"Kaiserhof" in Letzlingen "Kaiserhof" in Letzlingen: Jagdmenü am Kaiserhof

Letzlingen/MZ. - Sogar 16-Ender, Recken mit über 140 Kilogramm, haben die Jäger hier in jüngster Zeit zur Strecke gebracht. Goldmedaillenverdächtige Hirsche sind in der Colbitz-Letzlinger Heide aber seit langem zu Hause. Bereits zwischen 1843 und 1912 finden in der waldreichen Region zwischen Magdeburg und Salzwedel deshalb viele Hofjagden statt. Europäische Monarchen wie Zar Alexander von Russland lassen da gerne die Büchsen knallen - mittendrin das Jagdschloss der Hohenzollern am Rande von Letzlingen. Die ehemalige „Hirschburg“, steinerne Erinnerung an 400 Jahre herrschaftliche Jagdtradition, lädt seit 2001 nach umfassender Sanierung wieder ein: unter anderem ins Restaurant „Kaiserhof“. Und etliche Male ist die Schlossküche seitdem im Schlemmeratlas positiv erwähnt - ein Grund mehr, die berühmte Probe auf das Exempel zu machen.
Die Karte ist übersichtlich und offenkundig auf das große Menü ausgerichtet. Wer guten Appetit und 32 Euro mitbringt, den verlockt bestimmt das Kaiser-Menü. Krone und Pickelhaube bleiben dabei zwar im Fundus, aber vier herzhafte Gänge verlocken. Bevor es los geht, ein Blick in die Weinkarte. Überraschungen sucht man vergebens: Neben einigen deutschen Tropfen gibt es noch Süffiges aus Italien und von der iberischen Halbinsel. Mit einem trocknen roten Spanier trifft der Gast eine gute Entscheidung: samtig am Gaumen, beerig im Geschmack, vielleicht etwas schwach im Abgang. Aber darüber und über den Preis kann man sich bekanntlich immer streiten. 5,50 Euro kostet die Viertelliter-Karaffe. So weit, so gut.
Bauernsalat für die Krone?
Das geht aber schnell. Schon steht der kaiserliche Salat auf dem Tisch - in kleiner Variation, also ohne die sonst üblichen pikanten Entenfleischstreifen. Knackfrisch sind die Zutaten allemal. Indes, stellt sich meine Tischnachbarin die vorwitzige Frage: Schmeckt einem Kaiser wirklich ein griechischer Bauernsalat - schlichte Paprika, Gurke, Tomate, Blattsalat, Chicorée und obenauf etwas geriebener Parmesan? Sicher ist Salat nicht gleich Salat - es muss noch andere Rezepte geben. In der Eile hat der Küchenjunge zudem wohl die Flasche mit dem hausgemachten Apfeldressing einmal zu viel geschüttelt. Weniger wäre an dieser Stelle wohl wirklich besser gewesen.
Gute Laune bekommt Majestät aber bestimmt, wenn die zünftige Bärlauchsuppe auf dem Teller dampft. Der Geruch jedenfalls ist köstlich, jeder Löffel ein Genuss. Natürlich würzig, wunderbar cremig - Schonkost für den Magen, die schmeckt. Das Stück gebeizter Lachs schmilzt auf der Zunge. Ähnlich Gutes lässt sich über die Alternative sagen: Mit der Altmärker Hochzeitssuppe, eine klare Brühe mit Spargel, Eierstich und Fleischklößchen, kann man eigentlich nichts falsch machen - schlichtweg ein preiswerter Klassiker für Land- und Edelmann zugleich.
