Karls Erdbeerhof von der Ostsee Karls Erdbeerhof von der Ostsee: Großunternehmer expandiert nach Leipzig
Leipzig - Alles so schön rot hier! Wer das große Backsteingebäude betritt und ein paar Schritte geht, sieht nicht nur viel davon, sondern hat dazu auch gleich das Aroma von Erdbeeren in der Nase. Und zwar so, wie sie duften, wenn daraus Marmelade gekocht wird. Dazu gibt es in diesem speziellen Bauernmarkt das gesamte Erdbeerprogramm: Erdbeerpopcorn und Erdbeerbrause. Erdbeerwein, Erdbeerschokolade, Erdbeerkaffee, Erdbeernudeln (!). Erdbeerkissen, -kerzen, -kindergummistiefel... Natürlich auch die Erdbeermarmelade. Sie wird in einer Schau-Manufaktur gekocht. Und vor der Tür verkauft eine nette Frau frische Erdbeeren am Stand in Form einer - na klar - Erdbeere. Der reinste Erdbeerwahnsinn!
Konsumtempel für Erdbeerprodukte
Wir befinden uns in Elstal, einem kleinen Ort westlich von Berlin. Unweit eines großen Designer-Outletcenters gibt es hier seit zwei Jahren „Karls Erlebnis-Dorf“ - eines von fünf dieser Art, alle in Norddeutschland, das bekannteste in Rövershagen bei Rostock. „Karls“, das ist nicht nur so etwas wie ein Konsumtempel für Erdbeerprodukte und allerlei mehr - von ländlichen Erzeugnissen bis zu Einrichtungskrimskrams. Sondern auch Erlebnispark und Ausflugsziel, das ganze Jahr über. Und bei manch Fan schlicht Kult. Auch an diesem gewöhnlichen Montag ist der große Parkplatz vor dem Gelände gut gefüllt. Etwa 900.000 Besucher kommen im Jahr hier her, sagt Robert Dahl.
Emails vom Erdbeerfeld
Dahl, 45, Jeans, weißes Hemd, sympathisches Lächeln, ist der Mann hinter der Erdbeerwelt von Karls. Ein Westdeutscher aus der Nähe von Lübeck, der nach der Wiedervereinigung im Osten das Erfolgsunternehmen aufbaute. Gelernter Obstbauer und inzwischen auch Entertainment-Experte. Einer, der im Urlaub mit seiner Frau und den drei Kindern mit Vorliebe besondere Freizeitparks in aller Welt besucht - um zu gucken, was die anderen so machen. Einer, der sein Büro vor drei Jahren abgeschafft hat und lieber mal vom Erdbeerfeld aus E-Mails schreibt.
Jetzt sitzt er an einem der Holztische im Elstaler Erlebnis-Dorf, trinkt ein Wasser und sagt: „Wir haben höllischen Spaß, neue Ideen zu verwirklichen.“ Er erzählt vom neuen Kletterturm draußen, aber auch davon, dass die Kartoffelsackrutsche nach wie vor die beliebteste Attraktion ist. Berichtet von der Eiswelt, die sie hier geschaffen haben: 20 Eiskünstler kreierten aus mehr als 2 000 Eisblöcken Figuren aus „1 001 Nacht“.
Und dann erzählt Robert Dahl vom Allerwichtigsten, den Erdbeeren. „Sie stiften unsere Identität.“ Mit den Früchten auf den Feldern fing alles an. Ihr Anbau und Verkauf ist neben den Erlebnis-Dörfern die zweite große Säule der Firma Karls, die für ihre Stände in Erdbeerform bekannt ist - etwa in Berlin, wo viele davon stehen. Gut 5.000 Tonnen Erdbeeren habe man voriges Jahr geerntet. Nicht irgendwelche, wie der Chef betont: „Entscheidend bei der Wahl der Sorte ist der Geschmack.“ Wobei jedoch oft jene am besten seien, die sehr empfindlich sind.
Virtueller Rundgang durch die Karls-Eisfiguren-Ausstellung in Elstal im 360-Grad-Video:
Doch: „Durch die Direktvermarktung müssen unsere Erdbeeren nicht so lange Wege zurücklegen, das ist unser Vorteil im Vergleich zu Supermärkten“, erklärt der leidenschaftliche Obstbauer. „Sie sind frischer, denn spätestens am Tag nach der Ernte werden sie verkauft.“ Damit ergebe sich aber ein „eingeschränkter Aktionsradius“ - die Erklärung, weshalb man nur im Norden präsent ist. „Die Felder befinden sich rund um unseren Standort in Rövershagen“, so Dahl.
