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Hochwasser in Sachsen-Anhalt Hochwasser in Sachsen-Anhalt: 18. August: Gespannte Ruhe im Norden

18.08.2002, 18:51

Magdeburg/Dessau/Bitterfeld/dpa. - In der Lutherstadt Wittenberg, eigentlich ein idyllischerTouristenort, liegt die Hauptfront am Stadtrand. Hier wird um jedenMeter Deich gekämpft. Aber oft umsonst. Am gegenüberliegenden Süduferüberwältigte die Elbe den Deich. Sie überspülte Vororte und fraß sichkilometerweit ins Land.

«Sie wollen nach Pratau? Pratau gibt's nich' mehr», sagt einPolizist an der Flutabsperrung. Tatsächlich hat die Elbe in demsüdlichen Stadtteil von Wittenberg sämtliche Häuser mehr als einenMeter unter Wasser gesetzt. Insgesamt 35 000 Menschen mussten imUmland schon vor dem Deichbruch ihre Häuser zurücklassen, 2000alleine in Pratau.

Ronald Grauert, Verantwortlicher im Krisenstab von Wittenberg, istan den roten Augen anzusehen, dass er seit Donnerstag kaum geschlafenhat. «Eine ernste Lage ist gar kein Ausdruck», sagt er. VierHubschrauber der Bundeswehr kreisen über Wittenberg. Sie versuchen,die 20 Meter breite Lücke im Deich zu füllen, indem sie Netze mitSandsäcken abwerfen. «Das ist ein Strohhalm, an den wir uns halten.»

Wie ein Lauffeuer verbreitet sich am Sonntag in Dessau dieNachricht, dass ein Deich den entfesselten Fluten der Mulde nichtstandgehalten hat und nun den Stadtteil Waldersee teilweiseüberflutet. Tagelang hatten trotz Evakuierungsanordnung eine ganzeReihe der 2800 Anwohner und Helfer verbissen um den Deich gekämpft,ihn mit Sandsäcken verstärkt und zu halten versucht. Nun müssen sieschicke weiße Einfamilienhäuser und liebevoll gepflegte Gärten derstinkenden braunen Brühe überlassen.

Ein riesiges Problem besteht direkt hinter dem Deich, von dessenerhöhter Krone die Fluten noch ein gutes Stück entfernt sind: dasstädtische Klärwerk. «Wenn hier die Wassermassen kommen, ist das ganzschlimm», sagte Markus Lingner vom Technischen Hilfswerk Hamburg-Bergedorf, der vor Ort im Einsatz ist. «Dann können die Abwässer der80 000-Einwohner-Stadt Dessau mindestens zwei Wochen nicht mehrgeklärt werden, auch die Kanalisation funktioniert dann nicht mehr.»

Absurd muten angesichts der bedrohlichen Lage die Bilder in derDessauer Innenstadt für manchen Betrachter an: Einige Menschen hattensich für den Sonntag fein gemacht, sonnten sich oder genossen ineinem der Cafés einen Eisbecher oder ein Stück Torte. «Wir gehennachher noch zum Hochwasser», sagt ein Mann zu seinem Tischnachbarn.«Sie auch?».

Angespannte Ruhe herrschte im Norden Sachsen-Anhalts, wo der Elbe-Höchststand noch nicht angekommen ist. In der LandeshauptstadtMagdeburg wurden zwar Schutzmaßnahmen fortgesetzt und die Tier im Zoovorsichtshalber abtransportiert oder gesichert. Viele Bürgerspazierten zur Elbe, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Im nahe gelegenen Schönebeck waren die Sicherungs-Maßnahmen durchdie Bundeswehr weitgehend abgeschlossen. «Wir hoffen, dass wir nichtso viel abkriegen», sagt ein Einwohner. Ursprünglich hatte sich die36 000-Einwohner-Stadt darauf eingerichtet, fast völlig unterzugehen.Auf Grund der neue Elbe-Pegel-Vorhersagen geht man jetzt davon aus,dass nur einige wenige ufernahe Gebiete betroffen sind.