Hochwasserhelfer ausgezeichnet Hochwasserhelfer ausgezeichnet: Fischer bekommt goldene Henne

Hohengöhren/Berlin/MZ - Seine Töchter haben ihn mit einem Trick nach Berlin gelockt, mit angeblich bei einem Preisausschreiben gewonnenen Karten für eine Filmpremiere. Hätte er gewusst, was auf ihn zukommt, sagt Gernot Quaschny am späten Mittwochabend vor einem riesigen TV-Publikum gerührt, „wäre ich sicher nicht angereist.“ Seinen Töchtern war das klar. Elbe-Fischer Quaschny aus Hohengöhren (Landkreis Stendal) hat in Berlin die Goldene Henne für seinen Einsatz bei der Flut im Juni bekommen. Demnächst wird ihm auch noch der Deutsche Bürgerpreis verliehen, die Entscheidung fiel bereits vor einigen Wochen.
Quaschny, der Hochwasser-Held, der anderen half, während seine eigene Existenz den Bach, besser gesagt die Elbe hinunterging. Jetzt wird er gefeiert, dabei ist es ihm irgendwie auch ein bisschen unangenehm, weil er so gar nicht gern im Mittelpunkt steht. „Ich sehe mich nicht als Hochwasser-Helden. Das war doch eine ganz normale Sache, nichts Besonderes“, sagt er.
Als das Wasser nach dem Deichbruch bei Fischbeck kam und eine ganze Region im Norden des Landes untergehen ließ, war sein Hof der erste des Schönhausener Ortsteils Hohengöhren, der überflutet wurde. Zwei Meter hoch stand die Brühe zeitweise auf dem Grundstück. Gernot Quaschny aber ging nicht etwa, er wurde stattdessen schon bald eines der Gesichter der Flut schlechthin: der Mann mit dem Boot. Unermüdlich war er als Kurier zwischen den überfluteten Dörfern und dem „Festland“ unterwegs, brachte Lebensmittel, Diesel für die Notstromaggregate, Tierfutter oder Werkzeug zu denen, die trotz Evakuierung geblieben waren. Es war für ihn, sagt er heute, in jenen Tagen auch ein Weg, das eigene Schicksal zu verdrängen.
Neustart bei Null
Selbst musste der Berufsfischer aus Leidenschaft hingegen bei Null wieder anfangen. Aus Wohnhaus und Betrieb, die wochenlang unter Wasser standen, war nichts mehr zu retten. Als das Wasser endlich ging, mussten die Gebäude komplett abgerissen werden. Auch an seinen Beruf war erst einmal nicht zu denken. In den beiden überfluteten Seen, in denen Quaschny bis dato ebenfalls gefischt hatte, waren nach so langem Sauerstoffmangel alle Tiere tot. „Das war die blanke Jauche“, sagt er. Der Antrag auf Förderung eines neuen Besatzes für insgesamt sechs betroffene Seen läuft noch. Aber selbst wenn er genehmigt wird: „Es dauert drei Jahre, ehe man da wieder einen Fisch fangen kann.“
Auf der Elbe könnte Quaschny theoretisch schon wieder unterwegs sein - nur fehlt ohne den in den Fluten untergegangenen Betrieb eben die Möglichkeit, den Fisch auch zu verarbeiten. „Seit Juni habe ich keinen selbst gefangenen Fisch mehr verkauft“, sagt Quaschny. Seinen Alltag bestimmten stattdessen seitdem viele, viele Telefonate, um den Neuanfang zu organisieren. Und er ist froh, dass er wenigstens noch stundenweise für ein Forschungsunternehmen tätig sein kann, das an einem Fisch-Monitoring in Sachsen-Anhalt arbeitet. „Sonst wäre es schwierig.“
Doch es soll wieder vorwärts gehen. Wenn alles klappt, starten in der kommenden Woche die Bauarbeiten für sein neues Firmengebäude samt Verarbeitungs- und Kühlraum, samt Lager und Verkaufsstelle. Auf 30000 Euro ist die offizielle Förderung des betrieblichen Wiederaufbaus begrenzt, sagt Quaschny - grundsätzlich bei betroffenen Fischereien und abzüglich der 5 000 Euro, die es nach der Flut als Soforthilfe für Firmen gab. Das, weiß er schon heute, wird vorn und hinten nicht reichen. Quaschny hofft deshalb, dass es noch mehr wird.
Heimlich Spenden gesammelt
Aber auch Spenden werden ihm beim Wiederaufbau helfen. Geld, um das der zurückhaltende Mann nie selbst gebeten hätte. „Um Gottes Willen, lieber hätte er sein letztes Hemd ausgezogen“, sagt Tochter Cindy. Der Coup, ihn zur Henne-Verleihung zu locken, war deshalb längst nicht der einzige der vergangenen Monate. Heimlich haben die beiden Töchter Spenden gesammelt, den Vater zu Spendenübergaben gelockt. Nachbarn aus den Dörfern, die er während der Flut versorgte, organisierten ein Benefizkonzert, dessen Erlös an Quaschny ging. „Es war unglaublich, wie viele da gekommen sind“, sagt Tochter Cindy.
Inzwischen wird der Neuanfang greifbar. Bis Weihnachten, sagt der 50-Jährige, wird hoffentlich der Betriebsbau fertig sein. Das Silvestergeschäft würde er als Elbefischer gern schon mitmachen. Und: Seit der vergangenen Woche haben Quaschny und seine Lebensgefährtin wieder ein Zuhause. Da wurde ein Wohnschiff geliefert, rund 100 Quadratmeter möblierte Wohnfläche. Er hat es einem Hamburger Ehepaar abgekauft, das auf Weltreise gehen will und das Boot im Internet inserierte. Es kam über die Elbe, steht jetzt auf einem Fundament auf Quaschnys Grundstück. Und es soll keine Übergangs-, sondern eine endgültige Lösung sein, sagt der Fischer. „Das ist für immer hochwassersicher.“ Und war zudem quasi von einem Tag auf den anderen verfügbar - ohne Warten auf Bauleute, für die es in der von der Flut gezeichneten Region riesigen Bedarf gibt.
Quaschny blickt wieder nach vorn. Und hat auch seinen Frieden mit dem jüngsten Trick der beiden Töchter gemacht. Nicht nur, weil es keine weiteren Heimlichkeiten geben soll - das haben sie ihm versprochen. Mit der Henne-Verleihung, sagt er schließlich noch, konnte er doch „gute Werbung für unsere Region machen“.