Das Restaurant ist auch am frühen Nachmittag noch gut belegt. Aber es geht alles Schlag auf Schlag. Die Bedienung ist wirklich zackig. Alle Achtung, jetzt naht die kaiserliche Hirschkeule. Nun nicht gleich übertreiben, drei herausgelöste dünne Scheiben. Dazu gibt es eine ordentliche Portion geschmorten Spitzkohls und Knödel nach Art des Hauses, was durchaus als weiterer Beleg für die Bodenständigkeit der hochwohlgeborenen Jäger verstanden werden kann. Es müssen keine exotischen Spezialitäten sein, wenn in heimischen Wäldern so zartes Fleisch heranwächst. Der zuweilen so typische Wildgeschmack ist im Kaiserhof unmerklich fein. Voreilige Geister könnten fast auf die Idee kommen, der Hirsch stamme gar aus einem Gehege und ist gar nicht in freier Wildbahn erlegt... Wie auch immer, die leckere Soße mit vielen Preiselbeeren löst sowieso jeglichen Zweifel in kräftigem Geschmack auf. Überhaupt nichts zu deuteln gibt es am Spitzkohl - gewusst wie. Da werden auch kritische TV-Gourmets sagen müssen: Tim Mälzer kann es bestimmt nicht besser. Wer das Rezept selbst einmal probieren will, muss wissen, mit längs vierteln und Strunk herausschneiden ist es nicht getan. Die Blätterstreifen sollten nicht breiter als zwei Zentimeter sein. Auch das rundum Anbraten in drei Esslöffel Öl will geübt sein. Und erst jenes kleine Scheibchen Orange gibt dem Ganzen das besondere Etwas, was den Genießer in Letzlingen letztlich so zufrieden stimmt.
Ein süßer Nachtisch ist dennoch zu empfehlen, rundet er doch den gut zweistündigen Aufenthalt bei Tische ab. Dass zumindest Kaiser Wilhelm II. ab und an einmal ein Eis geschleckt haben soll, dafür gibt es mehr als einen Zeugen. Warum sollte man dann heutzutage die Verlockung in der Altmark ablehnen?
Warum nicht, wenn es schmeckt!
Die Offenbarung ist keine Offenbarung, sondern eine uralte Erfahrung aus der Küche: Ja, erst der Mix macht es. So finden sich auf dem kaiserlichen Teller nämlich ganz schlicht Vanille, Schokolade, Waldbeere und Zitrone, dazu eine geheimnisvolle Soße samt mariniertem Ananasfilet. Warum nicht, wenn es schmeckt!
Der Weg zurück in die Jetzt-Zeit, da keine gekrönten Häupter mehr das Sagen haben, führt über eine hölzerne Brücke und den grob gepflasterten Hof. Damen, die Schuhe mit hohen Absätzen tragen, sollten vorsichtig unterwegs sein. Und Achtung, jeder Besucher, der den Gastraum verlässt, wird inspiziert. Von einem historischen Bild an der Stirnwand des Eingangsbereiches schaut der Kaiser in Jagdmontur herab, ziemlich knurrig, wie es scheint.
Noch einmal ein Blick in den gastlichen Raum, in dem es für diese Preislage ziemlich familiär zugeht. Für kleine Kinder sind extra Stühle bereitgestellt. Auch Hunde, die gut erzogen sind, finden ihr ungestörtes Plätzchen. Niemanden stört das, eben eine beinahe familiäre Stimmung. Vielleicht ist das gute Essen der Grund, vielleicht auch der Blick in den Schlosswald, der alles so entspannt empfinden lässt. Womöglich tragen auch die jagdgrünen Tapeten, die beigefarbenen Vorhänge, der Wandteppich mit Jagdszenen und die alten Messinglampen dazu bei. Von Luxus jedenfalls ist keine Spur zu entdecken. Selbst das Eichenholzbuffet strahlt nichts Majestätisches aus, allenfalls gediegene Bürgerlichkeit. Blickfang ist freilich ein wahrlich fürstlicher Rauchtisch samt zwei Sesseln, die reichlich mit jagdlichen Trophäen verziert sind. Platz nehmen, selbst nur für einen Schnappschuss, ist leider nicht erlaubt. Alles nur Dekoration.