Karls Erdbeerhof von der Ostsee: Wie die Erfolgsgeschichte begann mit Karls begann und was hinter dem Namen steckt
Dort also, wo die Geschichte von Karls begann: erst mit einem Erdbeerhof, dann dem ersten Erlebnis-Dorf. Es ist vielen Ostseeurlaubern bekannt - von eigenen Besuchen oder den omnipräsenten Schildern an der B 105, die auf Karls verweisen. Wobei sich mancher fragt: Wer ist eigentlich dieser Karl?
Der Firmenname erinnert an Robert Dahls Großvater Karl. Er verkaufte seit Anfang der 20er Jahre in Mecklenburg, nicht weit von Rövershagen, Obst und Gemüse auf Wochenmärkten. Nachdem die Familie im Krieg nach Schleswig-Holstein geflüchtet war, bewirtschaftete er, später auch sein Sohn, Erdbeerfelder in Warnsdorf bei Lübeck. Hier wuchs Enkel Robert auf. „Nach der Wende schlug mir mein Vater vor, mich in der alten Heimat meines Opas selbstständig zu machen.“ Gesagt, getan. „Er schrieb mir eine Art Businessplan auf zwei Seiten. Titel: ,Aufbau eines Beerenobstbetriebes in Mecklenburg’“, so Dahl, dessen Schwester und Frau auch bei Karls mitarbeiten.
Vier Millionen Besucher jährlich
Aus dem Beerenobstbetrieb, bei dem sie früher neben den Erdbeeren nur ein paar Produkte aus der Region und Erdbeerkuchen zu Kaffee verkauften, ist in fast 25 Jahren eine riesige Kauf- und Erlebniswelt geworden - mit rund vier Millionen Besuchern jährlich an allen Standorten, Online-Shop und circa 700 fest angestellten Mitarbeitern, zu denen in der Saison noch etwa 180 Aushilfen, 1.200 Erntehelfer sowie 900 Stand-Verkäufer dazukommen. Dabei hat der Inhaber, der frische Erdbeeren derzeit am liebsten püriert mit Kefir mag, das Sortiment und die gastronomischen Angebote vor ein paar Jahren auf den Prüfstand gestellt. „Bei der Gastronomie verzichten wir zum Beispiel auf Zutaten mit Konservierungsstoffen und Geschmacksverstärkern“, so Dahl, der mit Karls gar auf Interesse aus China stößt: Ein Paar von dort war öfter zu Gast und so begeistert, dass es ein Erlebnis-Dorf in China aufbauen will.
Betrieb expandiert nach Leipzig und Loburg
Ein nächstes Ziel für Dahl: Leipzig. „Dort planen wir ein weiteres Erlebnis-Dorf“, berichtet er, „in der Region haben wir viele Fans.“ Der genaue Standort stehe noch nicht fest. Klar ist, dass es wieder der Stadtrand sein werde. Auch wann es damit soweit sein wird, ist noch unklar. „2018 wäre denkbar, aber das hängt nicht nur von uns, sondern vielen anderen Faktoren ab“, sagt Robert Dahl, der zudem im Norden Sachsen-Anhalts mit einem Café vertreten ist: dem Barbycafé in Loburg. „Von dort stammt meine Mutter. Auf dem Rittergut bauen wir Walnüsse an - mit dem Ziel, der größte Walnussbetrieb in Deutschland zu werden.“
Virtueller Rundgang durch die Karls-Eisfiguren-Ausstellung in Elstal im 360-Grad-Video:
Derweil haben im Erlebnis-Dorf Elstal an diesem Nachmittag nicht nur viele Familien ihren Spaß, es schlendern auch etliche Erwachsene ohne Kinder über das Gelände. Drinnen erklären gerade zwei junge Herren einer Besucherschar in einer Live-Vorführung, wie aus der farbig-klebrig-warmen Masse vor ihnen Bonbons werden. Ein Kind fragt: „Wie schmeckt die Masse jetzt?“ Und bekommt - wie die anderen jungen Zuschauer - prompt eine Kostprobe. „Lecker!“ Andere schauen sich im Bienenmuseum des Hofes um, reiten auf Ponys, erkunden den Irrgarten, fahren auf der Traktorbahn, backen Stockbrot oder staunen über die Guinness-Buch-der-Rekorde-prämierte Kaffeekannensammlung, die an allen Standorten inzwischen laut Dahl rund 45 000 Stück beinhaltet.
Irgendwo hinten im Bauernmarkt werden Schilder mit Sprüchen für zu Hause angeboten, von frech bis philosophisch. Auf einem steht: „Alle sagten: Das geht nicht! Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s gemacht.“ (mz)