt worden ist - von der katholischen Kirche als Hauptgesellschafter, und dann noch betriebsbedingt.
„Das hat uns gerade noch gefehlt!“ Mit diesen Worten nimmt Jutta Fischer (SPD), Oberbürgermeisterin von Eisleben, die Hiobsbotschaft aus dem Kloster Helfta auf. Das am gleichnamigen katholischen Wallfahrtsort ansässige Hotel schließt für Fischer „völlig überraschend“. Am 30. November soll in dem Haus, das immerhin dreieinhalb Gastro-Sterne schmücken und vor allem ein Anziehungspunkt für Reisende der Altersgruppe 50 plus ist, das Licht ausgehen. 30 qualifizierten Mitarbeitern, viele sind seit vielen Jahren dort beschäftigt, ist nach Betreiberangaben die Kündigung bereits zugegangen. Einige der Fachkräfte erwägen, die Region zu verlassen.
Für Oberbürgermeisterin Fischer ist klar: Jetzt, wo sich die Lutherstätten in Sachsen-Anhalt für das große Jubiläum 2017 langsam warmlaufen, sei das Aus „das völlig falsche Signal“. Schon in naher Zukunft könnten die 44 modernen Zimmer fehlen, und auch das anspruchsvolle Angebot mit 120 Plätzen im Restaurant „Benedikt“.
Und es komme noch schlimmer, befürchtet Fischer, wenn die Schließung nicht in letzter Minuten abgewendet werde. Weil das Hotel führend im Verein „Tourist-Information Eisleben-Mansfeld“ mitwirke, dürften Reibungsverluste bei der Vermarktung dann kaum zu vermeiden sein.
Retten, was zu retten ist
Nach dem Motto „Retten, was zu retten ist“ habe Fischer deshalb das Gespräch mit dem Klostervorstand und dem Gesellschafter des Hotelbetriebs gesucht, dem Bistum Magdeburg - „leider ergebnislos“. Fischer: „Obwohl Stadt und Landkreis ihre Unterstützung bei der Investorensuche anbieten, ist an der Entscheidung der Geschäftsaufgabe offenbar nicht zu rütteln.“
Aus Sicht der Gäste muss das unverständlich erscheinen. 95 Prozent der Besucher, darunter auch etliche Amerikaner und Japaner, geben im Gästebuch und in diversen Internet-Bewertungen ein positiver Urteil über das Haus ab. Der Vertreter des Bistums, Generalvikar Raimund Sternal, verweist indes auf die Bilanzen. So begründet der Kirchenbeamte die Entscheidung mit den „erheblichen Defiziten“, die das Haus seit Jahren erwirtschafte. Diese Bürde trage man seit 2009, seit der Übernahme des Hotels.
Das Hotel, das den Aufschwung des Klosters mit ankurbeln und gleichzeitig davon profitieren soll, besteht seit 2002. Ein privater Investor gibt damals acht Millionen Euro aus. Nach 18 Monaten Bauzeit öffnet das Ressort, zu dem auch das ehemalige Herrenhaus gehört. Dessen Sanierung ist auch dem Land Sachsen-Anhalt viel Geld wert gewesen - Fördermittel in Höhe von 2,2 Millionen Euro. Begründung der damaligen Wirtschaftsministerin Katrin Budde (SPD): „Wir erhoffen uns ein Stück Wirtschaftsbelebung des Mansfelder Landes.“ Die Hoffnung geht nur bedingt in Erfüllung. 2009 gibt die Gaststätten- und Hotelgesellschaft Kloster Helfta, Mitglied im Verband Christlicher Hotels, auf. Angesichts wachsender wirtschaftlicher Probleme springt 2009 das Bistum als Gesellschafter ein.
Inzwischen ist der Zuschuss für Erhalt und Weiterbetrieb auf 700 000 Euro angewachsen. „Damit ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht.“ Zugleich räumt Generalvikar Sternal eine gewisse Ratlosigkeit ein: „Offenbar ist Eisleben ein schwieriger Hotel-Standort.“ Dennoch hoffe man weiter auf einen neuen Pächter. „Wir sind zu Gesprächen mit Interessenten gerne bereit.“ Gemeldet habe sich bislang jedoch niemand. Äbtissin Agnes, Priorin des Klosters, versucht sich derweil in Schadensbegrenzung. Klosterbesucher, Pilger und andere Gäste finden auch künftig Unterkunft und Verpflegung - im benachbarten Gästehaus der Schwestern.
Gerne hätte Legitta Reininger, die „Klosterpforte“-Geschäftsführerin, noch mehr ausprobiert. Schließlich erreiche das Hotel mittlerweile eine Bettenauslastung von 36 Prozent - Tendenz der zurückliegenden Monate: langsam steigend. Mit diesem Ergebnis liege das Haus über dem Durchschnitt der Hotelbetriebe in Sachsen-Anhalt, aber immer noch weit unter dem Bundesdurchschnitt von 41 Prozent. Als wirtschaftlich wünschenswert gilt eine Auslastung von 50 bis 60 Prozent.
Auf die Frage, woran der Aufschwung gescheitert sei, antwortet die Managerin nach 31 Jahren Berufserfahrung: „Geiz ist geil, diese weit verbreitete Mentalität wirkt abseits der Großstadt besonders ruinös.“ Generell fehle es an Geschäftsreisenden in der wirtschaftlich schwachen Gegend. Es fehle aber auch an Touristen, die für eine Übernachtung in gehobener Umgebung 95 Euro zu zahlen bereit sind. Und obwohl das Land immer alle Lutherstätten gemeinsam darstelle, setzten Reiseunternehmen bislang vor allem auf die Lutherstadt Wittenberg. Reininger: „Eisleben ist trotz Geburts- und Sterbehaus des Reformators bislang leider nur eine Durchgangsstation.“
Weniger Übernachtungen
Experten wie Mathias Feige vom Tourismus-Barometer Sachsen-Anhalt, das die Sparkassen-Stiftung herausgibt, gehen davon aus: „Die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist das Thema der nächsten Jahre.“ Das heißt, der Branche steht wohl noch eine weitere Auslese bevor. Das geschieht vor dem Hintergrund einer im ersten Halbjahr 2013 gesunkenen Zahl an Übernachtungen. Die Umsatz-Entwicklung in diesem Zeitraum: minus 5,3 Prozent.
Bistumssprecher Thomas Lazar will dennoch die Hoffnung selbst für die „Klosterpforte“ in Eisleben noch nicht aufgeben. Mit Blick auf das Inventar, die Bier-Brauanlage, und Fahrrad-Verleih sagt der Kirchenmann: „Wir bauen nicht gleich alles ab, wir motten erst einmal nur ein.“
